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Panorama: Deutsche Pünktlichkeit in Tansania

Was afrikanische Krankenhausmanager bei einem Training in Berlin für ihren Alltag lernen können

Berlin - Mit so viel Glück hatte Ernest Kyungu nicht gerechnet. Schon einen Monat, nachdem er sein Medizinstudium beenet hatte, sollte er seine erste Stelle antreten. Die tansanische Regierung schickte ihn als Allgemeinarzt in eine Klinik im Norden des Landes. Der junge Mann war stolz und zufrieden, so schnell einen Job gefunden zu haben. Doch als er ankam, stellte er fest, „dass sich die Stellenbeschreibung verändert hatte“. Er sollte nicht nur als Arzt arbeiten, sondern das Krankenhaus gleich noch managen.

Ernest Kyungu ist der Schrecken mächtig in die Glieder gefahren. „Ich hatte keine Ahnung vom Krankenhausmanagement“, sagt er. Und war plötzlich verantwortlich für das einzige Haus weit und breit, das für die Versorgung von 500 000 Menschen zuständig ist. Das war 2002. Seither wurstelte er sich durch, aber das Gefühl des Ungenügens hat ihn nie ganz verlassen. Deshalb war Ernest Kyungu „ein sehr glücklicher Mann“, als er ein Managementtraining in Deutschland absolvieren durfte. Er gehörte zur ersten Gruppe von jungen Führungskräften aus dem Gesundheitswesen in acht afrikanischen Staaten, die von der internationalen Weiterbildungsorganisation Inwent zum einjährigen Praktikum nach Deutschland eingeladen worden sind. Derzeit wird schon der zweite Kurs ausgebildet.

Ernest Kyungu versucht nun, sein Wissen in Tansania in die Praxis umzusetzen. Eine so teure Krankenhaus-EDV wie in Deutschland könne sich seine Klinik natürlich nie leisten, sagt er. Aber er hat jetzt genug Ideen, wie mit einem ganz einfachen Computerprogramm Ordnung in die Patientenakten gebracht werden kann. Und noch etwas will er auf jeden Fall umsetzen. Er grinst und sagt: „Die Deutschen werden ja mit der Pünktlichkeit geboren.“ Das Zeitmanagement aus Deutschland soll ihm helfen, die vielen Patienten, die er wegen wichtiger Managementaufgaben immer wieder hat sitzen lassen und nach Hause schicken müssen, besser zu behandeln. Nach Hause sollen nur noch die geschickt werden, die in der Nähe wohnen. Und sein Managementjob muss mit geplanten Verwaltungszeiten auskommen, damit er mehr Zeit für die Patienten hat.

Aber was können afrikanische Führungskräfte wirklich vom hoch spezialisierten deutschen System lernen? Pendo Gerald Wanka, die bei der Rot-Kreuz-Gesellschaft in Tansania arbeitet, hat bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse deren Abrechungspraxis unter die Lupe genommen. Natürlich sei vieles nicht vergleichbar. „Aber mein Hirn ist nicht mehr, wie es war“, sagt sie. Davon profitiere auch die noch junge Krankenversicherung der Staatsbediensteten in Tansania: Wenn sie dort jetzt zum Beispiel vorschlage, nur noch für klar definierte Leistungen zu zahlen, beuge das der Korruption vor.

Im Kreisklinikum Mühldorf am Inn wiederum staunten die Ärzte darüber, mit welch minimalen Budgets die Kliniken in Tansania haushalten müssen. „Die Ärzte wollten von mir wissen, wie unsere Ärzte denn Krankheiten diagnostizieren ohne all die technischen Geräte“, erzählt Pendo Wanka und lächelt. Die Antwort ist ganz einfach: „Die Ärzte müssen sich auf ihre Erfahrung und die Lehrbücher verlassen, die sie gelesen haben. Außerdem hören sie ihren Patienten ganz genau zu.“

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