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Ian Schragers Apartmentplanung: Gute Nacht, Freunde

Die Ideen von Ian Schrager begannen dort, wo der Tag aufhört: Die glamourösen New Yorker drängelten in den 70ern in seinen Club "Studio 54“, später schliefen sie in seinen Hotels. Nun entwickelt er auch Apartments.

Als Ian Schrager auf die Idee kam, ein Hotel zu entwerfen, saß er gerade im Gefängnis. Suchte er etwas, wo er jederzeit wieder auschecken konnte? – Elegant ergraut, die Stimme ein nachlässiges Reiben, sitzt er in seinem ebenerdigen Büro im West Village, er mag Bodenhaftung. Unter seinem Blick zwei Sessel, eine Orchidee, Bücherstapel, Magazinausrisse. Hinter einer geschosshohen Glaswand beugt sich seine Assistentin im schnellen Takt der Anrufe über einen Telefonhörer.

Ian Schrager ist Spezialist darin, den New Yorkern und allen anderen Trendjägern ein Zuhause zu bieten. Als er jung war, hat er mit seinem Partner das „Studio 54“ gegründet, das ein paar wilde Jahre lang in den 70ern die weltweit eleganteste Adresse für Ausschweifungen war. Truman Capote kam häufig, Grace Jones kam nackt, die Mutter von Jimmy Carter kam – auch Andy Warhol, Liza Minelli, Frank Sinatra waren da. Ian Schrager ist jetzt 60. Seine Zielgruppe hat in den 70ern glamourös gefeiert. In den 80ern und 90ern hat sie in sagenhaften Hotels genächtigt, die er ebenfalls entworfen hat. Jetzt will sie nach Hause kommen. Und was tut Ian Schrager? Entwickelt mit den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron auch noch Wohnungen.

Ästhet und Hotel-Guru

Immer, wenn dieser Mann etwas Neues anfängt, sagen die Leute hinterher, er hätte das Genre neu erfunden. Das war beim „Studio 54“ so und bei den Hotels. Deshalb erwartet man nun mit den Apartments so viel von ihm.

Dass er im Gefängnis saß, hatte damit zu tun, dass er und sein Partner Steve Rubell die Einnahmen aus dem „Studio 54“ in schwarze Müllsäcke gesteckt und im Keller des Clubs aufbewahrt hatten. Dann vergaßen sie, Steuern zu zahlen. Als Schrager 1981 das Gefängnis als freier Mann verließ, wurde der Ästhet zum Hotel-Guru.

Es geht um Atmosphäre

Schrager, der findet, dass ein Hotel wie jedes gute Zuhause, „ein Gefühl von Wärme, Trost und Sicherheit“ erzeugen sollte, eröffnete 1982 das „Morgans“ an der Madison Avenue, nur ein paar Blocks von Grand Central Station. Es sollte persönlich wirken, und jeden Anschein von Institutionalisierung vermeiden. Tatsächlich revolutionierte das fast ständig ausgebuchte Haus die Hotellerie. Es gilt mit seinem konsequenten Stilwillen als erstes Design-Hotel. Danach kam die Epidemie Philippe Starck.

„Für mich war es eine logische Verlängerung derselben Sache – es ging um Atmosphären“. Nur, dass diese Atmosphäre sich damals im „Studio 54“ Nacht für Nacht aus den angetretenen Gästen neu finden musste. Weil Schrager und sein Partner nicht wollten, „dass nur Reiche andere Reiche angucken“, ist einmal auch ein Pferd am Türsteher vorbei gekommen – aber nicht die höhere Tochter, die im Sattel saß.

Ein privater Park für Hotelgäste

„Keine Zielgruppen, keine Marktstudie leitet mich, nur Gefühl,“ sagt Schrager. Mit dem Hotel gab es zum ersten Mal ein Produkt, das dieses Gefühl auslösen sollte: „ein Bett, eine Matratze, Handtücher“. Er kann nicht sagen, was genau dieses elektrisierende Gefühl jeweils hervorruft, aber er spürt, wenn es da ist. Es beschlich ihn im alten „Carlisle“ Hotel von New York „weil nur besondere Leute dort abgestiegen sind.“ Es kommt zu ihm im „Claridge's“ in London, „obwohl man da eine Krawatte tragen muss, um in die Lobby zu kommen – das ist natürlich lächerlich.“ Aber man merke sofort, an einem beseelten Ort zu sein. „Es ist im Grunde egal, wie es aussieht – es geht darum, wie es sich anfühlt.“

Im vergangenen Herbst eröffnete der Mann, den man schon einen Minimalisten genannt hatte, in New York ein Hotel, das der Künstler Julian Schnabel gestaltet hat, ganz klar ein Maximalist. Das besonders luxuriöse Gleichgewicht des „Gramercy Park Hotel“ äußert sich zum Beispiel darin, dass die monumentalen Kamine in Lobby und Bar Tag und Nacht brennen, zugleich aber die Klimaanlage die Räume auf eine angenehme Temperatur herunterkühlt. Wohltemperiert hängt Kunst, die für ein Museum reicht. Die schweren Samtsofas und Ledersessel sollten erscheinen wie ausschließlich für dieses Hotel gefertigt, wie in einer privaten Villa. Die Gäste bekommen einen Schlüssel, der ins Metalltor zum „Gramercy Park“ passt: New Yorks einziger privater Park.

Vom Anwalt zum Clubbesitzer

„Ins Hotel fließt meine Persönlichkeit, es ist eine Show, bei den Apartments muss ich einen Umschlag entwerfen, in dem die Bewohner aufgehoben sind.“ Deshalb sollen die Wohnungen im Gegensatz zu den Hotels nun zwar großzügig, aber zurückhaltend sein. Die Bewohner sollen Platz haben, ihr eigenes Stück aufzuführen.

Schrager hält es für seine größte Stärke, dass er seinen Instinkten rückhaltlos vertraut. Er war erst drei Jahre Rechtsanwalt, aber schon gelangweilt. „Ich wollte lieber Auftraggeber als Berater sein. Aber dafür brauchte man Geld.“ Das Nightclub-Business war „mein Eintritt in das ökonomische System“.

Der höchste Preis für einen Menschen ist die Privatssphäre

Danach mit anderen Häftlingen im Schlafsaal fiel ihm auf, dass man im Gefängnis genau das nicht ausleben kann, was den Menschen vom Tier unterscheidet: eigene Urteile und eigener Wille gelten nicht, keine Privatsphäre, man badet sogar auf Anweisung. „Das ist der höchste Preis, den ein Mensch zahlen kann.“ Die 13 Monate hielt er kaum aus. Danach ging es in seinem Leben vor allem darum, wie man individuelle Wünsche erfüllt.

Nicht, dass er selbst so viele hätte. Er kann jeden Tag wieder ein Steak und einen Salat essen. Er trägt unauffällige Kleidung und keinen Schmuck. Auf Reisen braucht er nur die Bilder von seinen Kindern und ein Handy. Er hat überhaupt erst seit zwei Jahren eines. Es klingelt jetzt unablässig.

Wohlstand weicht Geschmack

Denn die Erkenntnisse des gefallenen Juristen über die Attraktivität des Augenblicks waren in den letzten Jahren derart treffsicher, dass man heute in der „Rose Bar“ des „Gramercy Park Hotel“ nur noch mit Reservierung einen Platz bekommt, dass ganz New York nun auf die neuen Apartments, 40 Bond Street, zu warten scheint, und dass alle zuhören, wenn Schrager über Zeitgeist nachdenkt.

Jetzt, wo alles erreichbar ist, sagt Schrager, „muss man die Definition von Luxus ändern“. Es sind nicht mehr teure Materialien, nicht mehr der Marmor oder das Fell, sondern die Einheit, die ein einzelner Mensch daraus schaffen kann. Damit ist der ultimative Rohstoff die kostbare, weil endliche Ressource Mensch: Sie bleibt auch noch endlich, wenn das Konto unerschöpflich ist. „Es geht nicht mehr um Wohlstand, sondern um Geschmack.“

Mache nichts Alternatives oder Hippes, sondern Persönliches

Schrager ignoriert die Klagelaute des Faxgeräts. „Es ist unmöglich, underground zu sein, deshalb ist es unmöglich, hip zu sein“, denn ist nicht alles sofort öffentlich, per Internet? „Für mich war ’hip’ immer eine alternative Kultur. Jetzt ist es Mainstream.“ Aber es gibt eine Möglichkeit, sich von den andern zu unterscheiden: „Man sollte nicht versuchen, etwas Alternatives oder etwas Hippes zu machen, sondern etwas sehr Persönliches.“

Das Ergebnis ist dann nicht „wie etwas“, es ist spezifisch. Es geht darum, dass ein einziger Mensch eine Wahl getroffen hat, aus allem, was die Zivilisation an Überfluss hervorgebracht hat.

Als er merkte, wie wichtig das Persönliche ist, hat Schrager die Anteile an seinen Hotels verkauft. Er war zu groß geworden, er selbst drohte zu einer Institution zu werden. Er hat das legendäre „Morgans“ verkauft, das „Royalton“, das „Hudson“. Alles, bis auf das „Gramercy Park Hotel“. Er ist von Uptown nach Downtown Manhattan gezogen, wo die Proportionen kleiner sind, die Boulevards schmaler und der Handel kleinteiliger. Dann benannte er zwei Zimmer im Dachgarten des „Gramercy“ nach seinen Töchtern Sophia und Ava.

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