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Joachim Hunold, Gründer und langjähriger Vorstandschef der Fluggesellschaft Air Berlin.

© Air Berlin

Bürokratie in der Hauptstadt: Wie Behörden die Politik sabotieren

Bürokraten ersinnen Verbote am Fließband, beklagt unser Kolumnist Joachim Hunold. Das Ergebnis: Wichtige Projekte, die einfach platzen, weil erforderliche Genehmigungen herausgezögert werden. Dabei gäbe es eine so einfache Lösung.

Die Berliner Parteien bringen sich langsam in Stellung, denn im nächsten Jahr werden das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich in der Relation der großen Parteien zueinander nicht viel ändern wird. Spannend wird die Wahl vor allem für die Kleinen, für Piraten, FDP und AfD. Aber auch so mancher Kandidat einer großen Partei muss um sein Direktmandat bangen. Nicht etwa, weil er schlecht gearbeitet hat, sondern weil die Beamten und Angestellten in der Verwaltung kontraproduktiv agiert haben. Denn immer häufiger lassen überkorrekte Behördenmitarbeiter Politiker ins Leere laufen. "Egal, wer unser Minister ist und was er dirigiert – wir spielen die Neunte." Das hat mir ein Ministerialrat gesagt, der hintereinander drei Vorgesetzte aus verschiedenen Parteien hatte. Besser kann man das Selbstverständnis mancher Beamten nicht beschreiben. Seit Bismarcks Zeiten dürfen sie sich als wesentlicher Teil unseres Staatsgefüges und als Garanten unserer Rechtsordnung sehen. Leider ist die Sache mit der Rechtsordnung bei uns eine sehr unbestimmte Angelegenheit. Überall auf der Welt – ganz gleich, ob in einer Demokratie oder in einer Diktatur – gilt der Grundsatz, dass erlaubt ist, was nicht verboten ist. Nur aus Sicht der deutschen Bürokratie ist verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Vor allem im preußisch geprägten Berlin.

Politiker können sich gegen die Rechthaber vom Amt nicht durchsetzen

Selbst die unwichtigste Banalität kann da zur Staatsangelegenheit werden. Wie beispielsweise die Sache mit den Bodenhülsen. Das sind Rohrstücke, die Gastwirte in ihren Straßencafés in den Boden einlassen, um darin Sonnenschirmen Halt zu geben. Weil Bodenhülsen in keinem Gesetz und in keiner Rechtsvorschrift erwähnt sind, kommt ein Berliner Bezirksamt zu der Ansicht, dass sie verboten seien. Es verlangt große Stein- oder Metallplatten, über die Kellner und Gäste stolpern können, als Verankerungen. Politiker können sich gegen die Rechthaber vom Amt nicht durchsetzen.

Wie am Fließband ersinnen Bürokraten Verbote. Fatal wird das bei so manchem Investitionsprojekt, das von der Politik mit großem Stolz verkündet wird und sich einfach in Luft auflöst, weil die erforderlichen Genehmigungen verzögert oder nicht erteilt werden. Oft folgen dann Schadenersatzprozesse, deren Zeche der Steuerzahler mit seinem Geld und der einst so förderungsfreudige Politiker mit seinem Ansehen bezahlen. Kurios wird die Sache, wenn sich sogar Behörden untereinander bei Bauvorhaben behindern. Etwa, wenn für die Reparatur einer Straße nicht alle Genehmigungen zügig erteilt werden und die bereits abgesperrte Baustelle dadurch monatelang stillgelegt wird.

Ich hätte da einen Verbesserungsvorschlag: Man sollte die Hälfte der Bediensteten aus den Genehmigungsbehörden in die Bürgerämter versetzen. Dann könnten sowohl Investitionsstaus als auch Besucherschlangen vermieden werden.

Diese Kolumne erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

Joachim Hunold

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