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FU Beilage Schülerinnen-Uni

© Bernd Wannenmacher

Umweltbildung an der Freien Universität: Gemeinsam für die Zukunft

Bei der „Schüler:innenUni Nachhaltigkeit & Klimaschutz“ experimentierten mehr als 1000 Kinder auf dem Campus in Dahlem.

Von Anne Kostrzewa

Konzentriert beugen sich Johann, Theo, Matilda und Ashvika über die Arbeitsbögen. Sie haben eine Stunde Zeit, den Klimawandel zu stoppen – und müssen dazu erst einmal herausfinden, was dem blauen Planeten schadet und was ihm nützt. Gemeinsam mit den anderen Kindern der Klasse lernen sie Bewohner der einzelnen Kontinente kennen. Wo wird am meisten Kohlendioxid verbraucht? Mit welchen Folgen der Erderwärmung kämpfen die Kontinente?

Die Kinder der 5. Klasse sind aus dem Berliner Westend an die Freie Universität gekommen, um an der Projektwoche „Schüler:innen-Uni Nachhaltigkeit & Klimaschutz“ teilzunehmen. Ihr Workshop in der Silberlaube ist als Escape-Game konzipiert. Die Zeit läuft!

Bereits zum 30. Mal lud die Freie Universität 5. und 6. Klassen im März zur Schüler:innenUni ein. In Hörsälen, Seminarräumen, Laboren, in der Mensa, auf Solardächern, in Parks und dem Botanischen Garten entdecken die Kinder seit 2008 zweimal im Jahr in mehr als 80 Workshops komplexe Zusammenhänge und Hintergründe zu den Themen Nachhaltigkeit, Klima-, Ressourcen- und Artenschutz. Das Programm ist kostenfrei und wird durch Angebote zur Lehrkräftebildung ergänzt.

Eine Lücke schließen

Die Idee zur Schüler:innen-Uni hatte Karola Braun-Wanke bereits im Jahr 2005. „Bei einer wissenschaftlichen Tagung fiel mir auf, dass wir uns immer nur in Fachkreisen bewegen“, sagt sie. „Ich wollte diese Lücke schließen und Bildungsangebote auch für Jüngere schaffen, weil die Schulen kaum die Kapazitäten haben, Nachhaltigkeit so umfangreich zu beleuchten.“ Das Konzept sei bereits im ersten Jahrgang aufgegangen: „Wir wurden von Anfragen überrannt!“

Was die Schüler:innenUni seitdem von anderen Kinderuniversitäten unterscheidet: „Unsere Workshops vermitteln Wissen mit Kopf, Herz und Hand“, sagt die Politikwissenschaftlerin. „Kinder können hier in einen Diskurs treten und eigene Fähigkeiten einbringen, die im klassischen Schulunterricht kaum Platz finden.“

Meine Hoffnung ist, mit den Workshops einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten.

Hans Christian Offer, Referent bei der „Schüler:innenUni Nachhaltigkeit & Klimaschutz“

Referent Hans Christian Offer möchte den Kindern das Gefühl geben, selbst etwas bewegen zu können. Er ist seit Beginn des Projekts als Workshop-Leiter dabei. Gerade erarbeitet er mit einer 6. Klasse aus Charlottenburg Lösungen gegen die Überfischung der Ozeane. Um diese zu verstehen, verorten die Kinder mit Hülsenfrüchten Fischbestände auf einer Weltkarte und lernen im Video Fischerinnen in Indonesien kennen. Sie flitzen auf einem Rollbrett durch den imaginären Ozean, um blaue Bälle einzusammeln, und lernen, wann der Kipppunkt der Überfischung erreicht ist.

„Meine Hoffnung ist, mit den Workshops einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten“, sagt Hans Christian Offer. „Wenn einige der Kinder heute eine neue Erkenntnis mitnehmen, etwa eine größere Wertschätzung für unseren Planeten, dann ist schon viel gewonnen.“

Draußen im Zehner-Park rennt Naturpädagoge Lennart Höffgen derweil mit einer 4. Klasse aus Zehlendorf über die Wiese. Er ist ein Raubvogel, die Kinder sollen als Schwarm von Staren dicht zusammenbleiben, um nicht gefangen zu werden. „Ich bringe den Kindern bei, wie Vögel miteinander kommunizieren und sich warnen, wenn Gefahr droht“, sagt Höffgen.

Auch in der Stadt sind wir von Natur umgeben, und wir können ihre Sprache lernen, wenn wir uns Zeit nehmen und sie beobachten.

Lennart Höffgen, Naturpädagoge

Zuvor hat die Gruppe bereits Turmfalken beobachtet und dem Ruf einer Blaumeise gelauscht, später werden sie den Boden um die alten Haselbäume nach Tierspuren absuchen. Was die Kinder lernen sollen? „Auch in der Stadt sind wir von Natur umgeben, und wir können ihre Sprache lernen, wenn wir uns Zeit nehmen und sie beobachten.“

Im Seminarzentrum der Freien Universität sitzt Miria. Die Sechstklässlerin entwickelt mit ihrer Klasse im Workshop „Zukunft Wasser“ Ideen für eine nachhaltige Wassergewinnung und Ressourcenschonung für Berlin und für Städte mit anderen geografischen Bedingungen. Aus Alltagsgegenständen wie Milch- und Eierkartons, Strohhalmen und Pappe basteln die Gruppen ihre Städte der Zukunft.

„Der Klimawandel macht mir Angst“, sagt Miria, während sie aus Wellpappe Solardächer für eine schwimmende Insel-Stadt schneidet. „Meine Familie hat ein Haus auf dem Land, dadurch habe ich einen engen Bezug zur Natur. Dass sie an so vielen Orten auf der Welt zerstört wird, macht mich traurig.“

Mehrfach ausgezeichnet

Umso wertvoller seien Workshops wie dieser, sagt ihre Lehrerin. Ines Gauß kommt seit Jahren mit ihren Klassen aus Berlin-Mitte zur Schüler:innenUni. „Die weite Anreise lohnt sich jedes Mal“, sagt sie. „Die Kinder lassen sich hier anders auf Lernimpulse ein als im Unterricht und kommen mit großartigen Ideen zurück.“ In den Workshops selbstständig Themen zu erarbeiten und Lösungen zu entwickeln, sei für die Kinder eine „großartige Erfahrung der Selbstwirksamkeit“.

Für das Bildungsengagement wurde das Projekt bereits sechs Mal ausgezeichnet, zuletzt im Jahr 2018 mit dem ersten Preis in der Kategorie „Excellence in Innovative Collaboration“ des „International Sustainable Campus Network“, in dem die Schüler:innenUni sich gegen Mitbewerber aus Harvard und Yale durchsetzen konnte. Die Vereinten Nationen würdigten die Schüler:innen­Uni bereits mehrfach, und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Rat für nachhaltige Entwicklung zeichneten das Bildungsangebot rund um die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 aus.

Jeder Workshop gibt den Kindern Lernimpulse. „Dass eine Biene für ein Glas Honig dreimal um die Erde fliegen müsste, finde ich faszinierend“, sagt die elfjährige Ayla. „Das hat mir gezeigt, wie wertvoll Honig ist.“ Der gleichaltrige Mohcine aus Tempelhof hat mit seiner Klasse Quittengelee gekocht. „Ich war erstaunt, wie viel Zucker da reinkommt, das war mir nicht klar“, sagt er. Ihm gegenüber sitzt die zehnjährige Elif: „Ich kannte Quitten noch gar nicht und bin sehr gespannt, wie das Gelee schmecken wird.“

In einem anderen Seminarraum näht eine 5. Klasse aus Steglitz-Zehlendorf Schlüsselanhänger und Stiftehalter aus alten Socken. „Upcycling“, das Aufbereiten eines ausgedienten Gegenstands, kann Ressourcen schonen – und mache den Kindern richtig Spaß, sagt ihre Lehrerin. Und Johann, Theo, Matilda und Ashvika, die im Escape-Spiel dem Klimawandel entkommen wollen? Sie haben in der vergangenen Stunde so viele nachhaltige Alternativen ausgemacht, dass sie den Code entschlüsseln und das Zahlenschloss öffnen können. Das wird den Klimawandel nicht aufhalten. Aber jede kleine Veränderung zählt, das haben die Kinder gelernt.

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