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Panorama: Ein Himmel voller Geigen

Julia Fischer, der neue Star mit der Violine, ist mit 23 die jüngste Professorin Deutschlands

Nervös wird Julia Fischer eigentlich nur, wenn ihre musikalischen Partner nicht ausreichend geübt haben. Ansonsten kann die 23-jährige Ausnahmegeigerin kaum etwas aus der Ruhe bringen. Entsprechend abgeklärt antwortet sie auch auf die Fragen nach ihrer Berufung als jüngste deutsche Professorin an die Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Dort wird sie nun als Gastprofessorin Studenten unterrichten, die zum Teil deutlich älter sind als sie.

Sie hat Erfahrung damit, die Jüngste zu sein. Schon mit neun Jahren wurde sie als Studentin an der Münchner Musikhochschule aufgenommen. Von einem ernsthaften Studium kann jedoch nach ihren eigenen Worten kaum die Rede gewesen sein. Sie hatte eben beinahe von Anfang an mit Anna Chumachenko eine der berühmtesten Lehrerinnen, der Unterricht verlief aber zumindest zu Beginn wohl eher spielerisch. Chumachenko hat gleich einen ganzen Schwung außerordentlich erfolgreicher Geigerinnen ausgebildet. Lisa Batiashwili zum Beispiel oder Arabella Steinbacher. Von einem Geigen-Fräuleinwunder möchte Julia Fischer aber nichts wissen. „Das ist nicht, weil die Geigerinnen besser spielen, sondern weil jetzt PR und Marketing der Plattenfirmen entdeckt haben, dass junge Frauen auf einem CD-Cover schön aussehen, und deshalb wird das jetzt vermarktet.“

Seit dem Jahr 2000 spielte Julia Fischer eine Stradivari aus dem Jahr 1716, die sie im Jahr 2000 leihweise von der Nippon-Foundation erhalten hatte. Allerdings nur, bis sie selber ein hochwertiges eigenes Instrument fand. Schließlich wurde sie in London fündig. „Ich habe mich in London sofort in eine Geige von Jean-Baptiste Guardagnini verliebt. Es klingt ein bisschen grausam, aber ich habe das Instrument in die Hand genommen und danach die Stradivari nie wieder angefasst. Die Instrumente von Guardagni, Guardagnini oder Stradivari sind selbstverständlich alle sehr gut. Man muss nur herausfinden, welche zu einem passt.“ Geiger und ihre Instrumente, ein geheimnisumwittertes Kapitel. Zwar gibt es vereinzelt auch Pianisten, die nur auf ihrem eigenen Flügel spielen, doch Violinisten betreiben einen ganz eigenen Kult. Julia Fischer erlebte ihre Stradivari als ungeheuer dominant, musste sehr vorsichtig mit dem Instrument umgehen, das ihr nie verziehen habe, wenn sie kraftvoll zugriff. Fast scheint es, als erzähle sie von einer Liebesbeziehung: „Jede Geige hat eine Persönlichkeit. Geigen sind so unterschiedlich wie Menschen, und so wie zwei Menschen zusammenpassen müssen, muss auch ein Geiger mit seinem Instrument zusammenpassen.“ Mit ihrer Guardagnini, da ist sie sicher, stehen ihr alle Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung offen. Von Julia Fischer ist kaum einmal ein falscher Ton zu hören. Auf ihren CDs sowieso nicht, aber auch im Konzert verblüffen ihre technische Sicherheit und ihre Könnerschaft. Julia Fischer hat ein entspanntes Verhältnis zur technischen Perfektion. Kein Wunder, ebenso wie die wohl berühmteste deutsche Geigerin, Anne-Sophie Mutter, scheint sie keine spieltechnischen Schwierigkeiten zu kennen. Ein Nichtgeiger erkennt als Erstes Intonationsschwächen eines Solisten, denn falsche Töne eines Streichinstruments können sehr quälend sein.

Zur Geige kam Julia Fischer, die aus einer hochmusikalischen Familie stammt, eher zufällig. Die Mutter ist Pianistin und hat auch zu Hause unterrichtet, der Bruder spielt ebenfalls Klavier, da war der Flügel eben häufig belegt. Also wich die Tochter des Hauses auf ein eigenes Instrument aus, das ihr niemand streitig machte. Auf sich allein gestellt, fand sie es zunächst störend, wenn sie in der Kammermusik auf ihre Mitstreiter Rücksicht nehmen sollte. „Ich habe das überhaupt nicht vertragen. Ich wusste immer ganz genau, was ich wollte, und wollte meine Sichtweise auch durchsetzen.“ Die erste Hälfte ihres ersten Solorecitals fand sie dann doch eigenartig, denn sie hatte niemanden auf dem Podium, hinter dem sie sich verstecken konnte. „Dann habe ich festgestellt, dass ich alles unter Kontrolle hatte und wirklich alles machen konnte, was ich in dem Moment wollte, ohne mich mit den anderen Musikern abstimmen zu müssen.“

Heute gibt Julia Fischer etwa 90 Konzerte pro Jahr, auch wenn sie Anfragen für weit mehr Auftritte hat. Mehr sei nicht gesund, sagt sie freundlich lächelnd. Mit ihrer neuen Tätigkeit als Professorin in Frankfurt wird ihr Terminkalender noch etwas voller. Sie wird Meisterkurse veranstalten – und zwei Studenten erhalten alle zwei Wochen Einzelunterricht bei ihr.

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