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Beide Flügel des Pflegeheims verbindet eine Brücke.

© Andreas Endermann / picture-alliance / dpa

Debatte um die Sterbehilfe: Ein Seniorenheim an der Grenze

Der Umgang mit dem Sterben könnte in beiden Staaten kaum unterschiedlicher sein. Lesen Sie hier einen Auszug und den vollständigen Beitrag im digitalen Kiosk Blendle.

Sie hat nicht viel Zeit. Gleich muss Wilhelmina Kastein zum Frisör, später will sie eine Freundin besuchen, zwischendurch Mittagsschlaf halten und eine Stunde laufen. „Ich lebe hier und jetzt“, sagt die kleine, zarte Frau. Über das, was später sein wird, macht sie sich keine Gedanken. Auch nicht über die Frage, wie sie sterben möchte. „Ist ja alles noch weit weg“, sagt Wilhelmina Kastein. Sie ist 91 Jahre alt.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt Hans Brouwer. Er ist 70 und weiß genau, wie er aus dem Leben scheiden will: ohne lebensverlängernde Maßnahmen, mit viel Morphium gegen Schmerzen, notfalls durch die Hand eines Arztes.

Wilhelmina Kastein und Hans Brouwer leben in einem Pflegeheim an der deutsch-niederländischen Grenze. Sie auf der deutschen Seite, er auf der niederländischen.

Wilhelmina Kastein wohnt im deutschen Teil der Einrichtung.
Wilhelmina Kastein wohnt im deutschen Teil der Einrichtung.

© Claudia Keller

Die Staatsgrenze zwischen dem deutschen Dorf Suderwick und dem niederländischen Dinxperlo verläuft auf dem Hellweg. Er ist so eng, dass zwei Autos gerade aneinander vorbeikommen. Auf beiden Seiten reihen sich zwei- und dreistöckige Backsteinhäuser aneinander. Schwer zu sagen, welches die deutsche Seite ist, welches die niederländische. Damit die Menschen hier auch im Alter nah beieinander wohnen können, wurde 2009 der deutsche Teil an das bereits bestehende niederländische Pflegeheim angebaut. Eine wuchtige gläserne Wohnbrücke mit Café verbindet beide Seiten. Hier sollen sich die Bewohner treffen. Es ist ein europäisches Vorzeigeprojekt, Brüssel gab Geld dazu. „Hier wächst zusammen, was zusammengehört“, verkündeten Politiker bei der Eröffnung.

Die Suderwicker und Dinxperloer spüren die Grenze kaum noch. Und doch ist sie deutlich vorhanden: Der Umgang mit dem Sterben, dem selbstbestimmten obendrein, könnte in den beiden Ländern kaum unterschiedlicher sein.

Die deutschen Bundestagsabgeordneten werden Anfang November organisierte Sterbehilfe wohl verbieten. In den Niederlanden sind alle Formen von Sterbehilfe seit 30 Jahren erlaubt. Ärzte beschaffen nicht nur die todbringenden Medikamente, sondern setzen auf Wunsch auch die tödliche Spritze. Man nennt das in Deutschland „aktive Sterbehilfe“ oder „Tötung auf Verlangen“, die Niederländer sagen dazu „Euthanasie“.

Hier, im grenzüberschreitenden Pflegeheim zehn Kilometer von Bocholt entfernt, treffen die Unterschiede so unmittelbar aufeinander wie sonst nirgendwo in Europa. Was vielleicht erklärt, warum sich ein unheimliches Gerücht hartnäckig hält: Lebensmüde Deutsche zieht es hinüber in den niederländischen Teil, sterbensunwillige Niederländer flüchten sich in Zimmer auf deutscher Seite. Das stimmt natürlich nicht – zumal sich Deutsche schon aus Versicherungsgründen nicht einfach auf der niederländischen Seite pflegen lassen dürfen. Doch zeigt dieses Gerücht besser als alles andere, wie aufgeladen die Debatte um die Sterbehilfe noch immer und immer wieder ist.

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