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23.03.2011: Schwarzer Rauch über dem beschädigten Atomkraftwerk Fukushima.

© AFP

AKW-Katastrophe in Japan: Reaktor 3 wegen Rauchschwaden evakuiert

Erneut hingen Rauchschwaden über dem beschädigten Reaktor 3 des Atomkraftwerks Fukushima. Die Betreibergesellschaft zog vorübergehend ihre Arbeiter ab. In der Nähe gab es wieder ein Erdbeben.

Schwarzer Rauch über dem beschädigten japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat am Mittwoch erneut die Arbeiten der Einsatzkräfte behindert. Das Gebäude von Reaktor 3 musste nach Angaben des Betreibers Tepco am Nachmittag (Ortszeit) geräumt werden, weil dort wieder Rauch aufstieg. Alle Arbeiter an den Reaktoren 1 bis 4 mussten sich vorübergehend in Sicherheit bringen, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Es sei unklar, ob der Rauch von der Turbine oder aus der Schutzhülle des Reaktorkerns stamme, sagte ein Tepco-Sprecher. Flammen waren nach Angaben der Betreiberfirma nicht zu sehen.

Ein neues Erdbeben hat nach Angaben des japanischen Wetterdienstes zudem die Region in der Nähe des schwerbeschädigten Atomkraftwerks erschüttert. Die Stärke wurde voräufig mit 4,7 angegeben. Berichte über Schäden lagen zunächst nicht vor.

Ingenieure versuchen seit Tagen, die ausgefallenen Kühlsysteme in dem Kraftwerk wieder in Gang zu bringen. Allerdings werden ihre Arbeiten durch hohe radioaktive Strahlung und immer wieder gesichtete Rauchschwaden über den Reaktoren behindert.

Bereits am Montag hatte es über dem Reaktor 3 wieder gequalmt. Der Rauch war dann laut Tepco aber heller geworden und später ganz abgeklungen. Nun könnte der neue Rauch die Arbeiten zur Wiederherstellung des regulären Kühlsystems hinausschieben.

Techniker hatten im Kontrollraum von Block 3 bereits die Beleuchtung repariert. Am Nachmittag war dort außerdem ein neuer Feuerwehreinsatz zur Kühlung geplant, sagte der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde NISA, Hidehiko Nishiyama.

Die Atomkatastrophe von Fukushima wirkt sich auch auf das etwa 300 Kilometer entfernte Tokio aus. Seit Tagen mehren sich Berichte über radioaktiv belastetes Blattgemüse, Milch und Trinkwasser. Am Mittwoch warnten die Behörden, dass Babys in Tokio kein Leitungswasser mehr trinken sollen, es sei radioaktiv belastet. Im Wasser seien erhöhte Werte von 210 Becquerel pro Liter an radioaktivem Jod 131 festgestellt worden, sagte ein Sprecher der Hauptstadtpräfektur Tokio am Mittwochnachmittag (Ortszeit). Die Warnung betreffe Kinder unter einem Jahr.

Zuvor war bereits im Trinkwasser in fünf Orten der Präfektur Fukushima ein für Babys zu hoher Wert an radioaktivem Jod gemessen worden. Die Regierung riet den Menschen außerdem, kein Blattgemüse wie Spinat aus Fukushima zu essen. Dort steht das havarierte Atomkraftwerk, aus dem seit Tagen radioaktive Strahlung in die Umwelt entweicht.

Die erhöhten Werte an radioaktivem Jod im Trinkwasser wurden in einer Wasseraufbereitungsanlage in Tokio festgestellt. Der Grenzwert des japanischen Gesundheitsministeriums liegt für Babys bei 100 Becquerel pro Kilogramm, berichtete der Fernsehsender NHK. Kinder unter einem Jahr sollten deshalb vorerst kein Leitungswasser oder mit Leitungswasser angerührtes Milchpulver mehr trinken. Die Warnung gelte für alle 23 zentralen Bezirke in Tokio und für das westlich gelegene Tama-Gebiet. Bei radioaktivem Cäsium 137 seien keine überhöhten Werte registriert worden.

Für ältere Kinder und Erwachsene liegen die Grenzwerte für radioaktives Jod 131 bei 300 Becquerel pro Kilo. Der Gouverneur der Hauptstadtpräfektur Tokio, Shintaro Ishihara, rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Es bestehe keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit. Die Warnung ist nach Angaben der Behörden eine Vorsichtsmaßnahme, da sich das radioaktive Jod über die Zeit in der Schilddrüse anreichern könne. Dennoch scheinen viele verunsichert zu sein: Bewohner der japanischen Hauptstadt berichten von Supermärkten, in denen plötzlich das Mineralwasser ausverkauft sei. .

Zuvor hatte die Regierung ihren Lieferstopp für Gemüse aus der Gegend um das havarierte Atomkraftwerk in Fukushima ausgeweitet. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte eine Liste mit elf Gemüsearten, bei denen nach dem Unglück eine teilweise drastisch erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde. Darunter sind Spinat, Broccoli, Kohl und das japanische Blattgemüse Komatsuna. Regierungssprecher Yukio Edano sagte auf einer Pressekonferenz, der Verzehr dieses Gemüses gefährde zwar nicht die Gesundheit. „Wir sehen aber, dass die Werte hochgehen und müssen damit rechnen, dass sie ein schädliches Niveau erreichen. Daher ist es sinnvoll, die Lieferungen jetzt zu stoppen.“ Vorsichtshalber sollten Verbraucher kein in der Präfektur Fukushima angebautes Gemüse mehr verzehren.

In Proben fand das Gesundheitsministerium beim Blattgemüse Kukitachina 82 000 Becquerel an radioaktivem Cäsium und 15 000 Becquerel an radioaktivem Jod. Dies übersteigt die zulässigen Grenzwerte um den Faktor 164 beziehungsweise 7. In der Präfektur Ibaraki wurde auch radioaktiv belastete Milch gefunden. (dpa/AFP)

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