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Gesundheit: Archäologie: Den Palast der Mongolen-Khans per Magnetometer gefunden

Sicher, auf Schaufel und Pinsel können die Archäologen auch im dritten Jahrtausend nicht verzichten. Doch sind sie bei ihrer Suche nach den Spuren der Vergangenheit nicht allein - die Naturwissenschaften helfen ihnen beim Aufspüren und Interpretieren der Funde.

Sicher, auf Schaufel und Pinsel können die Archäologen auch im dritten Jahrtausend nicht verzichten. Doch sind sie bei ihrer Suche nach den Spuren der Vergangenheit nicht allein - die Naturwissenschaften helfen ihnen beim Aufspüren und Interpretieren der Funde.

"Aus den frühen Epochen der menschlichen Geschichte gibt es oft keine schriftlichen Zeugnisse. Das Einzige, was zu uns sprechen kann, sind die Artefakte selbst", sagte der Bonner Physiker Hans Mommsen bei einem Vortrag im Berliner Magnus-Haus. Also muss die wissenschaftliche Auswertung aus den Fundstücken so viele Informationen wie möglich herausholen, eben auch mit Unterstützung der exakten Wissenschaften. Entsprechend heißt dieser verbindende Wissenschaftszweig für Geistes- und Naturwissenschaften Archäometrie.

Ein Arbeitsgebiet der Archäometer ist die Prospektion, die Sondierung von archäologischen Stätten, bevor die eigentlichen Grabungen beginnen. Dazu werden die geophysikalischen Techniken angewandt, mit denen man schon seit Jahrzehnten nach Erdöl- oder Erdgaslagerstätten fahndet. Die Wissenschaftler messen winzige Störungen im Erdmagnetfeld, die von festen Strukturen oder auch Hohlräumen stammen können.

Mit dieser Methode entdeckten Bayerische Geophysiker zum Beispiel vor wenigen Wochen innerstädtische Wasserkanäle in der altmesopotamischen Ruinenstadt Uruk. Und Archäometer von der Universität Bonn untersuchten vor zwei Jahren in Karakorum die Erde, die im Laufe der Zeit die ehemalige Hauptstadt des mongolischen Weltreiches aus dem 13. Jahrhundert zudeckte. Die Geophysiker schoben monatelang einen nur aus Holz und Plastik gebauten Wagen mit dem Magnetometer - Metallteile hätte das empfindliche Gerät gestört - über das 27 Hektar große Areal unweit der mongolischen Metropole Ulan-Bator.

Heraus kam dabei ein bis zu zwei Meter tiefer Blick unter die Erdoberfläche, der Strukturen von Gebäudefundamenten und Backteinmauerresten offenbarte. Eine Überraschung, glaubte man doch, dass die Hauptstadt des Dschingis-Khan und seiner Nachfolger zum größten Teil aus Jurten, den typischen Nomadenzelten der Mongolen, bestanden hatte. "Der Sohn des Khans umgab 1235 die Stadt mit einer Backsteinmauer und ließ sich einen steinernen Palast errichten", sagte Mommsen.

Mit solchen Messergebnissen können die Archäologen ihre Grabungen viel besser planen und die Spaten an den Stellen ansetzen, die tatsächlich Erfolg versprechen. So fand man unter anderem Ziegelbrennöfen aus dem 13. Jahrhundert - der Beweis, dass an dieser Stelle gemauerte Häuser standen. "Die Archäologen haben exakt an den Stellen gegraben, die wir empfohlen haben", sagte Mommsen.

Die Naturwissenschaftler ersparen ihren grabenden Kollegen so eine Menge unnötiger Arbeit, doch unter der Erde nachschauen müssen diese trotzdem. Denn der Blick der Magnetometer kann Hinweise liefern, keine Ergebnisse. Bei der Erforschung der Ruinen von Troja kam auch ein Magnetometer zum Einsatz. Man fand unter der Erde einen Streifen, den die Wissenschaftler als Reste der trojanischen Stadtmauer interpretierten. Doch die anschließende Grabung zeigte, dass das keine Mauer war, sondern ein Graben. So kann man sich irren. Die Archäologen haben also nach wie vor bei der Interpretation der Funde das letzte Wort, kein Physiker kann ihnen das abnehmen.

Antike Scherben im Neutronenbeschuss

Mommsens Lieblingsprojekt ist die Herkunftsbestimmung von Keramiken aus Mykene, einem der frühesten griechischen Staaten aus dem 14. und 13. vorchristlichen Jahrhundert. Auch solche Analysen sind ein Aufgabengebiet der Archäometrie. "Die Töpfer haben ihren Ton häufig jahrelang immer nach dem gleichen Rezept zusammengerührt, ihm bestimmte Zusatzstoffe beigemengt, mit denen die Handwerker das beste Brennergebnis erreichten." Wenn man diese Zusammensetzung kennt, kann man recht genau zuordnen, aus welcher Töpferei jetzt gefundene Gefäße oder Scherben stammen. Damit ist es möglich, Handelsbeziehungen zu rekonstruieren, Exporttöpfereien aufzuspüren und das Einflussgebiet bestimmter Kulturkreise nachzuvollziehen.

Die Leidenschaft des Physikers für die Scherben hat weniger mit dem sprichwörtlichen Glück zu tun, als vielmehr mit der wissenschaftlichen Herausforderung. Mommsen und seine Bonner Kollegen haben eine Analysemethode entwickelt, die mindestens 20 bis 30 Elemente berücksichtigt. Der Messbereich geht dabei in die millionstel Gramm.

Die Elementzusammensetzung ist wie der Fingerabdruck des Töpfers. "Je mehr Elemente man berücksichtigt, desto besser kann man die Keramikproben voneinander trennen." Und für diese Analysedaten der Tonmasse gilt das Gleiche, was für die Fingerabdruckdateien bei der Kripo gilt: "Nur wenn sie sehr umfangreich sind, besteht die Hoffnung, eine neue Probe zuordnen zu können", sagt Hans Mommsen. So gelang ihm unter anderem der Nachweis, dass in Mykene nur eine einzige Töpferei ihre Waren exportierte und dass im zeitgenössischen Troja fast ausschließlich Keramik aus lokaler Produktion verwendet wurde.

Das Werkzeug der Archäometer ist denkbar prosaisch: eine handelsübliche elektrische Bohrmaschine. Damit wird die Keramikprobe angebohrt, der Bohrstaub zu Pellets von einem Zentimeter Durchmesser zusammengepresst. Diese Pellets beschießen die Physiker in einem Forschungsreaktor mit Neutronenstrahlung und aktivieren so die enthaltenen Elemente. Nun erst ist die Analyse möglich. "Leider keine zerstörungsfreie Methode", bedauert Mommsen.

Kein Wunder, dass Museumsdirektoren bisher eher skeptisch waren, wenn Archäometer an ihren Exponaten herumbohren wollten. Deshalb bekamen Mommsen und seine Kollegen eher Scherben als wertvolle Gefäße in die Hände. Inzwischen ändert sich die Einstellung der Museen. Die Probenentnahme ist mittlerweile sehr behutsam und erfolgt an unauffälligen Stellen. Entscheidend aber ist die moderne Analysetechnik. Sie ist so exakt, dass nur noch eine einzige Probe gebraucht wird.

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