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Flut in Russland: Russische Behörden räumen Fehler ein

Russland wird von der schlimmsten Flut seiner jüngeren Geschichte heimgesucht. Hat Behördenversagen alles verschlimmert? Zunächst wurden alle Vorwürfe zurückgewiesen, doch jetzt bewegt sich der Zivilschutzminister offenbar.

Braune Schlammbrühe, die wie ein reißender Fluss durch die Straßen schießt, riesige Brocken mit sich reißt, Autos und sogar kleinere Laster. Das sind die Bilder, die das russische Fernsehen dieser Tage sendet. Sie zeigen eine der schlimmsten Flutkatastrophen in der jüngeren Geschichte Russlands, Wassermassen in der Schwarzmeerregion Krasnodar. Mehr als 170 Menschen starben in den Fluten, wie die Behörden am Abend bekannt gaben, über 12.000 wurden obdachlos.

Es war Freitagabend, als – in der Region um diese Jahreszeit höchst ungewöhnlich – heftiger Dauerregen einsetzte. In der Nacht fiel in wenigen Stunden so viel Regen wie gewöhnlich in zwei Monaten. Das Wasser im Kuban – er entspringt im Nordwestkaukasus und mündet in das Asowsche Meer, ein Randgewässer des Schwarzen Meeres – stieg rasant, trat über die Ufer, unterspülte Straßen und ließ in den Bergen Schlammlawinen zu Tal rutschen. Von der Zerstörung sind vor allem drei Landkreise betroffen und auch die Stadt Noworossijsk mit Russlands größtem Schwarzmeerhafen. Die Öl- und Getreideverschiffung wurde zeitweilig unterbrochen. In Noworossijsk wurden zwei Tote gefunden, neun weitere im Badeort Gelendschik.

Bildergalerie: Flut in Russland

Am schlimmsten aber erwischte es die 60.000 Einwohner zählende Stadt Krymsk, durch die eine große Flutwelle rollte. Dort verschwand nach Meldungen der Nachrichtenagentur Ria Nowosti bereits ein Drittel der Häuser in den Wassermassen. Im Regionalfernsehen dagegen hieß es, nahezu die gesamte Stadt sei zerstört worden. Zwar flüchteten sich viele auf die Balkons der höheren Etagen, wo sie später von Rettungsmannschaften mit Schlauchbooten erreicht wurden. Alte und Behinderte waren damit jedoch hoffnungslos überfordert, mehrere Opfer starben daher nicht durch die Flut, sondern durch Angst und Stress. Nach offiziellen Angaben wurden in Krymsk bis Sonntag 139 Leichen geborgen, darunter ein einjähriges und ein zehn Jahre altes Kind. Nach Angaben des Katastrophenschutzministeriums waren am Sonntag weiterhin knapp 29.000 Menschen ohne Strom.

"Es sind Fehler gemacht worden"

Weil die Flutwelle in der Nacht zu Samstag kam, überraschte sie die Menschen im Schlaf. Damit erklärt das Ministerium für Katastrophenschutz die hohen Opferzahlen. Kritik von Bloggern und unabhängigen Onlinemedien, wonach die Bewohner des Katastrophengebiets zu spät gewarnt wurden, wies eine Sprecherin der Behörde zunächst als unbegründet zurück. Als „Unsinn“ bezeichnete ein hochrangiger Beamter der regionalen Verwaltung des russischen Innenministeriums auch Internetmeldungen, wonach die Flutwelle vor allem durch Ablassen von Wasser aus einer Staustufe des Kuban verursacht wurde, weil der Druck der Wassermassen auf die Staumauer zu groß wurde. Ersten Ermittlungen zufolge wurde jedoch Wasser abgelassen, und es ist nicht auszuschließen, dass dies zur Katastrophe beitrug. „Über einen Zeitraum von 13 Stunden wurden wiederholt in automatisierter Form begrenzte Mengen Wasser abgelassen“, sagte ein Sprecher der regionalen Ermittler, Iwan Sengerow.

Video: Trauer und Wut nach der Flut

Mittlerweile haben die Behörden Fehler eingeräumt. Die Bevölkerung sei vor der nahenden Gefahr nicht in vollem Umfang und wie vorgeschrieben alarmiert worden. Das sagte der russische Zivilschutzminister Wladimir Putschkow am Montag nach Angaben der Agentur Interfax. „Seitens der Leiter vor Ort sowie der Dienststellen sind Fehler gemacht worden“, sagte Putschkow.

Präsident Wladimir Putin, der das Gebiet am Samstag besuchte, kündigte eine Untersuchung an. Die russische Generalstaatsanwaltschaft geht den Vorwürfen nach. Ein Ende der Regenfälle ist derweil nicht abzusehen. Putin, dessen Sommerresidenz 200 Kilometer südlich der Unglücksregion nahe der Schwarzmeerstadt Sotschi liegt, flog mit einem Hubschrauber über die Unglücksregion und verglich die Überschwemmungen mit einem „Tsunami“. Er versprach den Betroffenen neue Häuser und finanzielle Unterstützung. Der Kreml veröffentlichte am Sonntag im Internet Aufnahmen aus einer Krisensitzung örtlicher Verantwortlicher, an der Putin am Samstagabend teilnahm. Dabei befragte er den Bürgermeister von Krimsk, Wassili Krutko, in strengem Ton. Krutko berichtete, er habe am Freitagabend um 22 Uhr eine erste Warnung erhalten. Die Bevölkerung sei im Fernsehen gewarnt worden. Bewohner der Unglücksregion berichteten dagegen, sie seien nicht gewarnt worden.

(mit AFP/rtr)

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