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Modewoche Fashion Week

© dpa

Bread and Butter: Berlin ist zurück im Spiel um Mode und Marken

Sie ist wieder da. Die Bread & Butter ist nach Berlin zurückgekehrt, und nach dem ersten Tag der Messe sieht alles danach aus, als bekomme die Hauptstadt eine zweite Chance, zur Modemetropole zu werden. Denn der Flughafen Tempelhof gibt ihr eine ganz neue Verheißung: größer, moderner und jede Menge Spaß.

Sonnenbrillen in den Haaren, Fotokameras um den Hals, Sandalen an den Füßen und ein Rollkoffer im Schlepptau - am Flughafen Tempelhof erinnert an diesem Mittwochmorgen vieles an alte Zeiten, als die ersten Besucher der internationalen Modemesse Bread & Butter die Wartehalle füllen.

Alle Schalter in der Abfertigungshalle sind besetzt, in den Schlangen davor Besucher aus Italien, China oder der Türkei, die sich hier für die Messe registrieren. An den schwarzen Anzeigetafeln in der alten Flughafenhalle stehen heute keine Ankunfts- und Abflugszeiten in gelben Lettern, sondern die Namen der Zonen, in die die Messe eingeteilt ist: "Urban Superior", "Street Fashion" oder "Style Society" heißen diese Areale zum Beispiel - und die Besucher, die auf den als Passkontrolle inszenierten Einlass warten, wissen genau, was sich dahinter verbirgt: Spontaner Jubel bricht aus, als um Punkt zehn Uhr mit einem Gongschlag die Tore zur Messe geöffnet werden. Aus den Lautsprechern ertönt "Hells Bells" von AC/DC, und die Ersten, die Einlass bekommen, tanzen am Sicherheitspersonal vorbei.

Es ist offensichtlich: Wer heute hier ist - und fast alle Gäste sind beruflich auf der Messe - will Spaß. Ein Anspruch, den die Einkäufer großer Marken, Textilfabrikanten, Modejournalisten und Besitzer kleinerer Läden besonders an Berlin als Standort haben. "Viele andere Modemessen - auch bei uns in China - sind langweiliger, nicht so bunt wie die Bread & Butter", sagt Sun H., der an der Organisation der größten chinesischen Modemesse "Chic" in Peking mitarbeitet. Er ist allerdings auch der Überzeugung, dass sich diese Messe vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 25 richtet. "Auf der ,Chic' in Peking gibt es mehr Mode für Leute über 30", sagt Sun H., während er sich von seiner Begleiterin vor einem alten Militärfahrzeug aus DDR-Zeiten fotografieren lässt, das hier im Rahmen einer Ausstellung des Alliiertenmuseums gezeigt wird.

"Hidden Secrets" heißt die Ausstellung eigens zur Bread & Butter, die tatsächlich ziemlich versteckt ganz am Ende in der letzten Halle zu sehen ist. Viel erinnert hier nicht an die wichtige Rolle, die der Flughafen Tempelhof während der Berliner Luftbrücke nach dem Zweiten Weltkrieg spielte: ein alter Lautsprecherwagen des Senders Rias, von dem aus die West-Berliner Nachrichten erfuhren, als die sowjetische Militärverwaltung ihnen den Strom abknapste; ein Mercedes 280 GE, mit dem die Militärverbindungsmission bis 1990 durch die DDR fuhr, und ein Hubschrauber vom Typ UH-H1, mit dem die US-Armee damals die West-Berliner Exklave versorgte.

Doch die meisten der Besucher interessiert all das nicht so sehr - ihnen dienen die Militärfahrzeuge eher als coole Fotokulisse denn als Zeugnis deutsch-deutscher Geschichte. "Gerade der Vintage-Look und die Jeans-Kollektionen passen sehr gut in diese Kulisse", sagt Hilmi Tosun, Textilverkäufer aus Istanbul. Er versorgt vor allem Jeansmarken mit Denim-Stoffen. "Ich bin vor allem hier, um meine Kontakte zu pflegen", sagt er.   Der Türke war bereits fünf Mal auf der Bread & Butter in Berlin und auch ein paar Mal in Barcelona, wo die Messe in den vergangenen drei Jahren stattfand. Er ist begeistert, dass sie nun zurück in der deutschen Hauptstadt ist. "Der Flughafen Tempelhof gibt der Veranstaltung ein ganz neues Image, sie wirkt größer, moderner, sehr trendy", sagt Tosun. Trotzdem sind für ihn Paris und Mailand weiterhin die führenden Modemetropolen. "Ich habe das Gefühl, dass es in Berlin nur die großen Marken gibt und weniger spannende kleine Labels oder Second-Hand-Läden."

Die Einschätzung des türkischen Textilhändlers zeigt: Das Publikum der Bread & Butter hat nur eine geringe Schnittmenge mit dem der großen Schauen. Und wer auf die Messe geht, um Streetwear, Sportbekleidung und Alltagsmode zu sehen, bekommt nicht unbedingt einen Eindruck vom Rest Berlins.

Auffällig wenig Prospekte und Werbegeschenke gibt es an den Ständen, deren Betreiber sich Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit aufs Label geschrieben haben. Die Besucher lassen sich davon allerdings kaum beeindrucken und füllen ihre Rollkoffer mit kunstvoll gestalteten Plastiktaschen, Werbekatalogen, Kugelschreibern und Buttons anderer Marken.

An diesem ersten Tag der Modemesse, die Karl-Heinz Müller, der Chef der Bread & Butter, zurück nach Berlin holte, sieht alles danach aus, als ob die Hauptstadt eine zweite Chance bekommt, eine Modemetropole zu werden. Es war eine lange Reise. Doch am Ende scheint Berlin startklar: Vielleicht wird es jetzt eine Reise um die ganze Welt.

Karl-Heinz Müller scheint also alles richtig gemacht zu haben. Die alten Jeanser sind ganz sentimental. Die Messe für Jeans, T-Shirts und sportliche Hemden, Kleidung also, die inzwischen unseren Alltag dominiert, ist der natürliche Lebensraum für einen Jeanser. Er ist selbst in den von Stunde zu Stunde anschwellenden Menschenmassen nur schwer zu übersehen: Eine wuchtige Gestalt, er genießt gern, spricht im Akkord erst in Italienisch, dann in Englisch in sein Mobiltelefon. Er trägt seine karierten oder kräftig gestreiften Hemden nicht steif geschlossen und gern aus der Hose. Die ist meistens eine Jeans. Wenn er einem anderen Jeanser begegnet, klopft er ihm herzhaft auf die Schulter. Seinem von Falten zerfurchten Gesicht sieht man an, dass er viel arbeitet und noch mehr feiert.

Karl-Heinz Müller ist der Prototyp des Jeansers. "Wir folgen Karl-Heinz überall hin", sagt Heiner Sefranek, Chef von Mustang. Aber dass er seine Jeans jetzt hier auf dem Berliner Flugfeld ausstellen darf, bewegt ihn schon, schließlich ist er hier zu Mauerzeiten immer gelandet. Sefranek gehört zur ersten Generation der Jeanser, weit über 6o Jahre alt, hat er vor vielen Jahrzehnten im bayerischen Künzelsau die erste deutsche Jeansmarke Mustang gegründet und, wie er sagt, "viele unterschiedliche Phasen" durchlaufen. Gerade ist er in einer guten. Seine Marke hat sich verjüngt, er hat die eigene Produktion abgeschafft, eröffnet laufend Geschäfte und verkauft heute viel mehr kleinere Größen. "Wir sind Gewinner der Krise", sagt er. In der Mode geht nicht mehr nur billig oder sehr teuer, sondern auch die Mitte, und die ist Heiner Sefranek.

Wenn man aus der Abflughalle hinaus auf das Rollfeld schaut, mit all den Stoffzelten und Ständen und den aus dem Technikmuseum hergeschafften alten Transportflugzeugen, wähnt man sich mehr wie in einem Ferienlager für große Jungs als auf einer Veranstaltung für Fachbesucher. Die Hilfskräfte in weißen Hemden und khakifarbenen Hosen und die schwüle Wärme verstärken das Pfadfindergefühl noch. Hier und da streifen ein paar entspannte Polizisten durch die Gänge. Eigentlich sind sie für den Außenschutz zuständig. Aber da die angemeldete Demonstration vor dem Haupteingang am Mittwochvormittag nicht stattfand, weil einfach keiner kam, sind die Beamten jetzt auf der Suche nach Verpflegung.

Das laute Spektakel täuscht ein wenig darüber hinweg, dass die Bread & Butter nur ebenerdig stattfindet: Große Teile des eigentlichen Gebäudes stehen leer. Es reicht, auf die vom Flugfeld abgewandte Seite zu schauen - dort ist es so still und leer, als wenn man sich die gut 50000 Menschen, die sich nur wenige Meter davon über die Stände drängen, nur wie eine Fata Morgana eingebildet hätte. Von den insgesamt 300000 Quadratmetern stehen noch Schätzungen des Vermieters BIM etwa 100000 leer.

Die Außenfläche aber und die acht Hangar sind eine echte Spielwiese für Jeanser. Schien es in den Messehallen in Barcelona zuletzt darum zu gehen, noch bunter noch lauter und größer um Aufmerksamkeit zu buhlen, will man hier mit weniger erkennbaren Produkten und einer mit Bildtafeln zur Schau gestellten Firmenhistorie punkten.

Da hat Lee besonderes Glück mit seiner Geschichte gehabt: "Wir haben die Fluguniformen für die Alliierten produziert, die Piloten der Rosinenbomber haben also Lee getragen", sagt die Marketingmanagerin Anne Kirsten Fahr und ist sichtbar stolz, dass ihr Arbeitgeber so viel Authentizität aufweisen kann.

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