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Gesundheit: Der Student als Kunde

Ein neues Portal will Kritik an Unigebühren bündeln – soziale Fragen sollen dabei aber nicht behandelt werden

Studiengebühren in Deutschland haben ein wachsendes Imageproblem. Denn die Politiker haben alle einst gegebenen Versprechen gebrochen. In keinem der fünf Länder, die Gebühren bereits eingeführt haben, gibt es nachgelagerte Gebühren. Gezahlt wird nicht erst nach dem Studium, sondern sofort. Die Studierenden müssen also Kredite aufnehmen, für die die Zinsen ständig steigen. Neue Stipendien in nennenswerter Zahl sind nicht in Sicht. Zuletzt erregten Recherchen des Tagesspiegels Aufsehen, wonach mehrere Hochschulen Gebühren zweckentfremdet hatten, auch um sinkende Landeszuschüsse auszugleichen (Tagesspiegel vom 21. Februar).

Solche Entwicklungen sind auch aus Sicht leidenschaftlicher Gebührenbefürworter gefährlich, drohen sie doch, sämtliche Argumente für Gebühren zu entkräften. Gestern präsentierte nun die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) eine neue Umfrage und ein neues Internet-Portal. Dabei geht es allerdings nicht darum, wie gut die Gebühren sozial abgefedert sind. Viel mehr will der von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanzierte Think Tank wissen: „Was erwarten Studenten von Studiengebühren? Werden die Gelder aus ihrer Sicht richtig eingesetzt?“. Die INSM will die Studierenden „als zahlende Kunden ernst nehmen“ und Druck auf die Hochschulen ausüben, wie Max A. Höfer, Geschäftsführer der INSM, sagte.

Das Ergebnis der Emnid-Umfrage im Auftrag der INSM: Noch immer sind nur 33 Prozent der Studierenden für Gebühren, 67 Prozent lehnen sie ab. Allerdings glauben der Umfrage zufolge auch 62 Prozent aller Befragten, dass Gebühren die Ausbildung an den Hochschulen verbessern können. Im Moment können die meisten Studierenden (83 Prozent) aber nicht erkennen, dass ihre Hochschule die Gebühren verwendet, um eine bessere Studienqualität zu erreichen (befragt wurden in der Zeit vom 26. März bis zum 4. April 1000 Studierende aus den fünf Ländern, die Gebühren nehmen oder jetzt einführen). Die Studierenden fühlen sich von ihrer Hochschule über die Verwendung der Mittel nicht gut informiert (84 Prozent), sie wollen mehr Leistungen einfordern (77 Prozent) und fordern mehr Mitsprache beim Einsatz der Mittel (90 Prozent).

Eben dabei soll ihnen das neue Portal unicheck.de helfen. Auf einem Fragebogen sollen die Studierenden den Service und das Angebot ihrer Uni bewerten. Daraus soll sich schließlich ein Ranking ergeben. Drei studentische Redakteure sollen das Portal betreuen. Die Hochschulrektoren bekommen ihren Fragebogen von der INSM direkt zugeschickt. Wer nicht antwortet, wird von der INSM umso genauer beobachtet werden, kündigte ein Sprecher an. Kooperationspartner sind die sich ebenfalls uneingeschränkt zu Studiengebühren bekennende Financial Times Deutschland sowie das Magazin Unicum und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Weil nicht nur Studiengebühren ein Imageproblem haben, sondern auch die INSM, startet das Netzwerk – das aus Sicht seiner Kritiker für einen eisigen Neoliberalismus kämpft – eine PR-Kampagne. Dabei inszeniert es sich als Speerspitze des studentischen Unmuts gegen den Missbrauch von Gebühren – und bedient sich der Sprache der Linken. Bis auf die an Batman-Comics erinnernde schwarz- gelbe Farbgebung ist das Logo mit dem Megafon und der stilisierten Sonne von Aufrufen linker Asten kaum zu unterscheiden. Die Sterne zitieren das Symbol der russischen Oktoberrevolution. „Zeig der Uni deine Macht“, duzt die ISNM auf Plakaten, die gebieterische Studenten vor verängstigten Professoren zeigen. Die Werbung auf der Homepage ist Plakatmotiven der Arbeiterbewegung entlehnt. „Das Ganze ist ein geschickter Marketingtrick“, sagt Konstantin Bender vom „Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften“. Die INSM versuche die Gebühren, ein „unsoziales Steuerungsinstrument“ neu zu legitimieren. Matthias Kutsch, Bundesvorsitzender des RCDS, sieht in dem Portal hingegen ein „Beitrag zur Versachlichung der Debatte“.

Auffällig an der neuen Gebühren-Watch der INSM ist jedenfalls, dass sie sich für die Entwicklung der Studienkredite nicht zu interessieren scheint. Dabei haben die staatliche KfW-Bankengruppen und auch einige Landesbanken die Zinsen bei ihren Studienkrediten gerade erst wieder kräftig erhöht. Bei der KfW-Bankengruppe steigen die Zinsen für den Studienkredit jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten (siehe Grafiken). Studierende, die für ein zehnsemestriges Bachelor- und Masterstudium 650 Euro pro Monat aufnehmen und sich für die Rückzahlung 25 Jahre Zeit lassen, kommen inklusive Zinsen und Zinseszinsen jetzt auf fast 100 000 Euro Schulden. Das sind aufgrund der gestiegenen Zinsen bis zu 17 000 Euro mehr Schulden als noch beim Start des Kredits im vergangenen April. Das Programm habe sich „rasant entwickelt“, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) unlängst. Damit meinte sie allerdings die aus ihrer Sicht erfreulich vielen Studierenden, die ein Darlehen aufgenommen haben. Rund 20 000 haben nach Angaben der KfW inzwischen einen Kredit beantragt; allen Studenten sollen ihn unabhängig von ihrem Fach und dem Einkommen ihrer Eltern bekommen.

Die Zinsen und damit die Kosten steigen auch für die Studiengebühren-Kredite der Landesbanken. Diese Darlehen bieten die Landesbanken den Studierenden an, die nicht genug Geld haben, um ihre Gebühren sofort aus eigener Tasche zu bezahlen. In Niedersachsen, wo die Erstsemester seit dem Herbst Gebühren zahlen, ist der Zinssatz für die Gebührenkredite Anfang April von 5,69 Prozent auf 6,14 Prozent gestiegen. In Baden-Württemberg, wo Studierende ab diesem Frühjahr Gebühren zahlen sollen, kündigte Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) im letzten Jahr an, der Kredit solle mit „rund sechs Prozent“ verzinst werden. Jetzt, zu Semesterstart, liegt der Zinssatz bei 6,69 Prozent. Weil die Zinsen ständig steigen, können die Studierenden am Beginn ihres Studiums nicht absehen, wie hoch sie am Ende verschuldet sein werden.

In Australien und Großbritannien werden solche Darlehen allein mit der Inflationsrate verzinst, die derzeit in Deutschland unter zwei Prozent liegt. Hier vergibt allerdings – anders als in Deutschland – der Staat die Darlehen. Diese Lösung war den Politikern hierzulande zu riskant und zu teuer, sie setzen lieber auf die Banken. Die Geldinstitute beteuern zwar, „dass wir kein Geld mit den Studienkrediten verdienen wollen“, wie eine KfW-Sprecherin sagt. Verlieren wollten sie aber auch keins. Deshalb werde der Zinssatz halbjährlich der „Marktentwicklung“ angepasst. „Und der Trend bei den Zinsen geht weiter aufwärts“, sagt Ulf Krauss, Finanzanalyst bei der Helaba, der Landesbank Hessen-Thüringen. Studierende mit einem Kredit können sich also auf noch mehr Schulden gefasst machen.

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