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Gesundheit: Positionen: Ohne Blick auf die Folgen

Nach einem Gesetzentwurf der zuständigen Bundesministerien für Wissenschaft und Inneres sollen Juniorprofessoren früher in den Beruf gelangen und selbstständig forschen. Damit glauben Politiker, den Stein der Weisen gefunden zu haben.

Nach einem Gesetzentwurf der zuständigen Bundesministerien für Wissenschaft und Inneres sollen Juniorprofessoren früher in den Beruf gelangen und selbstständig forschen. Damit glauben Politiker, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Die Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs sollen günstiger werden, der Überalterung des Lehrkörpers soll vorgebeugt, die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden.

Die Rechnung sieht folgendermaßen aus: das Abitur wird im Alter von 18/19 Jahren erworben, das Studium dauert fünf Jahre. Einschließlich des abzuleistenden Wehrdienstes ist der Beginn der Promotion mit 25/26 Jahren möglich; für diese werden drei Jahre angesetzt. Spätestens im Alter von 30 Jahren kann - bei entsprechender Qualifikation und der Existenz einer Stelle - die Juniorprofessur eingenommen werden. Diese ist auf sechs Jahre befristet. Nach Ablauf dieser Zeit - in der Modellrechnung im Alter von Mitte dreißig - entscheidet sich dann, ob eine Beschäftigung auf Lebenszeit erfolgt, abhängig von Qualifikation und Stellenplan.

Das alles hatten wir schon einmal - in der Form der Assistenz-Professur. In der Realität sah das so aus, dass die entscheidende Zäsur für die Betroffenen eintrat, wenn sie längst für eine Familie verantwortlich waren und eine Chance, eine der Ausbildung adäquate Beschäftigung außerhalb der Hochschule zu bekommen, in aller Regel so gut wie ausgeschlossen erschien. Die Folge war ein massiver Druck innerhalb der Universitäten, auf die Wissenschaftsminister und andere Politiker, durch Umwandlung der Zeitstellen in Dauerstellen die Situation zu entschärfen. Das geschah überall dort, wo man Assistenzprofessuren eingerichtet hatte. Nur solche Länder, die dem modischen Trend widerstanden hatten, blieben von dem Problem und der scheinbaren Lösung verschont.

Der Hinweis auf diese Erfahrungen wird nun in der neuerlichen Diskussion damit abgetan, dass durch die Straffung der einzelnen Abschnitte, vor allem durch den Wegfall der Habilitation, der kritische Zeitpunkt früher liege. Realistisch ist diese Betrachtung nicht. Mögen die Betroffenen mit Mitte dreißig vor einer entsprechenden Situation stehen - die persönlichen und sozialen Umstände werden nicht wesentlich anders sein als in den Vergleichsfällen der ehemaligen Assistenzprofessoren.

Bedeutet diese Kritik etwa, dass man jeden Versuch unterlassen sollte, an den Qualifikationsstufen für Professoren etwas zu ändern? Keineswegs. Nur müssen Modelle stets auf ihre Umsetzbarkeit und ihre Wirkungen überprüft werden. Daran mangelt es in diesem Fall ebenso wie bei den Vorschlägen, die Professoren mehr als bisher nach Leistung zu vergüten.

Solange man nur eine Gruppe von Bediensteten im öffentlichen Sektor aus dem allgemeinen Regelwerk herausnimmt, riskiert man Folgen, die vorhersehbar sind, aber offenbar von den Befürwortern von Änderungen nicht wahrgenommen werden wollen. Bei der Vergütung der Professoren nach Leistung ist die entscheidende Schwachstelle, dass nicht gesagt wird, wer die Entscheidung im Einzelfall trifft. Den Ländern soll es überlassen bleiben, die Leistungskriterien zu bestimmen. Den Ländern bleibt es ebenso überlassen, wer die Entscheidung über Zulagen letztlich trifft. So fällt es insbesondere dem Hochschulverband leicht, gegen die Vorschläge zu polemisieren, kann doch das Schreckgespenst bemüht werden, dass womöglich die Universitätspräsidenten über mehr oder weniger Einkommen von Professoren entscheiden könnten.

Wird der Juniorprofessur auf Zeit angestellt, wird der Vergleich zu anderen Lebensbereichen verkannt. Solange im öffentlichen Dienst grundsätzlich die Lebenszeitstellung bereits mit der Übertragung einer Beamten- oder Angestelltenstelle in der Eingangsbesoldung erfolgt, (also nach der Modellrechnung in der zweiten Hälfte der zwanziger) wird das Risiko für Ausnahmen - im Nachhinein - als nicht hinnehmbar angesehen werden. Der Hinweis, sie hätten eine Chance gehabt, die naturgemäß auch ein Risiko bedeutet habe, wird nicht verfangen. Diejenigen, denen es mit Mitte dreißig nicht gelingt, eine Dauerstelle zu erhalten, werden erneut ihre (politische) Lobby finden, die erfolgreich ihre Überleitung in welche Art von Stellen auch immer erfolgreich betreibt.

Man muss sich solcher Entwicklungen bewusst sein. Wenn dann in Kenntnis wahrscheinlich eintretender Folgen Entscheidungen getroffen werden, mag dies politisch für die Verantwortlichen durchaus vertretbar sein. Sie persönlich werden es ja in den meisten Fällen nicht mehr auszubügeln haben.

Wenn sowohl an den Qualifikationsstufen auf dem Weg zur Professur wie auch an der Besoldung der Professoren etwas geändert werden soll, kann dies erfolgreich nur dann geschehen, wenn die Zusammenhänge mit anderen Lebensbereichen berücksichtigt werden. Eine Reform des öffentlichen Dienstrechts sollte nur in toto angegangen werden. Der Einwand, man müsse an einer Stelle beginnen, weil das Gesamtgefüge zu schwerfällig sei, nimmt bewusst in Kauf, dass auf diese Weise Ungleichgewichte und Verzerrungen entstehen. Die im Vergleich zu anderen öffentlichen Bereichen strengeren und risikoreicheren Regelungen können abschrecken und dazu führen, daß potenzielle Kandidaten andere Möglichkeiten wahrnehmen.

Regeln für die Hochschulen sind einerseits komplex, andererseits sind die Hochschulen Teil eines Gesamtgefüges. Die isolierte Lösung von Einzelfragen birgt mehr Risiken als Vorteile.

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