zum Hauptinhalt

Brunello-Skandal: Verbotene Früchte

Nach dem Brunello-Skandal schwören die toskanischen Winzer Besserung – der Jahrgang 2004 naht

Eine Landschaft, wie sie toskanischer nicht sein könnte. Bläulicher Dunst über sanften Hügeln, Zypressenalleen, ein Schloss aus den Zeiten Michelangelos, darunter ein mit Fässern gefülltes Weingewölbe wie aus dem Bilderbuch. Federico Staderini ist Kellermeister hier, in der Villa Calcinaia, und wenn er an die Weinmoden von heute denkt, kommt er leicht ins Philosophieren. „Es ist“, sagt er, „wie wenn Sie den Leuten einen Gockel vom Bauernhof servieren. Das Fleisch ist fest, grau, löst sich schlecht vom Knochen. So ein Gockel schmeckt den Leuten nicht mehr. Die sind alle so an die gezüchteten Grillhähnchen gewöhnt, dass sie nur noch das essen wollen, das Zurechtgemachte, das Veränderte. Die Zivilgesellschaft von heute hat ihre Verankerung in Grund und Boden verloren.“

Staderini spricht vom „Brunello di Montalcino“, dem italienischen Spitzenwein, den sie 60 Kilometer südlich von Greve anbauen, und der vergangenes Frühjahr in Verruf geraten ist. Lange gefeierte Großwinzer, am amerikanischen Geschmack orientiert, befanden auf einmal, der Brunello sei zu „bäuerlich“, zu kantig, zu blass. Und so setzten sie den traditionellen Sangiovese-Trauben andere zu, Merlot, Cabernet-Sauvignon – nicht unbedingt minderwertige, aber eben verbotene. Da schritt die Staatsanwaltschaft gegen 13 von 248 Produzenten ein und beschlagnahmte „zur Betrugsvorbeugung“ 6,5 Millionen Liter des geschönten Edelweins, das sind 8,7 Millionen Flaschen und damit mehr als eine durchschnittliche Jahresernte in Montalcino (7,1 Millionen Flaschen). Im Sommer kamen in einer anderen industriellen Kellerei weitere 1,1 Millionen Liter dazu.

Und mittlerweile? Zwei italienische Großbetriebe, Antinori und Frescobaldi, dürfen Teile ihres „Brunello 2003“ wieder verkaufen. Weitere Betriebe – nach Angaben der Staatsanwaltschaft „für den Jahrgang 2003 nahezu alle Betroffenen“ – haben mit den Behörden einen Deal ausgehandelt und gegen Freigabe ihrer Fässer versprochen, den fraglichen Wein nicht als „Brunello“ zu vermarkten, sondern zum normalen „toskanischen Roten“ herabzustufen.

Noch immer aber befinden sich 4,4 Millionen Liter der Jahrgänge 2003 bis 2007 in den Händen der Staatsanwaltschaft. Italiens Landwirtschaftsminister, Luca Zaia, hat die staatlichen Kontrollen bis Ende Juni 2009 verlängert. Er will verhindern, dass Italiens größte Weinkunden, die USA, gleich wieder einen Einfuhrstopp verhängen, wenn im Februar der „Brunello 2004“ regulär in den Handel kommt. Und die Brunello-Produzenten haben in feierlicher Abstimmung beschlossen, dass künftig alle den Produktionsvorschriften treu bleiben sollen. Kellermeister Staderini versteht nicht recht, was da in Montalcino passiert ist. Oder besser: Er versteht''s auf seine Weise. „Die sind dem Massengeschmack hinterhergelaufen, andererseits suchen die Leute heute das ,Spezielle'', das ,Typische'', das ,Lokalkolorit'' – wobei sie sich am Ende doch mit einer ,Typizität'' begnügen, die ihnen als Werbeparole vorgegaukelt wird."

Der Mensch verhält sich zum Wein, philosophiert Staderini, wie zu anderen Menschen: „Nur wenige wollen den anderen wirklich verstehen. Oberflächlich ja. Aber in seiner Eigenart, seiner Verschiedenheit. Da fragen sie einen, wie''s ihm geht, aber bevor die Antwort kommt, sind sie schon woanders.“

Zur „Affäre Brunello“ will Staderini, genauso wie andere Kellermeister aus dem benachbarten Gebiet des „Chianti Classico“, nicht noch mehr sagen. „Vorsicht: Das Leiden des einen trifft uns alle“, meinen sie, und als die Affäre hochkochte im Frühjahr, da sahen sie in dieser Vertrauenskrise auch ihren eigenen Markt dahinschwinden.

Neun Monate später sind sie ruhiger geworden. Der toskanische Weinhandel ist gegenüber 2007 der Menge nach nur um 4,2 Prozent, dem Umsatz nach um 9,2 Prozent geschrumpft; für Silvia Fiorentini, die Sprecherin des "Konsortiums Chianti Classico", bleibt damit der Umsatz im Bereich des Erwarteten. 2007 nämlich war ein Ausreißer nach oben; jetzt sei man eben wieder auf dem Niveau von 2006. Die Sache mit dem Brunello habe nur „begrenzte Auswirkungen“ gehabt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false