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Panorama: Ein öffentliches Leben

Präsidententochter, Journalistin, Ehefrau – wie Chelsea Clinton versucht, ihre Rolle zu finden.

Die Kinder Prominenter haben es nicht leicht. Chelsea Clinton erfährt das gerade wieder. Bei Berufswahl und Karriere steht sie unter Erwartungsdruck: Vater Bill war Präsident, Mutter Hillary wird es vielleicht noch; zu Senatorin und Außenministerin hat sie es jedenfalls schon gebracht. Als Hillary so alt war wie Chelsea jetzt, nämlich 33, zählte man sie zu den hundert einflussreichsten Anwälten in Amerika. Sie war auch bereits Mutter.

Kein Vierteljahr vergeht, ohne dass Medien die Frage stellen, wann Chelsea ihre politische Karriere beginnt – oder Mutter wird und Hillary und Bill zu Großeltern macht. Überhaupt: die Medien. Auch der Umgang mit ihnen ist für Promikinder nicht leicht. Wenn sie sich verweigern, jagt man sie. So heißt es jedenfalls. Und wenn sie etwas sagen, steht oft das Gegenteil in den Schlagzeilen. Noch komplizierter wird es, wenn Politikerkinder ihr Geld bei Medien verdienen wie Chelsea und eine weitere Präsidententochter, Jenna Bush-Hager. Beide sind beim US-Sender NBC als Reporter unter Vertrag. Sie sollen menschelnde Geschichten fern der Parteipolitik erzählen – auch damit sie nicht in familiäre Konflikte geraten.

Nun hat Chelsea Clinton vor wenigen Tagen NBC ein Interview gegeben, in dem sie gefragt wurde, ob Hillary eine Präsidentschaftskandidatur 2016 plane? Das war erwartbar. Und ob sie selbst in die Politik gehen wolle? Das ist nicht ganz so naheliegend. Bisher erweckt Chelsea nicht gerade den Eindruck, dass sie den außergewöhnlichen politischen Ehrgeiz, der ihre Eltern antreibt, geerbt habe.

Eigentlich gehört es sich nicht, dass Medienkonzerne ihre eigenen Reporter interviewen. Aber soll man das Geschäft mit einem so berühmten Namen der Konkurrenz überlassen? Chelsea antwortete vorsichtig ausweichend, da ist sie Profi. Ihre Mutter werde „die Wahl treffen, die für sie die richtige sei“. Im Übrigen freue sie sich, dass so viele Menschen ihre Mutter bewundern und hoffen, dass sie antritt.

Und was sie selbst betreffe, sagte Chelsea Clinton: „Im Moment bin ich dankbar, dass ich in einer Stadt und einem Staat und einem Land lebe, wo ich meinen Bürgermeister, meinen Gouverneur, meinen Präsidenten, meinen Senator und meinen Abgeordneten voll unterstütze.“ Das klingt nach einer erschöpfenden Antwort, die keine Ausflucht zulässt. Der Senderkollege bedrängte sie weiter. Sie blockte ab: „Sollte ein Zeitpunkt kommen, wo das nicht mehr so ist und wo ich denke, dass ich einen bedeutsamen und messbaren Fortschritt erzielen kann, dann würde ich die Frage stellen und beantworten.“

Daraufhin war in den USA die Schlagzeile zu lesen, sie habe die Tür zu einer Kandidatur geöffnet. In Deutschland wurde die Nachricht verbreitet, sie stehe bereit für die Politik. Die Sehnsucht nach politischen Dynastien ist offenbar zu stark, als dass ein „Nein“ oder zumindest ein „Jetzt nicht“ akzeptiert würde.

Manche in den Vereinigten Staaten sagen, sie sei kein Opfer. Dieses Interview sei ein abgekartetes Spiel gewesen. Das sei die verdeckte Art der Clintons, Chelseas Chancen auf eine politische Karriere zu testen. Auffällig sei, dass sie auch bei der Clinton Global Initiative, der Spendenorganisation ihres Vaters für weltweite gemeinnützige Programme wie den Kampf gegen Aids und Erdbebenhilfe für Haiti, eine sichtbare Rolle suche. Bei der letzten Konferenz habe sie mehrere Podien moderiert.

Aber wie kommt es, dass ausgerechnet Menschen wie sie eine Arbeit in den Medien suchen? Sie hat doch oft unter den Klatschspalten gelitten. NBC gilt als seriöser Sender. An der Sensationsgier um die Hochzeit Ende Juli 2010 mit Marc Mezvinsky und den Spekulationen um Ehekrise, Versöhnung und Nachwuchs haben sich freilich alle Medien beteiligt.

Glücksmomente wie die Heirat im schmucken Astor Court, einem Anwesen über dem Hudson River in Rhinebeck nördlich der Stadt New York, wurden ins Märchenhafte überhöht. Und schwierige Momente mit derselben Übertreibungslust als Katastrophen gedeutet. Erst waren die Eltern des Ehemanns enge Freunde der Clintons aus der Demokratischen Partei. Dann wurde der Vater Edward Mezvinsky als Betrüger vorgeführt, der für falschen Umgang mit Wahlkampfspenden im Knast gelandet war.

Als Ehemann Marc im Februar 2011 alleine zum Skifahren nach Colorado ging, stand die Ehe angeblich vor dem Aus. Ein gutes Jahr später hatten sich alle dunklen Wolken verzogen. Nach Illustriertendiagnose wirkten die beiden nun glücklicher denn je. Und im Juli 2012 kursierten Fotos, die Chelsea mit einem „verdächtigen Bäuchlein“ zeigten: „Ist sie etwa schwanger?“

Zyniker interpretieren Chelseas Entscheidung, gerade in dieser Zeit des intensiven Aufs und Abs mit den Medien einen Fernsehvertrag zu unterschreiben, als Beweis, dass sie mit kaltem Kalkül ihre öffentliche Karriere plane. Regelmäßige TV-Auftritte bringen Menschen auf die Überholspur, Politik inbegriffen, kommentierte die „New York Times“.

Chelsea hat ihre Entscheidung, bei NBC zu arbeiten, mit einem Umdenken begründet. Man kann ihr Bekenntnis vielleicht auch als Kapitulation vor dem Druck der Öffentlichkeit und der Familie interpretieren. Die meiste Zeit habe sie ein privates Leben führen wollen, aber gegen ihren Willen ein öffentliches führen müssen, sagte sie zum Auftakt ihrer Fernsehkarriere gegen Ende des Jahres 2011. Ihre Großmutter Dorothy Rodham, die kurz zuvor gestorben war, und ihre Eltern hätten sie jedoch bestärkt, ihren Namen zu nutzen und ein „sinnvolles öffentliches Leben“ anzustreben. Im Anschluss wurde ihr erster Beitrag über ihre Heldinnen und Helden im Alltag gezeigt. Dafür hatte sie eine Sozialarbeiterin aus ihrem Geburtsstaat Arkansas ausgewählt.

Vielleicht ist Chelsea so kühl kalkulierend und machtversessen, wie manche Beobachter es allen Clintons nachsagen. Vielleicht leidet sie aber auch so sehr unter dem Erwartungsdruck, dass sie mit 33 Jahren noch nicht entscheiden kann, ob und wie sie sich den Medien konsequent verweigert – so wie die andere Bush-Tochter Barbara. Die lebt ebenfalls in New York und taucht so gut wie nie in den Medien auf. Es sei denn, sie will es, zum Beispiel als Befürworterin der Ehe von Lesben und Schwulen.

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