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Wirtschaft: Gelüftetes Geheimnis

Vom 1. April an kann der Fiskus Konten und Depots durchleuchten – Kritiker warnen vor Schnüffelei

Im Bundesfinanzministerium gibt man sich siegesgewiss: Pünktlich am 1. April wird nach Auffassung des Fiskus das Bankgeheimnis, wie es deutsche Sparer, Aktienbesitzer und Steuerzahler kennen, der Vergangenheit angehören. „Unser Gesetz ist verfassungsgemäß“, ist ein Ministeriumssprecher überzeugt.

Gemeint sind die neuen gesetzlichen Regeln, mit denen der klamme Staat die Steuerehrlichkeit der Deutschen fördern will. Zum ersten Mal wird zu diesem Zweck Steuerbehörden, Sozialämtern, Bafög-Stellen und Arbeitsagenturen erlaubt, detailliert Einsicht in private Konten und Depots zu nehmen – ohne, dass die Beamten (wie bisher) einen schwerwiegenden Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat haben müssen. Und ohne, dass der Bankkunde es weiß. Informiert wird erst nachträglich, wenn der Fiskus bereits – auf direktem Weg über das Bundesamt für Finanzen – Kontenbewegungen, Dividenden- oder Zinszahlungen oder Überweisungen unter die Lupe genommen hat. Kontoinhaber, Bevollmächtigte und Eröffnungsdaten liefert das Bundesamt für 500 Millionen Depots, Spar- und Girokonten bis zu drei Jahre rückwirkend. Bei den Banken können anschließend Kontostände abgefragt werden.

Der Bund der Steuerzahler, der Anwaltsverein, Aktionärsvertreter und Verbraucherschützer schlagen Alarm: Der gläserne Bankkunde ist kein Aprilscherz, in fünf Wochen wird er Wirklichkeit. Letzte Hoffnungen setzen die Kritiker auf das Verfassungsgericht. Gegen das Gesetz sind zwei Klagen in Karlsruhe anhängig; eine davon mit Eilantrag. Würden die obersten Richter ihm stattgeben, könnte die Umsetzung des Gesetzes noch in letzter Minute gestoppt werden. „In der zweiten März-Hälfte wird entschieden“, sagt eine Sprecherin des Verfassungsgerichts.

Einer der Kläger, die Volksbank aus dem westfälischen Raesfeld, sieht durch das Gesetz das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verletzt. Zwar verschicken die Banken schon seit 2004 Listen an ihre Kunden, auf denen Spekulationsgewinne, Dividenden oder Zinsen vollständig aufgeführt sind, und die der Steuererklärung beigefügt werden müssen. Und seit 2003 sind die Geldhäuser verpflichtet, die „Stammdaten“ ihrer Kundschaft zu sammeln. Zugriff hatten aber bisher nur Staatsanwälte, Polizei und Steuerfahndung. Ab 1. April soll im Zweifel auch der Sachbearbeiter im Wohnungsamt ohne richterliche Genehmigung im Datenpool nachforschen dürfen.

„Der Datenschutz wird mit Füßen getreten“, meint Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Da macht der Staat einen zu großen Schritt.“ Kritisiert werden vor allem die laxen Voraussetzungen, unter denen Staatsdiener künftig Konteneinblick bekommen. So sieht das Gesetz zwar vor, dass der Steuerzahler zunächst um Auskunft gebeten werden muss, wenn Zweifel an seinen Angaben bestehen. Erst wenn er ablehnt, soll nachgeforscht werden. Doch der Gesetzestext erlaubt eine Kontenabfrage auch dann, „wenn ein Auskunftsersuchen beim Steuerpflichtigen nicht zum Erfolg geführt hat oder nicht erfolgversprechend ist“. Im Klartext: Glaubt ein Beamter oder Sachbearbeiter, dass sich eine aufwendige – und teure – Korrespondenz nicht lohnt, kann er gleich direkt und routinemäßig die Daten des Bürgers checken. „Was jetzt zusätzlich auf die Steuerzahler zukommt, schlägt dem Fass den Boden aus“, warnt Karl Heinz Däke, Präsident des Steuerzahlerbundes.

Legale Möglichkeiten, den Nachforschungen des Fiskus auszuweichen, haben Bankkunden eigentlich nur im Ausland. Im Inland können sie wenigstens juristisch gegen den Missbrauch vorgehen – allerdings erst nachträglich. Die Information des Steuerbürgers über eine Prüfung seiner Konten reichte der Gesetzgeber jüngst nach. „Da rollt eine Klagewelle auf die Gerichte zu“, fürchtet Jürgen Kurz.

Doch auch im Ausland werden die Finanzämter in Zukunft vernetzt sein: Ab Mitte dieses Jahres tauschen 22 EU-Staaten die Daten über Zinseinkünfte von Ausländern aus. Nur Österreich, Luxemburg und Belgien bleiben bei ihrer Quellensteuer – ohne Daten über ihre Bankkunden weiterzureichen. 15 Prozent Zinssteuer sind hier bis ins Jahr 2007 fällig, 20 Prozent bis 2010 und 35 Prozent danach. Auch die Schweiz, Liechtenstein und Monaco haben sich dieser Staffelung angeschlossen.

„Das ist ein schönes Konjunkturprogramm für die Banken dieser Länder“, sagt DSW-Sprecher Kurz zum Vorhaben des Gesetzgebers. Bei allen berechtigten Interessen des Finanzministers, Steuerhinterziehung und -flucht zu verhindern, erreiche die „typisch deutsche“ Überregulierung ab April das Gegenteil. „Das Kapital, das die Steueramnestie ins Land zurückgeholt hat, treibt das neue Gesetz wieder nach draußen“, glaubt Kurz. Angelockt werden Bankkunden jetzt zum Beispiel von Angeboten österreichischer Banken. „Werden Sie mit uns zum stillen Genießer“ wirbt etwa die Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Ihr Argument: Bei uns hat das Bankgeheimnis Verfassungsrang.

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