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Wirtschaft: Arbeit soll sich wieder lohnen

Viele ALG-II-Bezieher arbeiten schwarz oder in Ein-Euro-Jobs, weil sich alles andere für sie nicht rechnet. Das soll sich jetzt ändern

Selten waren Opposition und Union so einig wie in diesem Punkt: Arbeitslosengeld II(ALG II)-Empfänger, die einen Job suchen, sollen schon bald mehr von ihrem Hinzuverdienst behalten können als heute. Denn die bisherige Regelung (siehe Kasten) ist nicht nur kompliziert, sondern für viele ALG-II-Bezieher auch außerordentlich entmutigend. Während die Menschen, die einen staatlich subventionierten Ein-Euro-Job ausüben, ihren Verdienst komplett behalten dürfen, bleibt von einem regulären Job am Ende nicht viel übrig. Konsequenz: Viele arbeiten schwarz oder versuchen, ebenfalls in einem Ein-Euro-Job unterzukommen.

Für Arbeitslose sind Ein-Euro-Jobs oft lukrativer als reguläre Arbeitsverhältnisse. Beispiel: Ein-Euro-Jobber können maximal 130 Stunden im Monat arbeiten und so 130 Euro zum ALG II hinzuverdienen. Wer 1,50 Euro pro Stunde bezahlt bekommt, hat am Monatsende 195 Euro zusätzlich: „Bei einem regulären Job müssen Sie 500 bis 800 Monat verdienen, um auf dasselbe Ergebnis zu kommen“, weiß Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.

Bei einem Treffen am kommenden Freitag will Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) mit den Arbeitsmarktexperten der Fraktionen, Klaus Brandner (SPD), Thea Dückert (Grüne) und Karl-Josef Laumann (CDU), nach einer gemeinsamen Lösung suchen. „Bis zur Jahresmitte kann ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden“, sagte Brandner dem Tagesspiegel. Die Änderungen könnten dann auch kurz später in Kraft treten. „Wir müssen prüfen, wie schnell die Arbeitsgemeinschaften das in ihrer EDV umsetzen können“, sagt der SPD-Politiker.

Die Union. Die Union schlägt einen pauschalen Freibetrag von 100 Euro für Minijobs bis 400 Euro vor. Darüber hinaus sollen 30 Prozent des Einkommens anrechnungsfrei bleiben, so wie es derzeit bei Einkommen zwischen 401 und 900 Euro gilt. Wer 200 Euro verdient, könnte also 130 Euro behalten, bei 400 Euro wären es schon 190 Euro. Bei höheren Verdiensten sollen laut Unions-Gesetzentwurf aber statt der 100 Euro die bisherigen niedrigeren Pauschalen für Werbungskosten und Versicherungen gelten.

Die SPD. Der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Brandner fordert, einen durchgängigen pauschalen Freibetrag von 100 Euro einzuführen. „Sonst entstünde eine Minijob-Falle“, so Brandner. Bei einem Job von 401 Euro bliebe netto deutlich weniger übrig als bei einem Minijob – durch den niedrigeren Freibetrag, aber auch durch die Sozialversicherungsbeiträge, die dann erstmals fällig werden. Die Gefahr: ALG-II-Empfänger übernehmen höchstens Mini-Jobs, aber keine höher bezahlten Tätigkeiten, weil diese erst ab 650 Euro so attraktiv würden wie ein Minijob. Aus diesem Grund sieht Brandner auch einen prozentualen Freibetrag von 30 Prozent für Minijobs mit Skepsis. „Es darf kein Fehlanreiz entstehen, sich dauerhaft im ALG II einzurichten.“

Die Grünen. Für die Grünen-Politikerin Dückert ist wichtig, dass Regierung und Opposition eine Regelung finden, bei der ein Arbeitsloser mit einem Minijob jeden zweiten Euro behalten darf. „Für allein Erziehende, die besonders von Armut betroffen sind, ist ein vernünftiger Zuverdienst wichtig“, sagt Dückert.

Verdi. Auch Verdi fordert Reformen. „Die geltende Regelung ist abenteuerlich“, sagt Arbeitsmarktexperte Bernhard Jirku: „Arbeitslose müssen an fünf Fingern ausrechnen können, was von ihrem Zuverdienst übrig bleibt.“ Bei Verdi wird derzeit folgendes Modell diskutiert: Vom Hinzuverdienst sollen pauschal 90 Euro anrechnungsfrei bleiben. Von jedem Euro, der darüber hinaus geht, sollen ALG II-Empfänger 30 Cent behalten dürfen. Nach dem Verdi-Modell fiele die Arbeitslosenunterstützung ganz weg, sobald Singles etwa 900 Euro im Monat verdienen. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt läge die Grenze bei 1500 Euro brutto.

Die Wissenschaft. Auch Wissenschaftler machen sich für eine Lockerung der Zuverdienst-Regelung stark. „Wer mehr behält, hat einen größeren Anreiz zu arbeiten“, weiß Ulrich Walwei vom IAB. Das wäre mit dem Unions-Vorschlag gewährleistet: „Wer 400 Euro hinzuverdient, könnte dann 190 Euro behalten. Heute sind es nur gut 100 Euro“, so Walwei.

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