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Widersprecher. Jeder neue Moslem bringe mehr Judenhass ins Land, meint Emanuel Bernhard Krauskopf.

© Thilo Rückeis

Umstrittene Gruppierung: Was die "Juden in der AfD" antreibt

„Jüdischer Nazi“ – so wird er beschimpft. Emanuel Bernhard Krauskopf lacht darüber. Er hat die „Juden in der AfD“ gegründet. Weil er sich nicht geschützt fühlt.

Das Urteil über ihn steht schon fest, da weiß er noch gar nicht, dass es eines Urteils bedürfen würde. Es lautet: „Schande und Farce“.

Er wiederholt die beiden Worte. Schande. Farce. Und dann lacht Emanuel Bernhard Krauskopf auf eine trockene, knarzige Art, die seine Erregung zügelt.

Ja, er hatte da etwas vor, das nicht allen in seiner Gemeinde gefallen würde. Aber dass die „taz“ gleich einen Beitrag voller Entsetzen veröffentlichen würde, das ganze Aufsehen der Medien daraufhin, hat ihn, den pensionierten Maschinenbauer, überrascht. Um nicht zu sagen: überrumpelt.

Der Vorwurf wog schwer, dass es dem „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ und dem 1935 verbotenen „Verband nationaldeutscher Juden“ auch nicht geholfen habe, sich auf das „deutsche Wesen“ zu berufen. Die Nationalisten unter den Juden waren von den Nazis verfolgt und umgebracht worden wie alle anderen.

Ein solcher Rummel für so wenige

Emanuel Bernhard Krauskopf ist einer der Initiatoren der Gruppe „Juden in der AfD“, kurz JAfD, sie ist seine Idee gewesen. Am 8. Oktober hat er sie mit 18 anderen, darunter fünf Frauen, mit einem Festakt in Wiesbaden gegründet. Unter so großer Anteilnahme der Öffentlichkeit, dass der Verdacht eines medialen Coups nicht von der Hand zu weisen war. Ein solcher Rummel für so wenige. Dabei hatte der 69-jährige Krauskopf selbst noch zwei Monate zuvor nicht an einen solchen Zusammenschluss geglaubt.

Krauskopf ist 2013 in die AfD eingetreten. Ihn störte die Europapolitik der arrivierten Parteien, sonderlich engagiert sei er zunächst nicht gewesen. Dennoch ist eine Wortmeldung von ihm bei einer Diskussionsveranstaltung im September 2017 überliefert. „Die Problematik für uns Juden liegt darin“, wird er wiederum in der „taz“ zitiert, „dass die Anzahl der Judenhasser steigt – und sie steigt mit jeder Woche, mit der mehr Moslems zu uns kommen.“ Krauskopf habe weiterhin gesagt, dass der Antisemitismus nicht nur in der AfD zu finden sei, sondern auch in anderen Parteien. Wie sein Einwurf aufgenommen wurde? Auf genau die Art, die den Rechtspopulismus vermutlich stark gemacht hat. „Der Moderator distanzierte sich davon und umschiffte das Thema“, schreibt die Zeitung.

Warum haben Juden in der Bundesrepublik heute mehr Angst um ihr Leben denn je? Und wovor fürchten sie sich? Was gewährt ihnen Schutz? Entlang dieser Fragen zieht sich der Riss durch die jüdischen Gemeinden, die infolge der Einwanderung von Spätaussiedlern teils immer konservativer werden. Krauskopf, einziger Berliner der weit verstreuten AfD-Truppe, gehört zu denen, und es seien nicht wenige in jüdischen Kreisen, meint er, die dächten wie er, deren Sicherheitsbedürfnis an erster Stelle steht.

Der Vater sprach kein Deutsch, die Familie zog quer durch Europa

Im Kaffeehaus unter den Linden wirkt der Mann mit dem lebhaften Gesicht, dem weißen Vollbart und dem untersetzten, kantigen Körper nicht wie einer, der „besorgt“ wäre, wie es oft über AfD-Anhänger heißt. "Wenn ich mich aufrege", sagt er, "dann ist das mehr oder weniger gespielt." Am Tisch sitzt ein älterer Herr im dunklen Anzug, der Haltung wahrt und bereitwillig Einblick gewährt in seine verzweigte, vom Holocaust geprägte Geschichte. Er sei in einer armen Familie aufgewachsen, die ihre Wurzeln im polnischen Lodz und in Dortmund hat. Der Vater sprach als Überlebender des Zweiten Weltkriegs kein Wort Deutsch und habe ihn als Kind von Belgien nach Israel und quer durch Europa geschleift – auf der Suche nach Arbeit und der richtigen Heimat. Es war die Mutter, die in Frankfurt beschloss, das bürgerliche Leben mit klassischer Musik wieder aufzunehmen, das Hitler ihr genommen hatte. Die Eltern eröffneten ein Kosmetik- und Drogeriegeschäft, und ihr Sohn spielte Geige und gewann Preise, bis er es mit 20 Jahren wegen Rückenproblemen aufgeben musste.

Trotz seiner Familiengeschichte werde er jetzt als „jüdischer Nazi und Rassist“ beschimpft, sagt er. Er lacht darüber wie über einen schlechten Witz. Hat seine Familie väterlicherseits aus Lodz nicht mindestens 50 Menschen in Arbeitsdiensten und im KZ verloren? Und hat er in den USA nicht eine Algonkin-Indianerin geheiratet, als er dort ein Elektronik-Unternehmen aufbaute? Was ist so schwer zu verstehen daran, dass die jüdisch-deutsche Symbiose der Mutter ihm ein starkes Traditionsbewusstsein eingepflanzt hat? „Ich habe so viel Erfahrung mit Migration“, sagt Krauskopf, überhaupt sei die AfD eine Migrantenpartei bei all den Deutschaussiedlern, die sich ihr angeschlossen hätten. „Eine Migrantenpartei, die eine deutsche Leitkultur akzeptiert.“

Die Verfassung? Er vertraut ihr nicht

Die Demokratie werde ihn nicht schützen, davon ist er überzeugt. Demokratisch legitimierten Judenhass habe es schon in der Weimarer Republik gegeben. Wenn die Wähler Mist wollten, sagt Krauskopf, würden sie Mist wählen. „Das kann immer passieren in der Krise: Auf einmal hat man nicht genug Demokraten. Wenn der Anteil der armen Leute zunimmt, dann steigt der Judenhass.“ So weit geht sein Skeptizismus, dass er nicht einmal auf die Verfassung vertraut, denn sie allein bestehe nur aus „Institutionen des Wortes“. Was schützt ein Wort, an das man sich nicht hält? Es muss etwas Stärkeres geben.

In einem Gespräch mit einem christlichen Parteikollegen entstand die Idee, einen christlich-jüdischen Arbeitskreis zu bilden. Daraus wurde jedoch nichts. Er war allein. „Ich kannte ja gar keine Juden in der AfD, weil die Religion bei der Aufnahme nicht abgefragt wird“, erzählt Krauskopf. Es wurde ihm Wolfgang Fuhl empfohlen, ehemaliges Mitglied des Zentralrats der Juden. Aber der lebte am entgegengesetzten Ende von Deutschland, in Lörrach. „Wir wussten nicht, wie wir’s anfangen sollten.“

Erst im Frühjahr kam die Verbindung zu anderen jüdischen AfDlern zustande, jeder lebte für sich wie auf einer Insel. In Wiesbaden, Stuttgart, Esslingen. Es war dann Artur Abramovych aus Bamberg, der den klugen Einfall einer Whatsapp- Gruppe hatte, und die Suche nach Mitstreitern nahm Fahrt auf. Die Organisation übernahm Dimitri Schulz, ein umtriebiger Russlanddeutscher und Stadtverordneter aus Hessen, während sich Krauskopf daran machte, eine Satzung auszuarbeiten und die Präambel zu schreiben. Es sei, so beteuert er, eine Initiative von unten. Die Botschaft von oben: Innerhalb der Partei sollen außer der Jungen Alternative keine Gruppierungen anerkannt werden. Weshalb die JAfD ein eigenständiger Interessenverband ist, kein Parteiorgan, wenn sich auch seine Mitglieder ausschließlich aus Parteikreisen rekrutieren dürfen.

Fürchtet er nicht, instrumentalisiert zu werden?

Die Empörung darüber, dass sich Juden in einer rechtspopulistischen Partei organisieren, ist groß. 17 jüdische Organisationen verfassten noch vor dem Gründungstreffen einen Aufruf, überschrieben mit „Keine Alternative für Juden“. Eine weitere Erklärung, unterzeichnet von Dutzenden einflussreicher Privatpersonen, erscheint in der jüdischen Zeitschrift „Jalta“. Darin heißt es: „In einer Gesellschaft, wie sie der AfD vorschwebt, sind alle Minderheiten und alle Demokrat*innen in Gefahr. Der Versuch, diese Ausrichtung der Partei von innen zu verändern, zeugt von einer grotesken Selbstüberschätzung.“ Es besteht der Verdacht, die Partei würde genau in dem Moment, da die Beobachtung durch den Verfassungsschutz erwogen wird, nach einer möglichen Entlastungsstrategie suchen.

Versteht Krauskopf den Vorwurf? Fürchtet er nicht auch, instrumentalisiert zu werden als „nützlicher Idiot“ , wie es schon einmal über jüdische Schriftsteller hieß? Ein AfD-Politiker hat Krauskopfs Initiative zu einem Akt von „historischer Bedeutung“ erklärt.

Auch in anderen Parteien gibt es jüdische Gruppierungen, ein „Jüdisches Forum“ in der CDU, einen Arbeitskreis in der SPD. Beide Parteien haben jedoch keinen Vorsitzenden, der den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ bezeichnet. Oder Mitglieder, gegen die wegen antisemitischer Äußerungen Parteiausschlussverfahren laufen. In SPD und CDU wird das Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlins Mitte auch nicht als Ort der „Schande“ diffamiert. Wie steht es da mit der Leitkultur?

„Das Deutschtum“, sagt Krauskopf, „hat seine guten Seiten.“ Darin stimme er mit Björn Höcke überein.

Es könnte sein, dass jüdische Kontingentflüchtlinge oder Spätaussiedler oder auch Leute mit einem bewegten Leben wie Krauskopf sich diese deutsche Kultur als etwas konstruieren, das gegenüber der Globalisierung Bestand hat. Zuletzt erst hat AfD-Parteichef Alexander Gauland von der globalisierten Elite gesprochen, die internationale Uni-Abschlüsse habe und sich überall zuhause fühle, während es Menschen gebe, die könnten nicht weg. Die blieben an ihrer Heimat hängen.

Ein Schleier über alle Unterschiede

Als einer, der weit herumgekommen ist, weiß Krauskopf um die Mühen des Heimischwerdens. Er hält sie für zumutbar. Was den Groll in ihm auf die „Soko-Gruppen“ erklärt, wie er die Linken nennt. Ihr sozialistisch-kommunistisches Denken breite eine Art Schleier des Gleichen über all die Unterschiede, die im Land nach Geltung streben, und präge damit die Debatten. „Vor Gott sind alle Menschen gleich“, sagt er, „aber als Menschen sind sie es nicht.“ Das hat ihn, der als Student Juso- und SPD-Mitglied war, zur AfD gebracht. Für die hat er einen internationalen Vergleich von Krankenversicherungen ausgearbeitet.

Krauskopfs Verständnis von Autorität fußt in seiner jüdischen Religion, darauf weist er oft hin während des mehrstündigen Gesprächs. Dabei sei er ursprünglich keineswegs religiös gewesen. Sein Elternhaus war es nicht. Erst in Los Angeles habe er den Weg in die Synagoge gefunden, einem riesigen Komplex. Da fiel ihm eines Tages an der Wand mit den Bildern der Bar–Mizwa-Kinder auf, dass es von Jahr zu Jahr weniger wurden, obwohl die Anzahl der Gemeindemitglieder beständig stieg. Die Anzahl der Kinder schrumpfte, je wohlhabender ihre Eltern wurden. „Wir lieben das Leben“, sagt er über diesen Generationsegoismus, „aber unsere Kinder lieben wir nicht.“

Ihm selbst bescherte der Handel mit gebrauchten Maschinen für die Elektroindustrie ein bescheidenes Auskommen. Mit seinen vier Kindern, allesamt Söhne, wurde er in Frankfurt, wohin er Ende der 80er Jahre zurückkehrte, als „asozial“ betrachtet von Leuten, die nur ein Kind hatten. Aber spielt Geld die entscheidende Rolle? „Egal, wie arm Juden sind“, sagt Krauskopf, „als ein Volk des Buches verlangt es immer Bildung.“

Junge Menschen, sagt er, würden zu viele Freiheiten genießen

Mit diesem Grundsatz ist Emanuel Bernhard Krauskopf auch die Gründung der JAfD-Gruppe angegangen. Sie soll helfen, zu den Ursprüngen der abendländischen Wohlfahrt zurückzufinden, indem die „Erziehung zur Selbstkontrolle“ oberstes Gebot wird. Er scheut in diesem Zusammenhang auch den Begriff "autoritäre Demokratie" nicht. Junge Menschen, sagt er, würden heute zu viele Freiheiten genießen. Sie gingen sich selbst verloren und bräuchten vielleicht etwas, das orthodoxe Juden täten, indem sie junge Männer „in die Mangel nehmen – durch Lernen“. Deshalb hat die JAfD sich eine Stärkung der Lernkultur in die Satzung geschrieben – wie auch immer die aussehen soll. Noch ist der Text unter Verschluss.

Assimilation durch Selbstkontrolle, das richtet sich vor allem gegen den arabischen jungen Mann, der als Feindbild auch in dem Berliner Kaffeehaus mit am Tisch sitzt. Krauskopf glaubt: Dessen bei etlichen Vorfällen dokumentierte Aggression gegen jüdische Einrichtungen und Personen sei Ergebnis eines Staates, der sich zurückziehe. „Alle toten Juden, die seit 2000 in Europa ermordet wurden“, sagt er, „sind von Islamofaschisten getötet worden“, und er wettet darauf, dass diese Bezeichnung wieder nicht in der Zeitung auftauchen wird.

Krauskopf kennt den Einwand, der an dieser Stelle immer vorgebracht werde: „Das hat doch nichts mit dem Islam zu tun.“ Wie so oft an diesem Nachmittag erzählt er daraufhin eine Geschichte. Von einem seiner Söhne. Der habe einem islamischen Freund einen Gefallen tun wollen, als der sich von seiner marokkanischen Lebensgefährtin getrennt hatte. Dem Paar war es unangenehm, sich noch einmal zu sehen. Der Sohn bot an, ihr die Sachen zu übergeben, die sie nach der Trennung in der Wohnung zurückgelassen hatte. Doch die Frau erschien nicht alleine. Ihr Begleiter fragte Krauskopfs Jungen, ob er Jude sei. Ja, erwiderte er. Und der andere schlug zu.

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