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Gesundheit: Die Eliten gehören in die Massen-Uni

Exzellenz darf sich nicht von der Gesellschaft abschließen, sagt der Politologe Herfried Münkler

Deutschland geht es schlecht, und Schuld daran sind die Eliten. Diesen Eindruck kann gewinnen, wer der öffentlichen Diskussion folgt. Die Wirtschaftsbosse fahren Konzerne gegen die Wand, die Wissenschaftler sehen neben ihren amerikanischen Kollegen alt aus, die Sportler versagen bei der Fußball-Europameisterschaft und bei Olympia.

Braucht das Land also bessere Eliten? Braucht es überhaupt Eliten? Bisher war ihre Legitimität in einer demokratischen Gesellschaft stark umstritten, ihr Versagen vor und während zweier Weltkriege verstärkte die Distanz zum Elitegedanken hier zu Lande erheblich. Inzwischen fordert jedoch sogar die Sozialdemokratie Spitzen-Universitäten.

Diesen Wandel nimmt nun die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften unter die Lupe. Dort untersucht eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe auch, welche neuen Erwartungen an Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft gestellt werden und wie sie in die Gesellschaft integriert werden können. Wo schadet und wo nutzt der neue Ruf nach Elitenförderung der Gesellschaft, fragte der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler zum Auftakt einer Vorlesungsreihe, in der die Wissenschaftler in diesem Winter erste Ergebnisse präsentieren. Um den Zustand der deutschen Universitäten wird derzeit besonders heftig gestritten. Daran machte Münkler die Grenzen und Gefahren der deutschen Debatte um die klügsten Köpfe klar. Der Elite-Diskurs sei zwar ein deutlicher Krisenindikator. Ob er aber bereits zu Krisenbewältigungsstrategien geführt hat, zu neuen Wegen der Eliteförderung, bezweifelte Münkler. Mit „monomaner Hingabe“ beschäftigten sich die Deutschen fast ausschließlich mit Bildungszertifikaten und den Chancen ihres Erwerbs. Selbstdisziplin? Durchsetzungsfähigkeit? Teamfähigkeit? Alles Tugenden, auf die vielleicht amerikanische Spitzenuniversitäten Wert legen, die in Deutschland aber bisher keine Rolle spielen.

Das hat zwar historische Gründe: Ein Abschluss – wie das Abitur oder das Staatsexamen – ist für das Bildungsbürgertum seit dem 19. Jahrhundert der einzig kontrollierbare Zugang zu sozialem Aufstieg. Die neuen Studiengänge Bachelor und Master hingegen haben ihren Ort nicht mehr allein an den Universitäten. Auch private außeruniversitäre Einrichtungen können sie anbieten. Das aber leistet „Selbstabschließungstendenzen“ vor allem der wirtschaftlichen Elite Vorschub, warnte Münkler. Nicht ohne Grund investiere die Hertie-Stiftung lieber in eine Governance-School anstatt in eine staatliche Hochschule. Elitebildungseinrichtungen gehörten aber an die Massen-Uni. Konzepte dazu fehlten aber bisher: „Statt strategischem Denken sehe ich nur kleinliches Taktieren.“

Das neue Interesse an den Eliten birgt für die Universitäten weitere Risiken. In Zeiten schwindender Prosperität, so Münkler, wird Elite ausschließlich an ihrer Leistung gemessen – und nicht etwa daran, ob sie sich demokratisch legitimieren kann, indem sie auch benachteiligten Gruppen Zugang gewährt. Wissenschaftlicher Erfolg sei aber nicht so einfach messbar wie die Anzahl der Tore in einem Fußballspiel. Ein Wissenschaftler mag in seinem Teilgebiet von seinen Kollegen noch so anerkannt sein: Spricht ihm die Öffentlichkeit gesellschaftliche Relevanz oder internationale Reputation ab, könnte er das erste Opfer der nächsten Sparrunde sein. Die schärfere öffentliche Beobachtung kann allerdings auch eine Chance sein, sagte Münkler. Nämlich dann, wenn die Öffentlichkeit die Abwicklung eines Faches verhindert.

Am 2. Dezember spricht Paul B. Baltes über „Eine Wissenschaft der Weisheit“. Beginn 19 Uhr; Markgrafenstraße 38 (Berlin-Mitte).

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