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Rentnerin

© Caro

Altersvorsorge: Wenn die Rente nicht reicht

Weil alte Menschen den Gang zum Sozialamt scheuen, wurde die Grundsicherung geschaffen. Doch nun gibt es Streit.

Das Deutsche Rentensystem ist nach Ansicht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht ausreichend gegen Altersarmut gewappnet. In Zukunft seien immer mehr Menschen auf die Grundsicherung angewiesen, weil ihre Altersrente zum Leben nicht reicht, warnt die OECD. Doch auch um die Grundsicherung selbst gibt es Streit. Wohlfahrts- und Sozialverbände kritisieren, dass Riester-Renten auf die Grundsicherung angerechnet werden. Auch die Opposition will das ändern.

Wozu gibt es eine Grundsicherung und was unterscheidet sie von der Sozialhilfe?

Die „bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ gibt es seit fünf Jahren. Damit garantiert der Staat alten oder dauerhaft voll erwerbsgeminderten Menschen ein bestimmtes Mindesteinkommen. Der Gesetzgeber wollte damit die „verschämte Altersarmut“ beseitigen, wie es bei der Einführung hieß. Vor allem ältere Menschen machten Sozialhilfeansprüche oft nicht geltend, weil sie befürchteten, dass der Staat dann erst einmal ihre Kinder zur Kasse bittet.

Bei der Grundsicherung könnte ihnen der Antrag leichter fallen. Erstens hat sie für die Bedürftigen nicht das Fürsorge-Stigma, und zweitens werden hier – anders als bei der Sozialhilfe – nur Angehörige mit einem sehr stattlichen Jahreseinkommen herangezogen. Das Limit liegt bei 100000 Euro – und da solche Gehälter selten sind , wird es im Regelfall auch nur überprüft, wenn die Berufsbezeichnung auf ein besonders dickes Portemonnaie schließen lässt.

Wie hoch ist die Grundsicherung?

2007 wurden nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums durchschnittlich 710 Euro Grundsicherung im Monat gezahlt. 2006 lag die durchschnittliche Höhe des Grundsicherungsbedarfs bei 614 Euro – wovon im Schnitt allein 262 Euro auf Unterkunft und Heizung entfielen. Der Regelsatz liegt, wie bei der Sozialhilfe, bei 347 Euro. Hinzu kommen dann Aufwendungen für Wohnung, Heizung sowie die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Altersrente, zusätzliche Einkünfte und eigenes Vermögen der Antragsteller werden allerdings voll in die Berechnung einbezogen und schmälern dann den Anspruch auf Grundsicherung. Das gilt auch für Einnahmen aus einer selbst angesparten Riester-Rente, die ebenfalls in voller Höhe verrechnet werden. Das unterscheidet die Grundsicherung von Hartz IV. Für Langzeitarbeitslose gibt es ein sogenanntes „Schonvermögen“, das die Höhe des Arbeitslosengeldes II nicht beeinflusst. Dahinter steht die Hoffnung des Gesetzgebers, dass auch Arbeitslose Vorsorge betreiben und im Alter dann nicht auf die staatliche Grundsicherung angewiesen sind.

Wird sich die Anrechnung ändern?

Wohl kaum. Bei der Grundsicherung geht es dem Staat ums Prinzip. Wer sich selber helfen kann, soll dies erst einmal tun, bevor er die Hilfe der Gemeinschaft in Anspruch nimmt. Der neue Staatssekretär im Sozialministerium, Klaus Brandner (SPD), hat dies vor kurzem nochmals bekräftigt. Der Grundsatz des Vorrangs eigener Einkünfte vor Ansprüchen auf staatliche Leistungen dürfe nicht infrage gestellt werden, meint er. Wie bei der Sozialhilfe gibt es Geld nur dann, wenn und soweit das eigene Einkommen und Vermögen fürs Leben nicht reicht. Das stößt auf Kritik. „Die große Koalition unterschätzt kaltschnäuzig das politische Problem, das schon kurzfristig in der für die kommenden Jahrzehnte drohenden stärkeren Altersarmut liegt“, sagte Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, dem Tagesspiegel. „Wer nicht den Schutz der Riester-Rentenerträge verbessern will, indem sie zu einem geringeren Prozentsatz auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden, muss wenigstens einen alternativen Vorschlag machen. Die Akzeptanz für private Altersvorsorge leidet zwangsläufig, wenn der Eindruck zugelassen wird, wer vorsorgt, könnte am Ende der Dumme sein“, kritisiert Bütikofer.

Wie viele Menschen beziehen Grundsicherung?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bezogen Ende 2003, also im ersten Jahr nach der Einführung, rund 439 000 Personen Leistungen der Grundsicherung. Ende 2006 waren es bereits rund 682 000. 46 Prozent, also fast die Hälfte, sind noch nicht im Rentenalter; sie erhalten Grundsicherung, weil sie dauerhaft und voll erwerbsgemindert sind. 371 000 Bezieher hingegen befinden sich im Rentenalter – das sind 2,3 Prozent der über 64-Jährigen. Auf die höchsten Bezugsquoten kommen Berlin, Bremen und Hamburg. Die wenigsten Grundsicherungsbezieher gibt es in Thüringen und Sachsen. Die meisten Anspruchsberechtigten erhalten freilich nicht die volle Summe. So hatten im Jahr 2006 etwa fast zwei Drittel der Berechtigten noch Einnahmen aus der gesetzlichen Rente und mussten diese mit ihrer Grundsicherung verrechnen lassen. Deren Höhe schmälern auch Posten wie Wohngeld, Unterhaltszahlungen, Kindergeld oder Zinseinnahmen. Selbst das eigene Auto zählt als relevantes Vermögen. Nur kleinere Ersparnisse bis zu 2600 Euro (bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder in einer eheähnlichen Partnerschaft bis zu 3214 Euro) sind anrechnungsfrei, ebenso die selbst genutzte Immobilie, wenn sie eine „angemessene“ Größe hat. Nicht berücksichtigt werden auch Erziehungsgeld und Leistungen der Pflegeversicherung.

Im Schnitt wurden im Jahr 2006 jedem Empfänger aufgrund eigenen Einkommens 233 Euro abgezogen. Netto erhielten die Bedürftigen monatlich also nur 381 Euro aus der Grundsicherung. Insgesamt gab der Staat im Jahr 2006 für Leistungen der Grundsicherung 3,2 Milliarden Euro aus.

Wie bekommt man Grundsicherung?

Anträge auf Grundsicherung müssen bei den zuständigen Sozialämtern gestellt werden. Allerdings führt der Weg auch oft über die Rentenversicherung. Die ist verpflichtet, Bedürftige zu informieren und ihre Anträge an das Sozialamt weiterzuleiten. Den Bedarf berechnet dann das Sozialamt. Die Frage, die das Amt prüft: Wie viel Geld benötigt der Bedürftige, um sich mit dem Allernötigsten zu versorgen? Dazu gehören Ernährung, Kleidung, Körperpflege und Hausrat, aber auch die Kosten für eine angemessene Wohnung und deren Beheizung. Den Anspruch erhöhen können außerdem besondere Lebensumstände, etwa eine schwere Behinderung oder die alleinige Erziehung von Kindern.

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