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Gesundheit: Der Rektor als Buhmann

In NRW entscheiden die Hochschulen selbst über Studiengebühren. Der Zorn richtet sich gegen die Unileitungen

Zu den beiden Themen, die seine Studenten derzeit am meisten bewegen, will der Rektor der Universität Bielefeld momentan nichts sagen. Seit Unbekannte Ende letzter Woche sein Auto angezündet haben, äußere sich Dieter Timmermann nicht mehr zur Brandserie, die die Uni Bielefeld erschüttert, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Der Rektor sage auch nichts mehr zu den Studiengebühren, die Erstsemester an seiner Uni ab Oktober zahlen sollen. Vor dem Anschlag auf das Auto des Rektors wurde, wie berichtet, bereits mehrmals in Toiletten der Hochschule Feuer gelegt. Auch an der Uni Münster hat es bereits gebrannt.

Ob die Brandanschläge tatsächlich von Gebührengegnern verübt wurden, ist unklar. Der Asta hat sich distanziert, der Prorektor spricht von „Straftaten, die von berechtigten Protesten gegen Gebühren zu trennen sind.“ Dennoch ist der Unifriede gestört – und zwar nicht nur in Bielefeld und Münster. An fast allen Hochschulen des größten Bundeslandes besetzen Studenten Rektoratszimmer und sprengen Sitzungen der Unigremien, seitdem feststeht, dass ab dem kommenden Semester Gebühren gezahlt werden.

Wenn der Protest sich jetzt gegen den Rektor und die Unigremien wendet und nicht gegen die Landesregierung, dann deshalb, weil Rüttgers den „schwarzen Peter“ geschickt an die Unis weiter geschoben hat, wie die Unileitungen beklagen. Sie sollen selber entscheiden, ob sie überhaupt Gebühren einführen – und wenn ja, in welcher Höhe. Bis zu 500 Euro sind erlaubt. Die Hochschulen dürfen für unterschiedliche Fächer auch unterschiedlich viel Geld fordern. Die anderen Bundesländer, die Gebühren einführen, zwingen dagegen die Unis, das Geld zu kassieren. Das Resultat: Während anderswo die Studenten gegen den Wissenschaftsminister demonstrieren, sind in Nordrhein-Westfalen die Rektoren die Buhmänner.

Sind die schweren Konflikte an den Unis in Nordrhein-Westfalen nun unvermeidbar? Möglicherweise hat die Unileitung in Bielefeld auch Fehler gemacht. Frank Ziegele vom Centrum für Hochschulentwicklung, das sich immer für Gebühren stark gemacht hat, glaubt, dass den Gegnern der Wind aus den Segeln genommen werden kann, wenn die Unileitungen die Studierenden stärker mit einbinden und schnell erste Verbesserungen durch Gebühren vorweisen können: „Hochschulen müssen den Studenten früh erklären, wie sich ihre Uni mit den Studiengebühren profilieren kann. “

Tatsächlich beklagen sich in Bielefeld die Studierendenvertreter, sie seien von der Unileitung ignoriert worden, als es um Vorschläge zur Verwendung der Beiträge ging. In der zuständigen Kommission hätten die Studierenden nur eine „Alibifunktion“ gehabt, sagt Asta-Sprecher Matthias Klenk. Von der – an sich öffentlichen – Sitzung des Akademischen Senats, auf der über die Einführung und Verwendung von Gebühren entschieden wurde, seien die Studenten ausgesperrt worden. Zwei studentische Mitglieder des Akademischen Senats hätten es nicht zur Sitzung geschafft, weil fünfzig Sicherheitsbeamte den Weg versperrten. Es sei nicht klar, wofür die Gebühren verwendet werden sollen.

Prorektor Gerhard Sagerer widerspricht: Die Studenten seien sehr wohl gehört worden, die Zusammenarbeit sei ausgesprochen „kooperativ“ gewesen. Was von den Gebühren finanziert wird, sollen die Fakultäten entscheiden. Dort könnten die Studenten ein entscheidendes Wort mitreden. Bald treffen sich beide Parteien vor Gericht. Der Asta will klären lassen, ob die Verabschiedung der Gebührensatzung gültig ist, obwohl die beiden Studentenvertreter nicht abstimmen konnten.

An anderen Unis scheinen trotz der Proteste die Fronten weniger verhärtet zu sein. In Bochum befragte die Unileitung bereits Ende 2005 die Studenten, wofür sie die Gebühren einsetzen würden. Eine Sitzung des Akademischen Senats wurde in den größten Hörsaal der Ruhruni verlegt, 1500 Studenten diskutierten mit dem Rektor. Die Uni Köln hat eine E-Mail-Adresse eingerichtet, an die Studenten Vorschläge schicken können, was sie verbessern wollen. In Bonn regelt die Gebührensatzung genau, was bezahlt werden soll: mehr Tutoren etwa oder mehr Zeitschriften für die Bibliotheken.

Einige Hochschulen nutzen bereits ihre Gebührenprogramme, um Studienanfänger zu werben. Düsseldorf und Duisburg/Essen versprechen, dass Anfänger das erste Semester kostenlos studieren dürfen. Die Fachhochschule Köln will neue, fächerübergeifende Kurse für Studienanfänger auf die Beine stellen. In Paderborn trommelt der Rektor bei der örtlichen Wirtschaft für einen Studienfonds, um Stipendienprogramme auflegen zu können. Das rangen ihm Studenten im Februar ab, nachdem sie 13 Tage lang sein Amtszimmer besetzt hatten. Der Studienfonds soll für alle Hochschulen in Ostwestfalen gelten, auch Bielefeld ist beteiligt.

Bielefeld wolle sich nun mit weiteren Gebührenermäßigungen profilieren, sagt Prorektor Sagerer. So sollen Studierende, die bereits jetzt eingeschrieben sind, weniger zahlen als die Studienanfänger.

Tatsächlich könnten die Programme helfen, die Akzeptanz von Studiengebühren zu erhöhen. Eines werden die Unileitungen wohl aber auch mit den besten Plänen nicht schaffen: den harten Kern der Gebührengegner in den Asten, die seit Jahren gegen die Beiträge protestieren, vom Gegenteil zu überzeugen.

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