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Wirtschaft: Geschiedene Leute

Erst kommen die Kinder, dann der Ex-Ehepartner – was das neue Recht bringt

Kinder werden beim Unterhalt künftig Vorrang vor Erwachsenen haben und sich so besserstellen. Das ist die erste Kernidee des neuen Unterhaltsrechts, das am 1. Juli in Kraft treten soll.

Die zweite Kernidee, die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) in das neue Gesetz schreiben wollte, hatte hingegen für erheblichen Streit mit den Familienpolitikern der Union gesorgt. Die Ministerin wollte alle Väter und Mütter nach den Kindern auf den zweiten Rang setzen, egal ob sie verheiratet waren oder nicht. Das hat die Union verhindert. Im neuen Entwurf, an dem das Ministerium derzeit noch arbeitet, sollen die geschiedenen Lebenspartner auf dem zweiten Rang stehen, die unverheirateten Mütter oder Väter auf dem dritten. Für die Union ist der Streit damit ausgeräumt: „Das ist im Koalitionsausschuss so entschieden worden und hat Bestand“, sagte der familienpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Johannes Singhammer (CSU), dieser Zeitung. „Die Reform kann wie geplant am 1. Juli in Kraft treten.“

WENN DAS GELD NICHT REICHT

Die Reihenfolge der Ex-Partner ist wichtig, wenn das Geld nicht für alle reicht. Nach der Unterhaltsrechtsreform kommen künftig erst alle Kinder. Nur wenn deren Unterhaltsansprüche gedeckt sind, sind die Erwachsenen an der Reihe. Viele Frauen werden dadurch nach einer Scheidung künftig leer ausgehen. Obwohl die geschiedenen Unterhaltsberechtigten auch nach der Reform bessergestellt werden als Mütter und Väter aus „wilden Ehen“, sehen auch sie möglicherweise keinen Euro. In den typischen Mangelfällen sind der zweite oder dritte Rang eher von symbolischer Bedeutung.

WAS DEM VERDIENER BLEIBT

Bei den Mangelfällen reicht der Verdienst nicht aus, um alle Ansprüche voll zu befriedigen. Denn dem Unterhaltsverpflichteten steht ein Selbstbehalt zu, der nicht angetastet werden darf. Beim Kindesunterhalt darf ein erwerbstätiger Erwachsener 770 Euro für sich behalten, beim Ehegattenunterhalt sind es 890 Euro. „Nur der Rest des Nettoeinkommens kann für Unterhalt herangezogen werden“, sagt der Düsseldorfer Familienrechtler Christoph Thieme. Dieser Rest wird bislang nach einer Quote verteilt. Erklärter Wunsch der Justizministerin ist es, „die Zahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger zu reduzieren“. Rechnerisch wird den Kindern künftig mehr Geld zur Verfügung stehen. „Unterstellt man aber, dass Kindes- und Elternunterhalt in einen Topf fließen, kommt bei der früheren Familie insgesamt weniger an“, so Fachanwalt Thieme. Das Plus beim Kindesunterhalt kann die Einbuße beim Erwachsenenunterhalt nicht ausgleichen.

WER PROFITIERT

Einen klaren Vorteil haben indes Kinder, die aus einer neuen Beziehung entstanden sind: Für sie steht künftig mehr Geld zur Verfügung. Beispiel: Angenommen, ein Vater muss bislang für eine Ex-Partnerin sowie drei Kinder zahlen. Eins der Kinder hat er mit einer neuen Partnerin. Es bleiben wegen des Selbstbehaltes nur rund 600 Euro im Monat, die verteilt werden können. Während bislang wegen des Ehegattenunterhaltes nicht mal die Hälfte des Kindesunterhaltes von jeweils rund 200 Euro erbracht werden kann, kann künftig der Anspruch der Kinder fast komplett befriedigt werden.

WIE ALTFÄLLE GEREGELT WERDEN

Das neue Unterhaltsrecht wird nach seinem Inkrafttreten für Unterhaltsberechnungen angewendet. Im Wege der Abänderungsklage können aber voraussichtlich auch „Altfälle“ nach dem neuen Recht berechnet werden.

WAS AUF EX-EHEPARTNER ZUKOMMT

Ex-Ehepartner, die von Scheidungsunterhalt leben, müssen sich auf härtere Zeiten einstellen. Künftig soll es generell Pflicht werden, sich nach der Scheidung einen Job zu suchen. Das betrifft auch jene, die Kinder erziehen. Bislang können selbst Ehen von kurzer Dauer zu lebenslangen Versorgungsansprüchen führen. Jedenfalls dann, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind. Erst besteht der Unterhaltsanspruch, weil der Ex-Gatte Kinder betreut, dann, weil er keinen Job mehr findet, schließlich, weil er krank oder zu alt ist. Selbst wenn der Ex-Gatte arbeiten geht, hat er meist noch Anspruch auf ergänzenden „Aufstockungsunterhalt“. Er soll bei seinem Lebensstandard so gestellt werden wie in der Ehe.

Damit will Zypries aufräumen. „Die gegenseitigen Verpflichtungen sollen künftig wesentlich von der Dauer der Ehe abhängen. Gerichte sollen viel mehr als bisher Unterhaltsansprüche zeitlich oder der Höhe nach begrenzen“, sagt Familienrechtler Christoph Thieme.

WEGEN DER KINDER ZU HAUSE

Bislang macht die Rechtsprechung die Pflicht zur Arbeit vor allem vom Alter der betreuten Kinder abhängig („Altersphasenmodell“). Bis zum achten Lebensjahr besteht derzeit praktisch nie eine Arbeitspflicht. Nicht verheiratete Mütter durften wegen der Kinderbetreuung dagegen nur drei Jahre zu Hause bleiben. Nach dem jüngsten Kompromiss in der Koalition sollen künftig unverheiratete und verheiratete Lebenspartner gleichgestellt werden. „Für beide soll eine Frist von drei Jahren gelten“, sagt Familienpolitiker Singhammer. Besondere Umstände könnten jedoch dazu führen, dass diese Frist verlängert wird. Das könne der Fall sein, wenn das Kind behindert ist und daher länger von der Mutter oder dem Vater betreut werden muss. Auch wenn kein Kindergarten in der Nähe ist, kommt eine Verlängerung infrage.

WAS STANDARD IST

Die Rückkehr in den vor der Ehe ausgeübten Beruf soll künftig eher zumutbar sein – und zwar auch dann, wenn damit ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden ist. Die Dauer der Ehe und die Dauer der Kindererziehung sollen hierbei ein wichtiges Kriterium werden, welche Erwerbstätigkeit als angemessen zu betrachten ist.

WENN MAN KEINEN JOB FINDET

Findet der Ex-Partner keinen Job, so kann das weiterhin zu Unterhalt berechtigen. Allerdings soll künftig dabei geprüft werden, inwieweit die Arbeitslosigkeit auf einen „ehebedingten Nachteil“ zurückzuführen ist. Einfach gesagt: Wer auch ohne frühere Ehe arbeitslos wäre, kann nicht den Ex dafür verantwortlich machen. Experte Thieme: „Auch bei diesem Punkt wird es künftig wesentlich auf die Dauer der Ehe ankommen.“

WENN MAN EINEN NEUEN HAT

Lebt ein Ex-Gatte in einer neuen „verfestigten Lebensgemeinschaft“, so kann der Unterhalt künftig komplett gestrichen werden. Was „verfestigt“ im Einzelnen bedeutet, werden die Gerichte entscheiden müssen.

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