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Panorama: Der Lebensraum schmilzt

Die Eisbären sollen auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere aufgenommen werden

Am Ende dieses Jahrhunderts könnte die Arktis im Sommer eisfrei sein. Schon heute hat die globale Klimaerwärmung den hohen Norden besonders getroffen. Während die Durchschnittstemperatur seit der Industrialisierung weltweit um 0,6 Grad gestiegen ist, waren es in der Arktis zwischen drei und fünf Grad. Das Meer friert später zu, und das Eis bricht früher. Seit den 70er Jahren ist die Zeit, in der dort Eisschollen auf dem Meer treiben, bereits um etwa drei Wochen geschrumpft. Was Schifffahrtsunternehmern und Ölkonzernen ganz neue Perspektiven eröffnet, könnte für die Eisbären tödlich sein.

Die International Union for the Conservation of Nature (IUCN), die von Regierungen finanziert wird, um sie beim Artenschutz zu beraten, befürchtet, dass die Eisbären bis zum Ende des Jahrhunderts aussterben könnten. Vor allem in den südlichen kanadischen Verbreitungsgebieten könnten sie schon früher verschwinden, warnt der World Wide Fund for Nature (WWF). In dieser Woche stellte das Zentrum für Artenvielfalt einen Antrag an die amerikanische Naturschutzbehörde, die Eisbären auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere zu nehmen.

An der kanadischen Hudson Bay lassen sich die Gefahren für die Eisbären schon eindrucksvoll studieren: Die dortigen Bären jagen während der Packeis-Saison auf Eisschollen. Ihre Lieblingsbeute sind Ringelrobben, die einen hohen Fettanteil haben. Auf den Eisschollen ruhen sie sich aus oder gebären ihre Jungen. Unter dem Eis jagen sie nach Fischen, müssen aber immer wieder an Luftlöchern auftauchen, um nicht zu ertrinken. Das ist die Chance der Eisbären: Vor solchen Luftlöchern warten sie auf ihre Beute. Erwachsene Bären fressen lediglich die Fettschicht der Robben. Jüngere Tiere, die einen höheren Proteinbedarf haben, füllen sich die Mägen auch mit dem Fleisch. In der Jagdsaison kann sich das Gewicht eines Eisbären mehr als verdoppeln. Und gerade die Tiere in der Hudson Bay brauchen diese Fettreserven dringend, denn sobald das Eis bricht, gehen sie an Land – und fasten. Im Sommer verbrauchen sie ihre Fettreserven, bis sie im Herbst wieder aufs Eis gehen und jagen können. Trächtige Weibchen hungern in manchen Fällen bis zu acht Monate lang. Wenn das Eis später kommt und früher bricht, verkürzt sich die Jagdsaison. Jede Woche weniger führt dazu, dass die Bären rund zehn Kilogramm leichter an Land gehen müssen, schreibt der WWF in einer aktuellen Studie. Je länger sie hungern müssen, desto schwerer fällt es den Weibchen, ihre Jungen zu säugen – sie brauchen das Fett, um überhaupt Milch zu entwickeln. Werden die Jungen schlecht ernährt, sinkt deren Überlebenschance. Der WWF berichtet, dass nur 40 Prozent der Jungen derzeit überhaupt überleben.

Die längere Fastenzeit führt aber auch zu ernsten Konflikten mit Menschen. In der Kleinstadt Churchill im Norden Kanadas dürfen Kinder im Sommer nicht alleine in die Schule gehen, und die meisten Bewohner sind bewaffnet. Denn die hungrigen Eisbären plündern am Ende des Sommers Mülltonnen oder brechen in Häuser ein, um nach Essbarem zu suchen. Jedes Jahr werden dort Eisbären in Notwehr erschossen. Doch der Klimawandel ist nicht die einzige Gefahr für die Eisbären. Sie werden noch immer gejagt, von Inuit für den Eigenbedarf, aber auch von Hobby-Jägern. Als größtes Landraubtier der Welt stehen die Eisbären am Ende der Nahrungskette. So reichern sich auch Schwermetalle und Pestizide in ihrem Fett an. Doch die größte Gefahr für ihr Überleben ist der Klimawandel. Gelingt es nicht, die globale Erwärmung aufzuhalten, sind die Eisbären kaum noch zu retten.

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