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Von TISCH zu TISCH: Margaux

Quinoa mit Gurken und Zucchini

Wo steht die Berliner Spitzengastronomie? Ziemlich weit vorn in Deutschland. Das schlägt sich zwar nicht in gigantischen Bewertungen nieder, wohl aber in der unbestreitbaren Tatsache, dass keine andere Stadt ein stilistisch so breites Panorama von herausragenden Restaurants bietet. Es reicht vom Asien-Spezialisten Tim Raue über alle Schattierungen der aufgeklärten Klassik – etwa im Facil oder Hugos – bis zu Michael Hoffmann im Margaux.

Hoffmann, der in Berlin mal als Gagnaire-Double angefangen hat, spielt in einer eigenen Liga. Ich gebe zu, dass ich seine Entwicklung nicht in all ihren Windungen und Wendungen verstanden und gutgeheißen habe. Doch seine Wandlung zum Gemüsekoch und Gärtner ist in ihrer Konsequenz bewundernswert und einzigartig. Nein, das „Margaux“ ist kein vegetarisches Restaurant. Doch die dort servierten Gemüsegänge verhalten sich zum Niveau der Berliner Veggie-Szene wie ein Ferrari zum Lada (preislich leider auch).

Der Witz liegt zunächst im eigenen Anbau. Hoffmann macht sich draußen im Brandenburgischen seine Gemüse selbst, züchtet angeblich allein 20 Kohlsorten, die kein Mensch mehr kennt. Damit verfügt er über eine Produktqualität, die kein Lieferant bieten kann. Was nichts nützte, wären nicht auch Küchenwissen und Küchentechnik auf dem gleichen Niveau. Doch Hoffmann weiß genau, wie er den Geschmack seiner Kräuter und Rüben optimiert, und das führt manchmal zu fast schon didaktisch strengen Vorführungen wie dem Gang „Gemüse – Textur und Bouillon“, der nichts tut, als etwa 15 verschiedene Gemüse in unterschiedlichen Zuständen herauszustellen, gekocht in Mineralwasser und Olivenöl, ein paar auch getrocknet; dazu gibt es eine Tasse tiefgründigste Consommé. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass hier so gut wie überhaupt nicht mit den fragwürdigen Mitteln der „Molekularküche“ gearbeitet wird; auch ethisch bedenkliche Tierprodukte wie Stopfleber oder Thunfisch gibt es nicht mehr.

Die süffigen Gemüsekombinationen, die mich hier am meisten begeistern, sind etwas komplizierter aufgebaut. Quinoa beispielsweise, zum Teil knusprig geröstet, mit eingelegten Gurken und Zucchini, eingefasst von marinierten Kräutern und Akzenten von brauner Butter und Aprikosenkernöl. Eine zitronige Konfitüre von Patissons bildet die Basis für Neuseeland- sowie Malabarspinat mit Traubenkernöl, leicht gesüßt durch Karottencreme und Karottenconfit. Oder der „Szegediner Kohl“, ein knuspriges, dicht mit süßem Paprika bestäubtes Kohlblatt mit einer kleinen gefüllten Kohlroulade, gegrillter Zwiebel und Klecksen von Schafsmilch, Lauch-Gel und Paprikacreme. Und ...

Es spricht vermutlich für die Qualität dieser Küche, dass das andere Menü mit Fisch und Krustentieren sowie einem optionalen Fleischgang keine Steigerung bietet. Anders als in „normalen“ Restaurants, deren Gemüsegänge immer nach weggelassenem Fleisch aussehen, wirken die Fischgänge hier oft wie Gemüse mit Hinzufügungen – dann gibt es zu den „Texturen“ einfach noch einen Streifen St.Pierre, der nichts weiter bringt, vermutlich auch, weil er in der supersanften Sous-vide-Garung keinen eigenen Charakter, keine Röstnoten entwickelt.

Ähnlich verhielt es sich beim Steinköhlerfilet, in Gewürzöl pochiert, das in einer wunderbaren Begleitung von gedünsteten Rüben, Mangold und Melde kam. Selbst beim Filet vom Müritz-Lamm, das nach der Niedertemperaturgarung angeblich angebraten sein sollte, war davon wenig zu merken, abgesehen von einem dezenten Thymianjus. Dazu: marinierte Wassermelone mit Sardinen, Neuseelandspinat, ein Stück gegrillte Patisson. Balance, Würzung, alles optimal.

Das ist natürlich teuer. Hoffmann hat, wenn ich mich recht erinnere, sein Konzept umgestellt und verlangt nun für sieben Gänge – à la carte wird nicht angeboten – beim Gemüse 125, sonst 165 Euro. Ich habe keinen Zweifel, dass das durch den Aufwand gerechtfertigt ist. Aber es muss natürlich jeder selbst wissen, ob ihm ein solches Essen pro Person 200 Euro (und leicht viel mehr) wert ist.

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