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Wirtschaft: Ein bisschen geheim

Ab April darf das Finanzamt in Bankkonten herumstöbern – wenn das Verfassungsgericht nicht eingreift

Der Deutsche Anwaltverein warnt vor dem gläsernen Bankkunden, die Steuerberater fürchten, dass Deutschland zu einem Schnüffelstaat wird. Wohnungs-, Sozial- und Bafög-Ämter könnten künftig ungehindert alle Kontoverbindungen ausspionieren, kritisiert der Bund der Steuerzahler. Nur einer könne das noch verhindern: das Bundesverfassungsgericht.

Mitte März werden die Verfassungsrichter per Eilverfahren entscheiden, ob das neue „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ wie geplant am 1. April in Kraft treten kann oder ob es überarbeitet werden muss. Gibt Karlsruhe grünes Licht, haben die Finanzbehörden in gut drei Wochen freie Hand: Glauben sie der Steuererklärung nicht und kann der Steuerzahler auch nach ausdrücklicher Rückfrage die Zweifel nicht ausräumen, dürfen die Finanzbeamten beim Bundesamt für Finanzen auf Kontensuche gehen (siehe Kasten). Zwar erfährt das Finanzamt zunächst nur die so genannten Stammdaten, doch erlauben diese Angaben den Beamten weiter gehende Recherchen. Steht der Steuerzahler – konfrontiert mit den neuen Erkenntnissen – nach Meinung der Beamten noch immer nicht ausreichend Rede und Antwort, darf das Finanzamt bei der Bank direkt ermitteln und nach Kapital- und Spekulationsgewinnen fragen.

Kein Wunder, dass viele Sparer, die es bislang mit der Steuerehrlichkeit nicht so ganz genau genommen haben, die Panik packt. Eine Milliarde Euro Zinsen und zwei Milliarden Euro Spekulationsgewinne werden jedes Jahr am Finanzamt vorbei kassiert, schätzt Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Das werde sich aber auch durch das neue Gesetz nicht ändern: „Die Finanzämter haben gar nicht genug Leute, um flächendeckend zu ermitteln.“ Das stimmt, sagt Wolfgang Wawro, Präsident des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg: „Aber wehe, wenn Sie das Finanzamt auf dem Kieker hat. Dann wird gestöbert.“

Doch was viele nicht wissen: Aufgeschreckt durch die harsche öffentliche Kritik hat die Finanzverwaltung bereits eingelenkt. In einem Anwendungsschreiben, das derzeit noch zwischen Bund und Ländern abgestimmt wird, wird das Gesetz entschärft. So soll der Steuerzahler auf jeden Fall über die Kontenabfrage informiert werden, betont Christine Scheel, Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses.

Und: Anders als im Gesetz vorgesehen, sollen Sozial-, Bafög- oder Wohnungsämter keine Nachfragen an das Bundesamt für Finanzen richten dürfen. „Diese Behörden bekommen gar nicht die nötige Software“, sagt die grüne Finanzexpertin. Stattdessen sollen in den Ländern ein oder zwei Finanzbehörden bestimmt werden, die Kontenabfragen zentral an das Bundesamt richten. „Der Nachbar, der bei der Arbeitsagentur jobbt, kann nicht herumspionieren“, so Scheel. Kritikern reicht das aber nicht. Ein einfaches Anwendungsschreiben könne die Finanzverwaltung jederzeit ändern, warnt Steuerberater Wawro: „Das Gesetz muss geändert werden.“ Heike Jahberg

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