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Kirchensteuer: Heilige Harmonie

Wer aus der Kirche austritt, kann dies nicht auf die Kirchensteuer beschränken, hat der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof geurteilt. Worum geht es bei dem Streit?

Sie beginnt mit der Taufe und endet mit dem Tod. Die Kirchensteuer begleitet Millionen Christen in Deutschland durch ihr Leben wie ihr Glaube. Es sei denn, man tritt aus. Eine knapper förmlicher Akt; einer zahlt nicht mehr, der andere bekommt nichts mehr. Sonstige Folgen: Keine. Nur am 5. Juli 2007 war es anders, als der Freiburger Kirchenjurist Hartmut Zapp vor das Standesamt Staufen trat. Er bat um eine kleine Ergänzung, nur vier Worte. Aber möglicherweise genug, um ein in zweihundert Jahren gewachsenes System aus den Angeln zu heben.

Seit Dienstag ist klar, Zapp ist gescheitert. Jedenfalls vorerst. Die heilige deutsche Trias von Staat, Kirche und Steuer hat den – nach weltlichen Maßstäben – leicht ketzerisch wirkenden Vorstoß heil überstanden. Der Baden-Württemberger Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gab einer Berufungsklage des Erzbistums Freiburg statt, eine Revision wurde nicht zugelassen. Ob man Mitglied einer Kirche sein kann, ohne Kirchensteuer zu zahlen, sei eine „innerkirchliche Angelegenheit“, die im Falle der Katholiken nach kanonischem Recht zu beurteilen sei.

Der Fall Zapp soll jetzt nach Rom. Er wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die einträgliche, aber auch im Vatikan kritisch beäugte deutsche Harmonie von Staat und Kirche. Er stellt indirekt auch die Frage, wie zeit- und glaubensgemäß der Status von Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaft noch ist. Ein Thema, das auch im Kontext mit dem Islam rechtspolitisch aktuell ist.

Und genau darauf bezog sich Zapps Bitte vor dem Standesamt. Zapp erklärte seinen Austritt, wie alle es tun, nur eben bloß aus der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Mitglied der Kirche wollte er gerne bleiben, als gläubiger Katholik. Hätte sich der Jurist damit durchgesetzt, wäre den Kirchen de facto ein Platz in der zweiten Reihe zugewiesen worden. Sie könnten zwar weiter Steuern erheben, wären aber in der Organisation ihrer Mitglieder gestellt wie ein Privatverein; der amtliche Austritt hätte nur Steuerfolgen.

Die Kirchensteuer mit ihrem jährlichen Aufkommen von acht bis neun Milliarden Euro, beigetrieben von den Finanzämtern, ist weltweit ein Unikum. Sie entwickelte sich im 19. Jahrhundert, als die Städte wuchsen und der säkularisierende Staat entstand. Gedacht als Ausgleich für Besitzverlust und zugleich als Bestandsgarantie, gelangte sie 1919 in die Weimarer Reichsverfassung und von dort in das Grundgesetz. Kritik gab es immer. Weder Gewerkschaften noch Parteien stehen staatliche Zwangsmittel zur Seite, um sich ihr Geld bei Mitgliedern zu holen. Auch zahlen alle mit, weil Kirchensteuern ihrerseits als Sonderausgaben abziehbar sind. Andererseits leisten die Kirchen Sozialarbeit, die allen zugute kommt.

Insgesamt scheint es ein zufriedenes Miteinander zu sein, das theoretisch auch anderen Religionsgesellschaften offen steht. Wenn sie den Sprung in den Körperschaftsstatus schaffen, der allerlei Privilegien verleiht. Dafür müssen sie einigermaßen organisiert, beständig und rechtstreu sein, was laut Bundesverfassungsgericht schon schwierig wird, wenn man etwa die staatliche Neutralität und das Verbot der Staatskirche nicht genug achtet. Insgesamt keine leichte Aufgabe für den Islam in Deutschland. Daher wird diskutiert, ob die Hürden nicht doch zu hoch sind.

Hartmut Zapps Stoßrichtung war jedoch eine andere. Anders als den deutschen Bischöfen missfällt neben Zapp auch Papst Benedikt die Koppelung der Sakramente ans Geld. Nur die kirchliche Autorität habe den Abfall vom Glauben zu bestätigen, dekretierte er. Prompt hielten die hiesigen Geistlichen dagegen, für das Schisma bleibe zunächst das Standesamt zuständig. Es ist auch diese bischöfliche Weigerung, die päpstliche Direktive anzuerkennen, die Zapp ärgert. Der Papst weiß, dass in Deutschland ein komfortables Ausnahmeregime herrscht, das seiner Dogmatik zuwiderläuft. Gefällig blickt er auf Italien, wo man Geld freiwillig zuwendet; eine Gabe, keine Abgabe.

So könnten vielleicht Rom, der Gesetzgeber oder ein prosperierender Islam zu neuen Antworten auf Körperschafts- und Steuerfragen zwingen – nicht aber die Gerichte. Immerhin, eines hat es versucht. In erster Instanz hatte Zapp überraschend recht bekommen. Austrittserklärungen dürfen laut Kirchensteuergesetz keine „Zusätze“ enthalten. Zapps Hinweis sei gar kein „Zusatz“, erklärte das Verwaltungsgericht Freiburg, sondern bekräftige nur, was selbstverständlich sei.

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