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Wirtschaft: Wetten auf die Gesundheit

Mit neuen Produkten können Kassenpatienten bares Geld sparen. Dabei müssen sie aber ein gewisses Risiko eingehen

Bei den gesetzlichen Krankenkassen ist seit April eine kleine Revolution im Gang – aber nur wenige wollen etwas davon wissen. Im Zuge der Gesundheitsreform dürfen die Kassen eine Fülle neuer Tarife anbieten, mit denen sich viel Geld sparen lässt. Doch die Versicherten sind angesichts der neuen Angebote verunsichert. Verbraucherschützer raten, das Kleingedruckte genau zu studieren – um sich nicht an das falsche Angebot zu binden.

„Viele Versicherte wollen noch abwarten und haben Beratungsbedarf“, heißt es bei der Barmer Ersatzkasse, dem Marktführer unter den mehr als 230 Instituten. Auch andere große Kassen berichten von Zurückhaltung der Verbraucher. Immerhin „eine fünfstellige Zahl von Interessenten“ für die neuen Tarife meldet die Techniker-Krankenkasse. Insgesamt gebe es einen Trend zu eher risikoarmen Angeboten, heißt es bei anderen Instituten.

Dabei sorgen die neuen Tarife dafür, dass so etwas wie Wettbewerb in der Sozialversicherung einzieht. „Die Wahltarife sind der einzige Lichtblick einer ansonsten vermurksten Reform“, findet Techniker-Chef Norbert Klusen. Möglich für die 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten sind nun Angebote mit Selbstbehalt, Beitragsrückerstattung, spezielle Programme für Gesundheitsbewusste oder für Anhänger von Alternativmedizin.

Die wichtigste Sparte dürfte der Selbstbehalt sein. Das Prinzip ist bekannt aus der Auto- Kaskoversicherung: Der Versicherte trägt bis zu einer vorab festgelegten Höhe die Kosten, die anfallen könnten. Dafür bekommt er im Gegenzug eine Prämie. Das Ganze gleicht einer Wette um die Gesundheit: Im besten Fall streicht der Versicherte die Prämie ein, im schlechtesten muss er die Differenz zwischen Prämie und der stets höheren Selbstbeteiligung tragen.

Das Risiko ist dabei begrenzt. Zum einen sind die Tarife nach Einkommen gestaffelt – wer viel verdient, hat auch die Chance auf eine hohe Prämie. Zum anderen ist der maximale Rabatt gesetzlich auf 600 Euro begrenzt. Das sind zwar immerhin noch zwei Monatsbeiträge für Durchschnittsverdiener. Dennoch ist der Selbstbehalt für viele Versicherte ungeeignet – nur wer gesund bleibt, kassiert. „Chronisch Kranke sollten davon natürlich Abstand nehmen“, sagt Thomas Isenberg, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Ähnliches gilt für Ältere mit höherem Krankheitsrisiko. Ein Wechsel aus dem bisherigen Standardtarif zu einer billigeren Kasse ist zudem meist sinnvoller als ein Selbstbehaltstarif bei einem teuren Institut wie der AOK.

Wichtig ist ohnehin ein Blick ins Kleingedruckte: Häuser wie die AOK rechnen für Krankenhaus- oder Arztbesuche Pauschalen auf den Selbstbehalt an. Bei der DAK und vielen Betriebskassen werden die Kosten indes eins zu eins umgelegt, so dass ein einziger Besuch beim Radiologen schon den Jahresbonus kosten kann. Die Barmer legt für Besserverdienende gar einen Tarif mit prozentualer Beteiligung an den Behandlungskosten auf – hier können die Kosten bei einer schweren Erkrankung ins Uferlose steigen.

Ihre Tücken hat auch die Beitragsrückerstattung, ein ähnlicher Tarif. „Geht der Versicherte einmal zum Arzt, ist der Bonus verloren“, mahnt Isenberg. Bei vielen Kassen mindern Vorsorgeuntersuchungen allerdings ebenso wenig den Bonus wie Arztbesuche ohne anschließendes Rezept oder Erkrankungen von Mitversicherten in der Familie. Der größte Nachteil der neuen Wahltarife ist auch hier die lange Bindung von drei Jahren. Sie gilt auch dann, wenn die Kasse zwischendurch die Beiträge anhebt – das sonst übliche Sonderkündigungsrecht entfällt.

Relativ einfach und risikolos kann dagegen sparen, wer in einen Präventionstarif wechselt. Den haben etwa die Barmer oder die DAK im Angebot, zusätzlich zu den schon bisherigen Bonusprogrammen, die gesundheitsbewusstes Verhalten belohnen. Dabei müssen Versicherte einmal im Jahr zum Gesundheitscheck und Werte wie Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin messen lassen. Ist alles im grünen Bereich, erstattet die Kasse dem Patienten 70 Euro.

In den nächsten Monaten wird sich auf dem Markt noch eine Menge tun, erwartet Isenberg. „Deshalb sollte man jetzt einen Wechsel nicht überstürzen.“

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