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Von TISCH zu TISCH: Fünf & Sechzig

Erdnussparfait mit Erdbeersorbet

Gute Restaurants sind die Vorhut der Veränderung. Wedding galt lange als Diaspora für Gourmets. Von Ausnahmen abgesehen, herrscht hier kulinarisch eher die Imbiss- und Kneipenkultur. Seit einiger Zeit gibt es aber das Fünf & Sechzig, ein ganz ambitioniertes Restaurant im Süden des Bezirks mit großer Terrasse zum Nordufer.

Die Preise sind maßvoll, die Einrichtung angelehnt an den Stil Alt-Berliner Wohnzimmer, modern interpretiert. Kaffeehaus-Literaten freuen sich am Anblick einer alten Reiseschreibmaschine im Fenster, notorische Fröstler am Kamin und an den warmen Brauntönen, passionierte Antikladenstöberer werden sich auf den alten Wohnzimmerstühlen wohlfühlen und die letzten Raucher im eigens für sie eingerichteten Aquarium. Digestif-Liebhaber werden die Ziegler-Flaschen beruhigt in Augenschein nehmen und Nostalgiker an der Atmosphäre Gefallen finden, die ein bisschen an die 80er Jahre erinnert, als eine neue Welle anspruchsvoller Restaurants die Stadt bereicherte.

Eine Servicekraft bespielte an unserem Abend als Solist die nicht sonderlich belebten drei Räume. Er wirkte anfangs ein kleines bisschen entschleunigt, man kann nur hoffen, dass Verstärkung kommt, wenn auch die Terrasse frequentiert wird. An der flotten Folge der Gänge war allerdings nichts auszusetzen.

Ein dreigängiges Menü kostet 22 Euro, man kann es frei aus allen angebotenen Speisen zusammenstellen. Der Antipasti-Teller rekrutierte sich im Wesentlichen aus eingelegtem Gemüse, Paprika, Zucchini, Auberginen, schwarzen Schrumpeloliven und Möhren im Linguine-Look. Zum Einzelpreis von 7,40 Euro hätte das sicher noch etwas angereichert sein dürfen, beispielsweise durch Salami oder Käsewürfel. Auch ein besonderer Dip in der Mitte wäre denkbar gewesen. Dafür war das hausgebackene Oliven-Walnussbrot köstlich und die weiche Blüte aus Kräuterbutter verstärkte den guten nostalgischen Eindruck noch.

Gut gelungen war die cremige Zitronengrassuppe mit losen Blättern von frischem Spinat drin und ebenfalls frischen Champignons. Lammsugo mit Tabule-Minz-Couscous und Grillgemüse brachte im Beilagenteil ein Wiedersehen mit den Hauptdarstellern der Vorspeise, Zucchini und Aubergine, diesmal gegrillt und leider sehr mit Öl vollgesogen. Couscous kam eher als puristisches Küchlein daher denn als Tabule-Minz-Version. Das Fleisch war gut und zart in einer wunderbar dicken Tomatensauce.

Chickencurry klingt nach Hausmannskost, war hier aber ebenfalls gut umgesetzt. Das Hühnchen vom Geschmack her tadellos und so perfekt gegart, dass es sich kauen ließ wie Eierstich, superzart. Dazu passte das knackige Wokgemüse besonders gut, auch wenn es etwas sprossenlastig war.

Originell fanden wir beim Dessert das Erdnussparfait mit Erdbeersorbet. Das hätte nur zehn Minuten früher das Tiefkühlfach verlassen dürfen, um nicht ganz so knallhart auf den Gast zu treffen. Davon abgesehen fanden wir die Kombination aber gut und nachahmenswert. Auch das kleine Stück New York Cheesecake gefiel uns mit dem saftig krümeligen Boden und den Schokoladenblättern, die wie drei große Segel da draufsteckten.

Zum Anspruch des Hauses gehört das Zeremoniell beim Wein. Die Karte ist gut, es gibt eine achtbare Auswahl offener Weine, wie den australischen Shiraz-Cabernet Sacred Hill, der, wie der kräftige spanische Rioja, aus schönen Dekantierern eingeschenkt wird. Auch der Crémant zum Aperitif war gut und frisch.

In dieser Gegend muss man natürlich jonglieren können und Gerichte anbieten, die vielen gefallen und trotzdem eine besondere Note haben. Da hat die kleine Karte gute Lösungen zu bieten, den glasierten Chicorée auf orientalischem Linsensalat zum Beispiel oder auch Tofu im Sesammantel mit Süßkartoffelpüree und Pflaumenconfit.

Ach ja, vor Jahren fragte mich eine Amerikanerin, warum in Berlin die Hochzeiten auf großen gelben Wegweisern ausgeschildert sind: „Wedding“ ist das englische Wort für Hochzeit. Für die steht das Fünf & Sechzig auch bereit – es gibt separate Räume zum Feiern.

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