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Gesundheit: ILA 2000: Klein-, Mikro- und Nano-Satelliten werden künftig die Raumfahrt prägen

Begonnen hat alles mit einem "piepsenden Fußball", der die westliche Welt unter politischen und technologischen Druck setzte: Sputnik, Oktober 1957. Von seinen Abmessungen und seinem Gewicht her (85 Kilogramm) könnte er der Großvater künftiger Satelliten sein, denn mittlerweile entstehen immer mehr kleine Spezialisten auf den Reißbrettern der Raumfahrt-Ingenieure.

Begonnen hat alles mit einem "piepsenden Fußball", der die westliche Welt unter politischen und technologischen Druck setzte: Sputnik, Oktober 1957. Von seinen Abmessungen und seinem Gewicht her (85 Kilogramm) könnte er der Großvater künftiger Satelliten sein, denn mittlerweile entstehen immer mehr kleine Spezialisten auf den Reißbrettern der Raumfahrt-Ingenieure. Die Zeiten, in denen alle künstlichen Erdtrabanten mindestens Kleinbusdimensionen hatten, sind vorbei.

Fast zehn Jahre ist es jetzt her, dass die TU Berlin und das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) vor allem für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses den ersten Satelliten mit Namen "Tubsat" mittels einer Ariane-Rakete in eine 800 Kilometer hohe polare Umlaufbahn schießen ließen. Nur 35 Kilo wog der Aluminiumwürfel, der auch für die Polar- und Meeresforschung genutzt wurde. 1995 folgte "Tubsat B". 50 Zentimeter war er groß und auch hauptsächlich von Studenten entwickelt worden. Eine russische Zyklon-Rakete transportierte ihn ins All. Tubsat-N und Tubsat-N1 waren die ersten Satelliten, die von einem U-Boot aus ins All geschossen wurden. Ein russisches Boot der Delfin-Klasse diente als Startrampe in der Barent-See.

Diese Missionen setzten vielleicht weniger Zeichen in wissenschaftlicher, sicherlich aber in politischer und vor allem in ökonomischer Hinsicht, denn sie deuteten in eine ganz neue Richtung von "Konversion", also von ziviler Nutzung militärischer Gerätschaften und Einrichtungen, die - zumal für die notorisch klamme russische Armee - von höchster Bedeutung war. Erst in jüngster Zeit trifft man Unterscheidungen zwischen Klein-Satelliten im Tonnenbereich, Mikro-Satelliten, deren untere Gewichtsgrenze etwa bei 50 Kilogramm zu ziehen wäre, und Nano-Satelliten, die nur ein paar Kilogramm wiegen.

Die Geschichte der Tubsats zeigt, in welche Richtung technologisch und kommerziell die Reise führt. Heute ist im kommerziellen wie auch immer mehr im wissenschaftlichen Satelliten-Einsatz das Preis-Leistungsverhältnis entscheidend. Götz Wange von der kürzlich gegründeten "Astrium", dem größten europäischen Raumfahrtunternehmen, welches deutsche, französische und britische Raumfahrt-Aktivitäten zusammenschließt, formuliert es salopp: Früher habe - besonders bei den Wissenschaftssatelliten - die Tendenz zur "eierlegenden Wollmilchsau" vorgeherrscht, zu Großgeräten also, die vom Ozonloch über die Messung von Wellenhöhen bis zum Temperaturaustausch alles mögliche untersuchen konnten. Beispiele für solche Schwergewichte sind die beiden ERS-Satelliten, die zweifellos eine Erfolgsstory der Erdbeobachtung mitgeschrieben haben. ENVISAT - der auf der ILA als Modell ausgestellt ist - sei "das letzte dieser Monster", so Wange. Über acht Tonnen Gewicht bringt der europäische Umweltbeobachter, der im kommenden Jahr starten soll, auf die Waage; circa 50 Instrumente hat er an Bord.

Solche Schwergewichte wird es im wissenschaftlichen Auftrag und mit öffentlicher Finanzierung sicherlich auch weiter geben. Parallel dazu aber boomt der Markt der kleineren Flugkörper, nicht zuletzt eben wegen eines breiten Angebotes an Trägern. Inder, Japaner und Chinesen gehören zwar derzeit noch nicht zu den gefährlichsten Konkurrenten der arrivierten Raumfahrt-Länder; gering schätzen dürfe man ihr Potenzial aber nicht, so Wange.

Je schwerer die Nutzlast, desto schwerer, größer und teurer das Transportmittel. Das bislang stärkste und größte Gerät war die Mondrakete Saturn-V mit einer Höhe von 110 Metern und einem Startgewicht von 2850 Tonnen. Sie konnte Nutzlasten von 150 Tonnen in die Erdumlaufbahn oder von 50 Tonnen zum Mond befördern. Auch das Space Shuttle mit seinen bulligen Triebwerken und dem Zusatztank kann immerhin noch 30 Tonnen Nutzlast in den Orbit transportieren. Beim Shuttle werden die Kosten bei realistischer Betrachtung auf deutlich über 30.000 Dollar pro transportiertem Kilogramm Nutzlast geschätzt. Allerdings - so Götz Wange - würden diese Preise durch Querverrechnungen auf etwa 20.000 Dollar gedrückt.

20.000 Dollar kostet es auch, ein Kilogramm Nutzlast mit einer Ariane-Rakete ins All zu schießen. Das neue "Flaggschiff" der Flotte, die Ariane-5, bringt Massen bis zu sieben Tonnen in den Orbit. Für knapp die Hälfte, also für Preise zwischen 7000 und 10.000 Dollar pro Kilogramm, sollen künftig Träger des Konsortiums Eurockot, an dem die Astrium sowie die russische Firma Khrunichev beteiligt sind, von Baikonur aus starten. Es handelt sich dabei um ausgediente russische Interkontinentalraketen.

Mit der russischen Raumfahrt arbeitet seit vielen Jahren die Münchner Firma Kayser-Threde zusammen. Besonders durch Missionen zur Raumstation MIR wurde das mittelständische Unternehmen bekannt. Sein Geschäftsführender Gesellschafter Rainer Klett sieht denn auch in der Miniaturisierung von Satelliten große Chancen. Derzeit habe die Firma ein Angebot an die ESA laufen, das ganze Schwärme von Nano-Satelliten zur Erdbeobachtung vorsehe, sagt er. Jeder von ihnen würde nur wenige Kilogramm wiegen. Auf der ILA zeigt die Firma den Prototypen eines Mikrosatelliten, dessen Clou sein Antrieb ist: ein 20 mal 20 Meter messendes Sonnensegel, welches den Photonendruck des Sonnenwindes nutzt. So ließe sich deutlich Gewicht sparen.

Auf Kleinsatelliten in Komponentenbauweise setzt die Astrium mit ihrem Flexbus-Konzept - unabhängig von den Großgeräten, die natürlich auch produziert werden. Das erste Flexbus-Exemplar soll im Juli gestartet werden und heißt "Champ"; es handelt sich um eine Erderkundungsmission unter der Leitung des Geo-Forschungszentrums Potsdam. Eine zweite, aus zwei Satelliten bestehende Mission zur Gravitationsforschung wird unter dem Namen "Grace" im Auftrag der NASA vorbereitet.

Attraktiv sind diese Satelliten nicht nur für solche wissenschaftlichen, sondern vor allem für kommerzielle Einsätze durch ihr ökonomisches Entwicklungskonzept. Es wird nicht mehr für jeden Zweck ein eigenes Fluggerät konzipiert. Vielmehr gestaltet man auf Grundlage einer gemeinsamen Plattform flexibel individuelle Lösungen. Es handelt sich dann um Mischungen von handelsüblichen, raumfahrtbewährten Bauteilen und missionsspezifischen, neuen Komponenten. So lässt sich Götz Wange zufolge preiswert und schnell arbeiten, denn bis zum Jahr 2006 rechnet man weltweit mit einem Bedarf von rund 1100 Satelliten im Bereich der sogenannten Breitband-Kommunikationsprogramme. Das entspricht einem Finanzvolumen von rund elf Milliarden Dollar. Zu diesen Projekten gehört auch Leo-1. Astrium hat gute Chancen, den Auftrag zur Entwicklung der benötigten 48 Kleinsatelliten zu erhalten, die im niedrigen Erdorbit moderne Kommunikationsdienste aller Art gewährleisten sollen.

So komfortabel sich die Informationswelt in den nächsten Jahrzehnten ausgestaltet, mit weltweit einsetzbaren Handys und mobilem Internet, so klar ist auch die Konsequenz: Die Verkleinerung und Vervielfachung fliegender Objekte im erdnahen Orbit vergrößert rapide das heute schon spürbare Problem des Weltraummülls. Je kleiner die Objekte sind, desto schwerer lassen sie sich verfolgen. So könnte es denn sein, dass sich die Raumfahrt-Ingenieure irgendwann über den preisgünstigen Schwarm von Nano-Satelliten freuen, die Astronauten ihn aber fürchten.

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