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Panorama: Die Stimme der Folterer Türkische Polizisten müssen sich vor Gericht verantworten

Es war ein für die Türkei höchst seltener Anblick. Drei Polizisten erschienen am Freitag vor einem Gericht in der westtürkischen Großstadt Izmir, um sich wegen Foltervorwürfen zu verantworten.

Es war ein für die Türkei höchst seltener Anblick. Drei Polizisten erschienen am Freitag vor einem Gericht in der westtürkischen Großstadt Izmir, um sich wegen Foltervorwürfen zu verantworten. Das mutmaßliche Opfer der Kriminalbeamten, der türkischstämmige Bundesbürger Mehmet Desde, saß ebenfalls im Saal. Er habe mindestens einen an der Stimme erkannt, sagte der 44-jährige Desde. Ein Urteil gab es am Freitag noch nicht; der Prozess wurde auf den 24. Dezember vertagt. Doch dass die Polizisten überhaupt vor Gericht gestellt wurden, ist fast eine Sensation im EU-Bewerberland Türkei. Hätte Desde keinen deutschen Pass und hätten sich deutsche Diplomaten nicht in den Fall eingeschaltet, wäre der Prozess womöglich nie zustande gekommen.

Desde, der aus dem osttürkischen Tunceli stammt und seit 24 Jahren im bayerischen Landshut lebt, war im Juli vergangenen Jahres in die Türkei gekommen, um seinen Vater in der Heimat beizusetzen. Einige Tage später wurde Desde von der türkischen Polizei festgenommen. Sie hielt Desde für den Gründer einer obskuren linksradikalen Kurdengruppe, was Desde aber bestreitet. Nach eigenen Angaben wurde der Deutsch-Türke von der Anti-Terror-Polizei gefoltert: Er musste sich nackt ausziehen; seine Hoden wurden gequetscht; die Beamten drohten, sie würden ihn mit ihren Polizeiknüppeln vergewaltigen und mit einem Betonklotz am Hals ins Meer werfen; er wurde beschimpft und geschlagen. Schließlich unterschrieben Desde und seine neun Mithäftlinge Geständnisse, die ihnen von der Polizei vorgelegt wurden. Auf dieser Grundlage wurden Desde und vier Mitangeklagte in diesem Sommer zu jeweils vier Jahren verurteilt. Die Gruppe legte Revision ein. Desde durfte das Gefängnis verlassen, doch bis das türkische Berufungsgericht in dem Fall entschieden hat, muss er in der Türkei bleiben. Erst nach einer Intervention des deutschen Konsulats in Izmir und neuen medizinischen Gutachten erklärte sich die Staatsanwaltschaft bereit, ein Verfahren gegen die Polizisten zu eröffnen.

Doch zur Prozesseröffnung im Oktober ließen sich die angeklagten Beamten erst gar nicht sehen. Am Freitag tauchten immerhin drei von vier Beschuldigten auf und erklärten, sie hätten an den Verhören nicht teilgenommen. Der Polizeioffizier Muhtesem Cavusoglu, der die Folterungen geleitet haben soll, blieb der Verhandlung fern – er ist inzwischen auf einen hohen Posten in der Provinzhauptstadt Aydin versetzt worden und soll dort seine Aussagen schriftlich machen. Nicht nur in der westtürkischen Metropole handelt die türkische Polizei immer noch häufig nach sehr fragwürdigen Methoden. In Istanbul nahmen die Sicherheitsbehörden jetzt Teilnehmer einer Demonstration unter dem Vorwurf fest, „terroristische Organisationen“ unterstützt zu haben. Sie waren zwischen sieben und 14 Jahre alt.

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