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Panorama: Es ist langsam gut

Wie lange kann man „Gutes neues Jahr“ wünschen?

„Ein glückliches neues Jahr!“ Möglichst laut geschmettert, hallt der gute Wunsch derzeit durch alle Büroflure, Kantinen und Geschäftsräume. Vertreibt mit seiner kraftstrotzenden Verve die Festtagsmüdigkeit aus den Gliedern und den eventuell noch übrig gebliebenen Silvesterfrust aus dem Kopf. „Frohes Neues“, lautet die lässige Variante. Nun ist das Jahr aber schon vier Tage alt, und die Ersten fangen an, sich zu fragen, wie lange die Neujahrswünsche eigentlich erwünscht oder erträglich sind. Wirkt es heute schon unfreundlich, kein „Gutes Neues“ mehr zu wünschen? Und ab wann spätestens wird es richtig peinlich, das glückliche 2006 dem letzten Tropf auch noch aufzudrängen?

Ein bisschen geht es damit wie mit den ewigen Weihnachten, die schon so lange vor der Zeit beginnen mit kräftig rieselndem Musikschnee allüberall. Ist das Fest endlich da, möchte man nur noch um Gnade schreien, bevor man gerade noch rechtzeitig vorm Nervenzusammenbruch in die dann wirklich besonders wohltuende Stille der Festtagsruhe fällt. Auch die Zeit der Neujahrswünsche zieht sich, wie manche finden, über die Maßen lange hin. Zahlreiche Institutionen fühlen sich verpflichtet, die ihnen jeweils sehr wichtigen Menschen zu Neujahrsempfängen um sich zu scharen. Um Terminkollisionen zu vermeiden, legen manche Gastgeber ihre Neujahrsevents sogar noch in den Februar.

Die Hochsaison der guten Wünsche beginnt heute, wenn die Schulen wieder loslegen und sich also auch die meisten Winterurlauber zurückmelden. In der kommenden Woche etwa gibt es gleich zwei sehr traditionelle Neujahrsempfänge, die nicht ohne vielstimmige Glückwünsche abgehen werden. Am Mittwoch laden Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva Luise die Repräsentanten des öffentlichen Lebens und eine ganze Reihe von vorbildlich engagierten Bürgern zum Empfang ins Schloss Bellevue ein. Einen Tag später findet sich dort aus dem gleichen Anlass das Diplomatische Korps ein. Das ist übrigens einer der seltenen offiziellen Anlässe, wo die Herren nicht in Nationaltracht, sondern im Cutaway erscheinen. An einem Datum, an dem einem neuen Jahr mit so schönem Zeremoniell gehuldigt wird, muss es auch für den Normalbürger noch comme il faut sein, gute Wünsche loszuwerden. Je weiter der Januar voranschreitet, desto bewusster wird man damit umgehen. Streut man die Wünsche in den ersten Tagen noch möglichst flächendeckend aus, wird man das später auf Menschen beschränken, die einem besonders lieb oder wichtig sind.

Ein guter Wunsch, ob zum neuen Jahr oder auch anderswozu, ist im Grunde auch eine weltliche Variante des früher in religiös geprägten Gegenden verbreiteten Segens, dessen Revival in neuem Gewand als Instrument der Psycho-Wellness durchaus vorstellbar ist. Wer sich schwer tut mit dem Abschiednehmen von den Neujahrswünschen, braucht übrigens keinen allzu langen Entzug zu fürchten. In der jüdischen Kultur heißt das einschlägige Fest „Rosh Haschana“, was übersetzt bedeutet „Kopf des Jahres“. Das Jahr 5767 beginnt bereits am 23. September. Auf „Rosh Haschana“ wird auch der Ausdruck „Guten Rutsch“ zurückgeführt. Den darf man spätestens ab Mitte Dezember 2006 wieder durch die Gegend schmettern.

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