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Die erste Taikonautin. Liu Yang fliegt mit zwei Männern ins All. Manche Chinesen irritiert die Sorgfalt, mit der die Nahrung der Taikonauten vorbereitet wurde, während es in China immer wieder Lebensmittelskandale gibt. Foto: rtr

© REUTERS

Panorama: Chinas Allmacht

Für Prestige und Fortschritt: Peking plant den vierten bemannten Raumflug, erstmals ist eine Frau dabei.

Am Freitag hat sich der mythische Seedrache „Jiaolong“ aus den Tiefen des Marianengrabens gemeldet. Die Insassen des Tiefseetauchboots richten eine Botschaft an das „Magische Schiff Nummer 9“, berichtete Xinhua. Eine Botschaft, die Chinas amtlicher Nachrichtenagentur derart wichtig war, dass sie als Eilmeldung deklariert wurde: „Dringend: Aus 6055 Metern Tiefe wünschen Chinas Tiefseetaucher dem Start des Raumschiffs Shenzhou 9 viel Erfolg.“

Die Aufregung in China vor dem am Samstag für 18.37 Uhr Ortszeit (12.37 Uhr MESZ) geplanten Start des Raumschiffs „Shenzhou 9“ ist riesig. Die 13-tägige Mission soll die Nation und ihr ehrgeiziges Raumfahrtprogramm einen weiteren großen Sprung vorwärts bringen. Erstmals soll das Raumschiff nach dem Start vom Weltraumbahnhof Jiuquan in der Wüste Gobi am Raummodul „Tiangong 1“ ein manuelles Andockmanöver ausführen. Erstmals sollen dann zwei der drei Besatzungsmitglieder für mehrere Tage in das Raummodul umsteigen und darin die Erde umkreisen. Und erstmals wird mit der 33-jährigen Liu Yang eine weibliche Taikonautin – der Begriff ist aus dem Wort „Taikong“, Weltall, geschaffen worden – an der Mission teilnehmen.

Die Premieren gelten freilich nur für Chinas Raumfahrtprogramm. Die USA und Russland, beziehungsweise die UdSSR, haben Derartiges längst vollbracht. Trotzdem birgt das Projekt Spannung, zumal es erst der vierte bemannte Ausflug Chinas ins All ist. „Derzeit gibt es für die Menschen nicht so etwas wie einen Routine-Raumflug“, sagt der Raumfahrtexperte Dean Cheng von der US-Denkfabrik Heritage Foundation in Washington, „das wird eine sehr spannende und sehr gefährliche Mission.“ Die größte Aufmerksamkeit wird Liu Yang zuteil werden, deren Teilnahme erst Freitagmittag bekannt gegeben wurde. „Eine weibliche Taikonautin an Bord zu haben“, sagt die China- und Raumfahrtexpertin Joan Johnson-Freese vom US Naval War College, „zeigt: Die Chinesen haben Vertrauen in ihr Programm und verstehen die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit.“

Tatsächlich berichteten Chinas Medien im Vorfeld ausführlich über das Leben der beiden weiblichen Kandidatinnen für die Fahrt ins All. So steht Liu Yang im „Himmelspalast“, dem Raummodul Tiangong 1, eine eigene Schlafkabine und eine eigene Toilette zur Verfügung. „Frauen bekommen aufgrund internationaler Gepflogenheiten mehr Wasser als Männer, und sie dürfen nicht toxische und nicht kontaminierte Kosmetika ins All mitnehmen“, weiß die „China Daily“. Über Liu Yang wird berichtet, dass sie in der Volksbefreiungsarmee als Leutnant dient und vier verschiedene Flugzeugtypen fliegen kann. Die Zeitung „Dahebao“ schreibt, dass ihr Flugzeug einmal während eines Instrumentenfluges plötzlich von 18 Tauben getroffen worden sei, von denen zwei in ein Triebwerk gesogen wurden. „Liu Yang bewies eine Ruhe, wie sie bei jungen Piloten selten ist“, schreibt die Zeitung. Sie habe umgedreht und das Flugzeug trotz technischer Probleme innerhalb von elf Minuten sicher gelandet.

Heldengeschichten wie diese mehren den nationalen Ruhm Chinas, was wiederum ein Zweck des ehrgeizigen Raumfahrtprogramms ist. Neben dem Prestige fördern die teuren Ausflüge ins All aber auch den technologischen Fortschritt. So schossen nach der Bekanntgabe des aktuellen Startvorhabens die Aktien der beteiligten chinesischen Raumfahrtunternehmen an der Schanghaier Börse um bis zu 16 Prozent in die Höhe. Und China hat im All noch einiges vor.

Bis 2020 soll das Raummodul „Tiangong I“ durch den Anbau weiterer Module zu einer Raumstation wachsen. China wäre dann die einzige Nation, die mit einer eigenen Raumstation die Erde umkreist. Zugleich wird der Ausbau des Mondlandungsprogrammes „Chang’e“ vorangetrieben. Bis 2030 soll der erste Chinese seinen Fuß auf den Mond setzen, 61 Jahre nach Neil Armstrong. „Warum sollte das nicht machbar sein?“, sagt Raumfahrtexperte Dean Cheng, „solange die Chinesen bereit sind, ihre finanziellen, industriellen und personellen Mittel dafür zu widmen, gibt es keinen Grund, warum sie das nicht schaffen sollten.“

Tatsächlich aber finden nicht alle Details des Raumfluges ungeteilte Zustimmung in der Bevölkerung. So verursachte ein Bericht der Zeitung „Xinjingbao“ im Internet einige Aufregung. Darin werden die speziellen Vorkehrungen beschrieben, die den Nahrungsmitteln der Taikonauten zuteil geworden sind: Alle Nutztiere haben nur ausgesuchtes biologisches Futter erhalten, Kühe wurden monatelang ohne Medikamentenzugabe isoliert, und auf den Farmen durften keine Fahrzeuge fahren, noch nicht einmal Fahrräder, um keine Umweltverschmutzung zu erzeugen. Das kommt in China angesichts der vielen Lebensmittelskandale – gerade am Freitag musste wieder ein Babymilchpulverhersteller seine Produkte wegen zu hoher Bleiwerte zurückrufen – überhaupt nicht gut an. „Ich unterstütze vehement, dass die Führer des Raumfahrtministeriums das Büro zur Nahrungsmittelüberwachung übernehmen“, schreibt ein Nutzer auf „sina.com“. Ein anderer klagt: „Gewöhnliche Menschen brauchen auch sichere Nahrungsmittel, dabei geht es um hunderte Millionen von Menschen – und nicht nur um drei.“

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