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Panorama: Ein Bild vom Krieg

Die wahre Geschichte des „World Press“-Fotos

Bilder sagen mehr als tausend Worte, heißt es. Und es stimmt: Es bräuchte nur einer Andeutung wie „Nacktes Mädchen läuft schreiend aus einem brennenden Dorf“, um sofort die berühmte Aufnahme des AP-Fotografen Nick Uts aus dem Vietnamkrieg im Kopf zu haben. In einem fotografischen Moment verdichtet sich alles – die Materialschlacht der US-Armee, die Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern, die Präsenz der Medien. Gisèle Freund sagte 1979, das Foto werde „für immer im Gedächtnis jener bleiben, die es gesehen haben“. Und Uts befand, es habe der Welt gezeigt, was der Krieg in Indochina „wirklich bedeutete“. Denn: „Das Bild ist so authentisch wie der Krieg selbst.“

Wenn einmal jährlich der „World Press Photo Award“ für das beste Bild eines Reporters verliehen wird, gelangen oft Aufnahmen vom Krieg in die engere Wahl. Bevorzugt solche, die eine andere, echtere Perspektive und das menschliche Drama hinter politischen Entschlüssen freilegen. Das schien auch in diesem Jahr nicht anders, als mit Spencer Platts Foto aus dem Libanonkrieg ein Bild prämiert wurde, das fünf Jugendliche in einem offenen Wagen in Beiruter Trümmerlandschaft zeigt. „Kriegstouristen“, hieß es, und man wurde gepackt vom Aufeinandertreffen zweier Kulturen. Einerseits die sunnitische Bevölkerung der Stadt, die den Angriffen der israelischen Luftwaffe direkt ausgesetzt gewesen war und im Schutt ihrer zerbombten Heime hauste; andererseits eine Clique wohlhabendere Christen, die sich in ihre Luxuskarosse als Voyeure der Gewalt gebärdeten.

Der niederländische Journalist Gert van Langendonck ging der Sache nach – und entdeckte eine andere Geschichte. Er machte die Insassen des Fahrzeugs ausfindig und musste erfahren: „Nicht eine einzige Person auf diesem Bild gehört zur christlichen Bourgeoisie.“ Vielmehr hatten sie bis zu ihrer Flucht selbst im Süden Beiruts gelebt und kehrten in einem geliehenen Auto zurück, um sich nach dem Zustand ihrer Häuser zu erkundigen. Sie waren Muslime und Christen, arbeiteten als Kellnerinnen und Bankangestellte.

So berührt Platts Fotografie ein Dilemma, dem der Regisseur Clint Eastwood mit „Flags of Our Fathers“ einen ganzen Film gewidmet hat. Bilder, die zu Ikonen des Krieges werden, geben preis, was man in ihnen sehen will. Die Botschaft diesmal: Der Krieg kann nicht so schlimm gewesen sein, wenn er adretten jungen Menschen die Gelegenheit für einen Ausflug bot. Und er passiert immer nur denen, die nicht so aussehen wie man selbst. Beides ist ein Irrtum. Tausend Worte sagen mehr als manches Bild.

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