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Ein leerer Stuhl: Bischof Williamson blieb dem Prozess fern.

© dpa

Holocaustverleugnung: 10.000 Euro Strafe für Piusbruder Williamson

Der Prozess wegen Volksverhetzung gegen den britischen Piusbruder Bischof Richard Williamson findet vor vielen Anhängern statt.

Ein würdiger Mann. Mit Manieren. Der die Wahrheit liebt und sagt, was er denkt. Einer, der beeindruckt. Das hört man, hinten im Saal, in den Pausen, wenn die Zuschauer reden. Eine Handvoll Verehrer von Piusbruder Bischof Richard Williamson ist am Freitag ins Regensburger Amtsgericht gekommen, um ihm im Prozess wegen Volksverhetzung beizustehen. Ein deutsch-britisches Gemisch, gut gekleidet, vornehm im Ausdruck, angeführt von der mehrfach wegen Holocaustverleugnung verurteilten Ursula Haverbeck. „Der sieht ja aus wie ein Jude“, zischt es, als Williamsons Rechtsanwalt Matthias Loßmann auftritt. „Aber Williamson sagt, persönlich kann er gut mit ihm.“ Gekicher.

Man spricht vom hässlichen Nationalsozialismus, dem mit Fackeln und Uniformen, und vom guten, dem mit den schlauen Theorien über Volk und Identität. Man brüstet sich mit seinen Kontakten zum Bischof, räsoniert über die deutsche „Meinungsdiktatur“, schwärmt vom Ober-Holocaustleugner Ernst Zündel, seinen Briefen, Treffen mit ihm. „Williamson hat den Holocaust nicht geleugnet. Der hat gar nicht stattgefunden“, sagt eine Frau, als der Prozess weitergeht. Alles unter dem Kreuz der Christenheit, das metergroß die Saalwand schmückt.

Menschen, die so denken wie Williamson, sind gekommen. Er selbst ist ferngeblieben. Die Piusbrüder hatten es ihm von ganz oben herab verboten. Und auch die Zeugen aus Schweden sind nicht gekommen, die TV-Journalisten, die ihn interviewten, Ende 2008 im Kloster Zaitzkofen im Bistum Regensburg. Sie wollten nicht, und Schwedens Justiz half nicht. Das Land ist stolz darauf, dass jeder sagen darf, was er will. Man hat kein Verständnis, dass einer deswegen vor Gericht kommt. Nicht einmal, wenn er so etwas sagt: „Ich glaube, es gab keine Gaskammern (…) Ich glaube, dass zwei- oder dreihunderttausend Juden in Nazi-Konzentrationslagern umkamen, aber nicht so (…), dass keiner davon durch Gaskammern umkam“.

Williamsons Worte gingen im Januar 2009 um die Welt, dank Youtube. Als dann auch noch der „Spiegel“ darüber berichtete, weil der schwedische Fernsehsender dem Nachrichtenmagazin das Material anbot, stürzte das die katholische Kirche in eine ihrer größten Krisen der vergangenen Jahre. Denn just zu dem Zeitpunkt, als die Holocaust-Leugnung von Bischof Williamson bekannt wurde, hatte Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation der vier Bischöfe der auch innerkirchlich höchst umstrittenen Piusbruderschaft teilweise aufgehoben. Der Papst versöhnt sich mit einem Holocaust-Leugner? Der Skandal war perfekt. Sogar Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein und kritisierte den Papst für diesen Schritt.

Der Papst habe nichts von der Holocaust-Leugnung gewusst, hieß es im Vatikan. Und wenn, dann hätte es an der Rücknahme der Exkommunikation wohl nichts geändert. Denn die Existenz der Gaskammern öffentlich zu leugnen, so erklärte es der Vatikan in den Monaten danach immer wieder, das ist zwar in Deutschland ein Straftatbestand. Für das Kirchenrecht ist es irrelevant – ob einer Bischof wird oder nicht, hängt davon ab, wie fromm und strebsam einer ist, aber nicht von seiner Einstellung zur Geschichte. Der Weltöffentlichkeit, von der Papst Benedikt XVI. sowieso annimmt, dass sie ihm feindlich gegenüber steht, war das freilich schwer zu vermitteln. Gerade von einem Deutschen auf dem Papst-Stuhl hatten viele eine deutliche Distanzierung oder am besten den erneuten Ausschluss von Williamson erwartet. Der Papst erklärte zwar, dass er selbst niemals die Existenz von Gaskammern in Frage stellen würde, doch Williamson verblieb im Schoß der katholischen Kirche. Derzeit verhandelt der Vatikan mit der Piusbruderschaft, wie die Gemeinschaft wieder ganz und gar in die Kirche aufgenommen werden könnte.

Dass Williamson in Regensburg vor Gericht steht, ausgerechnet am 83. Geburtstag des Papstes, freute die Piusbrüder gar nicht, schließlich bringt das neue negative Schlagzeilen, wieder würden sie mit der Holocaust-Leugnung und mit der rechten Szene in Verbindung gebracht werden. Man verbot Williamson den Auftritt vor Gericht. Seine Fans hätte man auch gerne verhindert, aber das ging nicht. „Braun und schwarz sind zwei verschiedene Farben“, sagt einer der Jüngeren aus den Führungskreisen, der daran arbeitet, dass die Bruderschaft die rechten Ränder kappt und als schwarze, also konservative, aber eben nicht braune Gruppierung salonfähig wird. Um zu zeigen, dass man sich von Williamson distanziert, übernahm das Mandat auch nicht der sonst für die Bruderschaft tätige Dresdner Anwalt Maximilian Krah. Man übertrug das Mandat dem unabhängigen Coburger Anwalt Matthias Loßmann, einem Grünen, der unverdächtig ist, Williamsons Gedanken zu teilen.

Anwalt Loßmann hat denn auch eine Erklärung seines Mandanten in den Gerichtssaal mitgebracht. Bevor er sie verliest, betont Loßmann, dass er die Aussagen Williamsons nicht teile. Doch strafrechtlich halte er ihn für unschuldig. „Mir wurde nicht mitgeteilt, dass das Interview außer im TV noch woanders ausgestrahlt wird“, liest Loßmann die Worte seines Mandanten Williamson. „Unglücklicherweise offenbarte ich meine Zweifel an der Version der Historiker“, liest er. „Ich habe nach dem Interview gewarnt, dass mir für diese Äußerungen in Deutschland Strafverfolgung droht“. Tatsächlich sagte Williamson noch am Ende des Gesprächs: „Man bringt mich ins Gefängnis, wenn jetzt jemand vom deutschen Staat hier wäre.“ Maximilian Krah, Anwalt der Piusbrüder in Dresden, bezeugt vor Gericht, dass Williamson sofort um sein Verhängnis gewusst habe, als er ihn über die ersten Presseberichten informierte.

Von den schwedischen TV-Journalisten, die das Interview geführt haben, gibt es nur Schriftliches. Sie betonen, Williamson keine Zusagen gemacht zu haben. Er habe auch keine Forderungen gestellt. „Ein journalistischer Coup“, sagt Loßmann. Fast eine Stunde hatte man vorher über die Weihe eines schwedischen Priesters gesprochen. Dann plötzlich, unvorbereitet, die Fragen zum Holocaust. „Ich wollte auf keinen Fall den öffentlichen Frieden in Deutschland stören“, beteuert der Bischof in seiner Erklärung. Und nur genau darum geht es im Prozess. „Williamson hat damit gerechnet, dass seine Worte ausgestrahlt werden“, sagt der Staatsanwalt. Er habe die Folgen billigend in Kauf genommen. Er habe um die Brisanz seiner Worte gewusst. Dass sie die eigentliche journalistische Sensation waren, nicht die Priesterweihe. Er fordert 120 Tagessätze zu 100 Euro.

Anwalt Loßmann sagt, man dürfe Williamson das Medienecho nicht zurechnen. Es sei vor allem um den Papst gegangen und dessen umstrittene Aufhebung der Exkommunikation. Er will einen Freispruch. „Williamson sagt wirklich, was er denkt“, sagt Loßmann. Aber er hat erst am Ende des Gesprächs begriffen, was er da gesagt hat. Er habe gebeten, dass das Material nicht verwendet wird. „Aber er ist enttäuscht worden. Er ist in die Falle gegangen.“ Das Urteil beträgt 100 Tagessätze zu 100 Euro. Die Ermäßigung habe es gegeben, weil er, Maximilian Krah, der Anwalt der Piusbrüder, die Verbreitung des Interviews in Deutschland zu verhindern versucht habe, sagt Krah. Den Ausgang des Prozesses wollte die Piusbruderschaft am Freitag auf keinen Fall kommentieren, denn man habe damit „nichts zu tun“. Loßmann erwägt eine Berufung.

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