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Während die Angehörigen der Opfer trauern, machte sich Präsidentin Dilma Rousseff auf den Weg zum Unglücksort im Süden Brasiliens.

© dpa

Update

Brand in brasilianischer Großraumdisco: Uniparty wird für 233 Menschen zur Todesfalle

Das Feuer in einer brasilianischen Großraumdisco, bei dem in der Nacht zum Sonntag 233 Menschen starben, wurde offenbar von einer Pyrotechnikshow ausgelöst, die die Decke in Brand setzte. Doch der Tod von so vielen Menschen hätte verhindert werden können.

Rodrigo Rosa kämpft mit den Tränen der Trauer und der Wut: „Die Feuerlöscher haben versagt. Die ersten, die noch funktionierten, hielten nicht lange. Und als man weitere Feuerlöscher herbeiholte, war es schon zu spät.“ Der Feuerwehrmann war einer der ersten Helfer, die in der Discothek „Kiss“ in der brasilianischen Kleinstadt Santa Maria vergeblich versuchten, die Menschen aus ihrer verzweifelten Lage zu befreien: „Es gab keine Notausgänge, nur den Hauptausgang. Es waren Szenen, die keiner sehen will. Viele sind am Rauch erstickt, andere, weil sie auf der Flucht niedergetreten wurden. Die Leichen lagen übereinander, die meisten davon in den Toiletten“, berichtet Rosa wütend. Die Bilanz des Horrorbrandes in der Discothek „Kiss“ von Santa Maria: 233 Tote und 131 Verletzte.

Die Kleinstadt im Süden Brasiliens ist bekannt als Universitätsstadt. Die Bundesuniversität UFSM zählt etwa 27 000 Studentinnen und Studenten und ist damit eine der größten öffentlichen Hochschulen des Landes. Fakultäten der Agrarwissenschaft, Veterinärmedizin, Pädagogik und Ernährungswissenschaft hatten zu einer fröhlichen Uniparty eingeladen. Die 29-jährige Studentin Aline Santos Silva gehörte zu denen, die es noch rechtzeitig ins Freie geschafft haben: „Wir haben rechtzeitig den Brand gesehen und sind rausgelaufen, bevor der Rauch sich verbreiten konnte. Nur wenige Minuten, nachdem wir draußen waren, kam der Qualm auch schon auf die Straße.“

Das Feuer in der Großraumdisco, die mehr als 2000 Menschen Platz bietet, brach am Sonntagmorgen gegen 2.30 Uhr aus. Nach Augenzeugenberichten hat eine Rockband, die eigens für den Abend verpflichtet worden war, während des Auftritts eine Pyrotechnik-Show gestartet. Doch das Spektakel geriet außer Kontrolle, die Decke fing Feuer. Das Flammenmeer breitete sich in Windeseile aus, noch schlimmer war der beißende, qualmende und giftige Rauch, der zur tödlichen Falle wurde. Der Chefkommandant der Feuerwehr des Bundeslandes Rio Grande do Sul, Guido Predroso de Melo, berichtete am Morgen nach der Katastrophe, dass die Sicherheitskräfte der Discothek die Personen beim Verlassen der Räumlichkeiten aufgehalten hätten und dass das „Kiss“ überfüllt war. Offenbar sollte vermieden werden, dass die Gäste den Club verlassen, ohne ihre Rechnung zu bezahlen. „Laut den ersten Informationen sind die meisten Personen erstickt. Nur wenige hatten Brandverletzungen“, sagte Melo.

Cezar Schirmer, der Bürgermeister von Santa Maria, zeigte sich erschüttert: „Die Tragödie geht weit über die Stadtgrenze hinaus. Ich bin untröstlich. Es ist unglaublich traurig zu sehen, wie die Körper aus der Disco getragen und auf die Lkws verladen werden.“ Gleich mehrere Lastkraftwagen waren zu der Disco gerufen worden, um die 233 Leichen abzutransportieren. Sie wurden in eine benachbarte Sporthalle gebracht, wo Angehörige die Toten identifizieren sollten. Die Stadt will in einer Trauerfeier der vielen Opfer gedenken. „Man glaubt ja immer, dass so etwas weit weg von einem passiert. Aber wenn es vor der eigenen Haustür geschieht, terrorisiert es einen. Es ist schmerzvoll. Wir sind konsterniert“, sagte Bürgermeister Schirmer. Allerdings muss sich auch die Stadtverwaltung kritische Fragen gefallen lassen. So wird noch aufzuklären sein, wie es möglich sein konnte, dass die Brandschutzvorschriften derart missachtet wurden: Feuerlöscher fehlten, und der Notausgang war zu klein.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff kehrte noch am Sonntag vom EU-Lateinamerika-Gipfel direkt in die Heimat zurück. Sichtlich bewegt sagte sie noch am Gipfelort in Chile: „Ich möchte der Bevölkerung unseres Landes und von Santa Maria mitteilen, wie sehr wir in diesem Moment der Trauer zusammenstehen.“

Brasiliens Fußballverband sagte alle Spiele für Sonntag ab. Auch die Spiele der gerade laufenden Regionalmeisterschaft mit den Topteams International und Gremio aus Porto Alegre wurden aus Respekt vor den Opfern verschoben. Es ist die größte Katastrophe, die es im Bundesland Rio Grande do Sul je gab. Vor 62 Jahren forderte ein Unglück 51 Todesopfer, als ein Flugzeug 1950 auf dem Weg nach Porto Alegre an einer Bergkette zerschellte.

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