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Ungewöhnliche Strandkulisse. Das Wrack der Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio wird derzeit unter Wasser stabilisiert, damit es beim späteren Aufrichten und Abschleppen nicht weiter in die Tiefe des Meeres abrutschen kann.

© Maxi Rossi/Reuters

Kapitän der Costa Concordia vor Gericht: Wenn der Steuermann nichts versteht

In Italien beginnen die gerichtlichen Voruntersuchungen im Zusammenhang mit der Havarie des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" vor der Mittelmeerinsel Giglio, bei der mehr als 30 Menschen ums Leben kamen. Kapitän Schettino muss sich beim Prozess um die „Costa Concordia“ verantworten.

Es war an jenem Tag um 21.44 Uhr. Da machten sie auf der Kommandobrücke der „Costa Concordia“ noch Scherze. Der indonesische Steuermann, der weder die Bordsprache Italienisch noch das Englische genügend beherrschte, hatte wieder einmal eine dringende Anweisung des Kapitäns zur Kursänderung nicht verstanden. „Geh auf 350, nicht auf 340!“ musste ihm Francesco Schettino gleich zweimal zurufen: „Sonst fahren wir auf die Felsen!“ Und alle auf der Brücke lachten.

So hat es der Stimmen-Recorder der „Costa Concordia“ am 13. Januar festgehalten; die Sachverständigen des Gerichts schließen aus dem „entspannten Ton der Gespräche“, dass es „bis zu diesem Zeitpunkt auf der Brücke keinerlei Spannungen, Zweifel und Aufregungen hinsichtlich des waghalsigen Kurses“ gab; kein einziger Offizier habe Bedenken geäußert. Genau eine Minute nach dem Gelächter krachte die „Costa Concordia“ gegen die Klippen.

Das Material, das die Sachverständigen in monatelanger Arbeit aus der „Black Box“ des Kreuzfahrtschiffs gezogen und analysiert haben, wird die zentrale Rolle spielen, wenn am Montag im toskanischen Grosseto der Strafprozess um die Schuldfrage so richtig losgeht. Und Kapitän Francesco Schettino, der heute auf freiem Fuß bei seiner Familie in Kampanien lebt, will persönlich dabei sein. „Ich will meinen Kopf hinhalten“, sagt er. Vor allem aber will Schettino „sicherstellen, dass die Daten aus der Black Box gut interpretiert werden. Auf diese Weise können wir die Opfer ehren, denn so viele, alle von uns wollen wissen, was damals wirklich geschehen ist“.

Video: Unglücks-Kapitän vor Gericht

4229 Personen befanden sich an jenem Freitag, dem Dreizehnten, auf der „Costa Concordia“: 1023 Besatzungsmitglieder aus aller Herren Länder, 2954 erwachsene Touristen, 252 Kinder unter zwölf Jahren. Das hätten, rein rechtlich, die Hafenbehörden im mittelitalienischen Civitavecchia schon beim Auslaufen am Abend wissen müssen; die Listen aber, die von Bord kamen, waren in sich widersprüchlich. Damit, so sagen die Gerichtsgutachter in ihrem 270-seitigen Bericht, ging die Malaise schon los.

Die Mannschaft war nicht für Krisensituationen geschult

Kapitän Schettino muss sich beim Prozess um die „Costa Concordia“ verantworten.
Kapitän Schettino muss sich beim Prozess um die „Costa Concordia“ verantworten.

© AFP

Dann änderte Schettino, ohne jemanden zu informieren, die Fahrtrichtung und nahm Kurs auf die winzige Insel Giglio, um seinem Oberkellner eine Freude zu machen. Aber für die geplante Passage an der felsigen Küste entlang – auch noch bei völliger Dunkelheit – hatte das Schiff keine hinreichend genauen Seekarten dabei. Auf der Kommandobrücke tauchten mit Schettino, so die Gutachter weiter, Personen auf, die dort nichts zu suchen hatten und die – wie die Telefonate des Kapitäns – nur „ablenkend“ wirkten.

Technisch hatte das Schiff keine Mängel, was fehlte, war die Schulung der Mannschaft für Krisensituationen. Viele wussten nicht, an welchen Punkten sie was zu erledigen hatten; sprachliche Schwierigkeiten kamen hinzu; manche waren mit den Rettungseinrichtungen, die sie bedienen sollten, nicht vertraut gemacht worden. Von der Brücke kamen Anweisungen erst, als das Schiff schon mit schwerer Schlagseite auf Grund lag.

Und dann erfolgten die Anweisungen nicht, wie vorgeschrieben, vom Kapitän selbst. Schettino wusste, erklären die Gutachter, bereits eine Viertelstunde nach der Havarie, dass das Schiff nicht zu retten war. Trotzdem vertuschte er das Unglück vor den Sicherheitsbehörden – „es ist nur ein Stromausfall“. Die Passagiere, durften sich erst nach mehr als einer Stunde Zeitverlust in die Rettungsboote flüchten – er selber setzte sich schon um 0.34 Uhr ab, vier Stunden, bevor die letzten Passagiere das Schiff verlassen konnten. 32 Menschen starben bei diesem Unglück, unter ihnen zwölf Deutsche.

Video: Unglücks-Kapitän vor Gericht

Heute, neun Monate später, geht die Bergung des Wracks voran – auch wenn man von den Arbeiten selbst nichts sieht: Noch finden sie unter Wasser statt. Der mehr als fünfzig Meter lange Riss, den die messerscharfe Klippe dem Rumpf zugefügt hat, ist geschlossen. Im Felsenboden vor Giglio werden derzeit die Plattformen verankert und die Zementbetten aufgeschüttet, die das Wrack beim Aufrichten im späten Frühjahr 2013 stützen sollen. Landseitig bohren Spezialschiffe eine Serie von Pfählen in den Boden; an ihnen verankerte Drahtseile und Hydraulikheber sollen beim Aufrichten helfen. Die Arbeiten sind zwei Monate im Verzug, weil der Granitboden an manchen Bohrstellen nicht hinreichend stabil ist.

In einigen Wochen wird dann der Clou der Bergungsaktion angeliefert: die Stahlkästen, die dem Schiff beim Abschleppen als Schwimmreifen dienen sollen. Dann wird die Insel Giglio aufatmen. Den ganzen Sommer litt sie an den schaulustigen Tagestouristen, deren immens gestiegene Zahl zeitweise den Fährtransport zum Festland zusammenbrechen ließ. Wirtschaftlich – so klagen die Inselbewohner – hätten sie davon rein gar nichts gehabt; dafür sei ihnen ein Drittel der „richtigen“ Urlauber abhanden gekommen.

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