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Wohnen im Bauhaus-Stil: Die Revolution wird zur Klassik

Zum 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses bringen viele Firmen Reeditionen - etwa von Möbeln - heraus und beschwören damit den Geist der berühmten Schule herauf.

Ein Möbelstück für die Berliner Sommerfrische, für Cafés, Gärten, Ausflugsdampfer und Terrassen entwarf Marcel Breuer 1927 mit dem Stahlrohrklappsessel „D4“. Er sollte ähnlich wie sein berühmter „Wassily“-Stuhl für stilsicheren, modernen Komfort sorgen und war zudem noch mobil.

Schon damals war sein Stahlrohrgestell mit einem wind- und wetterfesten Stoffgewebe bespannt. Doch seit der Erfindung des Sitzmöbels wurden seine Bezüge immer weiterentwickelt. Bis heute ist die Firma Tecta aus dem niedersächsischen Lauenförde im Besitz der Rechte für den Bauhaus-Klassiker und bringt ihn inzwischen in einer vielfältigen Farbpalette heraus. Anlässlich des 100. Bauhaus-Jubiläums unterzog sie ihn einer Frischzellenkur. Unter dem Motto „Bauhaus Nowhaus“ bat das Unternehmen zeitgenössische Designer, sich mit diesem und anderen Entwürfen auseinanderzusetzen.

Den Faltsessel „D4“ knöpften sich gleich zwei Designerinnen vor: Die britische Künstlerin und ausgebildete Stickerin Esther Wilson markierte Schlüsselworte farbig im Bauhaus-Manifest und übertrug sie als minimalistische Stickereien auf die textilen Flächen des „D4“.

Phiipp Mainzers Tisch "TA23" ist vom Bauhaus inspiriert.
Phiipp Mainzers Tisch "TA23" ist vom Bauhaus inspiriert.

© e15

Einen ganz anderen Zugang fand die promovierte Hamburger Designerin Kerstin Bruchhäuser: Sie näherte sich der Ikone mit der traditionellen koreanischen Pojagi-Technik – einer Art symmetrischem Patchwork – bei der Stoffreste einlagig mit auffälligen Nähten zusammengesetzt werden. In Korea dienen die Tücher als Sichtschutz oder Verpackung für Lebensmittel. Auf dem „D4“ kommen die Muster nun kleinteilig und dank großem handwerklichen Können zur Geltung.

Mit ihrem Entwurf lässt Kerstin Bruchhäuser aus Altem, nämlich Stoffresten, Neues entstehen – ein klassischer Bauhaus-Gedanke. Eine Ikone zu verändern, ist für die Designerin Segen und Fluch zugleich. „Man hat total viel Respekt, weil der Stuhl im Original perfekt ist. Ich kenne den ,D4’ seit meiner Kindheit und weiß, was Marcel Breuer sich gedacht hat. Gleichzeitig ist es eine absolute Ehre, einen neuen Ansatz erschaffen zu dürfen. Die Freiheit zu haben, an dieses heilige Stück heranzugehen, es auch ein bisschen entweihen zu dürfen“, sagt sie.

Neugestaltung des Service "Urbino" von KPM Berlin Chef-Designer Thomas Wenzel.
Neugestaltung des Service "Urbino" von KPM Berlin Chef-Designer Thomas Wenzel.

© KPM

Auch die Berliner Porzellanmanufaktur KPM huldigt den Bauhaus-Gestaltern im Jubiläumsjahr. Im Fokus stehen die Entwürfe der Bauhausschülerin Marguerite Friedlaender. Sie leitete ab 1929 die schuleigene Porzellanwerkstatt in Burg Giebichenstein in Halle und war in Deutschland die erste Frau in einer solchen Position.

In ihrem „künstlerischen Versuchslaboratorium“ wurde sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Franz Rudolf Wildenhain auch für die KPM Berlin kreativ. Ihr erster Entwurf für die Berliner war das Kaffee- und Mokkaservice „Halle'sche Form“. 1931 folgte mit der Vasenserie „Halle“ ein weiteres Bauhaus-Stück. Ihr bauchiger Rumpf und der kegelförmige Hals macht sie zu einem hochfunktionalen Designobjekt. Parallel dazu erschien der erste Auftragsentwurf von Gerhard Marcks für die Manufaktur.

In einer limitierten Auflage editierte das Design-Team rund um KPM Berlin Chef-Designer Thomas Wenzel die Vase „Halle“ und das Service „Urbino“ mit geometrischen Bauhaus-Mustern neu. Die Dekore entstanden in Zusammenarbeit mit der Tapetenfabrik Gebrüder Rasch. Unter dem Namen „Die Bauhaus-Tapete“ legt sie gemeinsam mit dem Farbenhersteller Sikkens unter anderem Originaldesigns von Schulleiter Walter Gropius und seinen Bauhaus-Absolventen neu auf. Die Farbpalette wurde anhand der ersten Bauhaus-Tapeten, aus Werken der Studierenden und Dozenten, aber auch von Farbreferenzen der heutigen Bauhaus-Gebäude und Meisterhäuser hergeleitet.

Alessandro Mendini gestaltete 1986 den originalen Türdrücker von Walter Gropius neu.
Alessandro Mendini gestaltete 1986 den originalen Türdrücker von Walter Gropius neu.

© FSB

Die durch Klarheit und Pragmatismus geprägte Formsprache des Bauhauses offenbarte sich immer wieder in baulichen Details. Die traditionsreiche Franz Schneider Brakel GmbH, kurz FSB, stellt Tür- und Fensterbeschläge her. Aus Anlass des Bauhaus-Jubiläums präsentiert sie eine Bauhaus-Triologie: Türdrücker von Walter Gropius, Wilhelm Wagenfeld und Ludwig Mies van der Rohe wurden an heutige bautechnische Vorgaben angepasst, zum Beispiel an aktuelle Brandschutzverordnungen oder der Nachfrage nach Return-Modellen.

Der berühmte „Gropius-Drücker“ gehört im Redesign von Alessandro Mendini schon länger zum Sortiment von FSB, ebenso wie das Modell FSB 1021 des Bauhaus-Studenten Wilhelm Wagenfeld, das von Hartmut Weise überarbeitet wurde.

Neu im Trio ist der Türdrücker FSB 1267 des dritten Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe. Van der Rohe ließ den Entwurf ab 1928 in verschiedenen Versionen für seine Bauprojekte anfertigen, unter anderem für das Haus Tugendhat in Brünn und das Haus Lemke in Berlin.

Die Reedition des Mies van der Rohe-Türdrückers ist aber nicht als Replik gedacht, viel mehr folgt sie laut Hersteller „der formalen Intention des Originals und verknüpft sie mit den Anforderungen der zeitgenössischen Architektur“.

Die "bauhaus tapete Struktur + Farbe" von Walter Gropius
Die "bauhaus tapete Struktur + Farbe" von Walter Gropius

© Rasch/Sikkens

Nicht allein der große Name von Mies van der Rohe stand Pate für den Tisch „Mies“ der Designer Jens Kajus und Claus Jakobsen. Ihr schlichter Tisch für das dänische Label Million CPH folgt auch dem minimalistischen Gestaltungsprinzip der Bauhaus-Schule. Pragmatisch lässt er sich in Länge und Höhe dem Raum anpassen und ist mit verschiedenen Gestellen und Oberflächen zu haben. So gibt es den Tisch unter anderem mit Linoleum- und Marmorplatte. Beide Materialien spielen auch bei Mies van der Rohe eine wichtige Rolle. So ist sein Barcelona-Pavillon durch Glas- und Marmorwände geprägt. Linoleum ersetzte in vielen Bauhaus-Bauten das traditionelle Holzparkett als Bodenbelag.

Zum minimalistischen Esstisch „Mies“ passt mit „Karnak“ der Archetyp eines Stuhls. Ferdinand Kramer entwarf ihn 1925. Dass der Stuhl mit der handgeflochtenen Sitzfläche zum Sortiment des Frankfurter Design-Labels e15 gehört, ist kein Zufall: Kramer prägte als Architekt den Baustil der Main-Metropole, bevor er 1938 in die USA emigrierte. Gemeinsam mit seiner Familie und mithilfe von Archivmaterial legte e15 eine ganze Reihe seiner Möbel als Reeditionen neu auf. In ihrer Kombinierbarkeit mit modernen Entwürfen machen sie deutlich, wie aktuell die Bauhaus-Prinzipien heute noch sind.

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