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© promo

Die Mode der Zukunft: Talentschmiede Berlin

Die Kollektionen der Berliner Absolventen zeigen, warum sie so wichtig für Berlin sind.

Ein bisschen Angst hatten Klaus Metz und Silvia Kadolsky von der Modeschule Esmod schon, als sie am 10. Juli zur Modenschau ihrer besten 24 Absolventen einluden. Eine Woche nach Fashion Week, Bread & Butter und Premium hätte das Publikum an Modeüberdruss leiden können – aber alle kamen, wie immer. Berlin ist die Stadt mit dem meisten und mittlerweile auch dem am meisten gelobten Modenachwuchs in Deutschland, und wer will sich schon die Gelegenheit entgehen lassen, das nächste heiße Talent zu entdecken.

Die Esmod-Modenschau in der Arena Treptow wurde zu einem richtigen Kostümfest. Vielleicht passt es ja gut in die Zeit, dass die fast einstündige Veranstaltung ein wenig zu einer Flucht aus der Realität geriet. Manga-Fans, Aliens und Androgyne hätten sich hier komplett neu einkleiden können. Doch die meisten Studenten schafften es erstaunlicherweise, bei aller Liebe zur Fantasie ihren Entwürfen auch etwas Modernes und Gegenwärtiges zu verleihen.

Fast ein wenig zu alltagstauglich waren die Kollektionen der Studierenden der Universität der Künste (UdK) auf der Mercedes-Benz-Fashion-Week gewesen. Die UdK hatte die Ehre, als einzige Berliner Schule im Zelt am Bebelplatz zusammen mit den Großen zu präsentieren. Dass dies auch eine finanzielle Kraftanstrengung gewesen sein muss, konnte man aus den Dankesreden der Professoren Stephan Schneider und Valeska Schmidt-Thomsen heraushören. Diesmal stachen fast die Semesterprojekte mehr hervor als die vielen realistischen Diplomkollektionen mit einer Überzahl an schmal geschnittenen Anzügen und Kleidern. Manchmal sah es aber auch hier nach Flucht aus: wie bei Evelyn Sitter, die in ein Kostüm in sachlichem Beige einen Fallschirm in die Säume integrierte, damit sich die Trägerin gleich aus dem Büro abseilen kann. Oder beim ins Rückenteil einer Jacke verschmolzenen Sessel mit plüschigem Samtbezug von Laura Wollentarski. Auf jeden Fall hat die UdK mit der Schau bewiesen, dass ihre Schützlinge professionell genug arbeiten, um es mit einigen der etablierten Designer am Bebelplatz aufzunehmen.

Elegant hielt sich die Kunsthochschule Weißensee in einer Seitenstraße vom Bebelplatz mit ihrer Präsentation zurück – sie drehten den Spieß um und ließen das sitzmüde Publikum an den Models vorbeiflanieren. Das war auch deshalb eine gute Idee, weil man sich so die teils wirklich ausgereiften Entwürfe aus der Nähe anschauen konnte. Wie man akkurat geschnittene Capes und Kleider in Wollstoffe hauen kann, führte Chantal Marigiotta vor. An den richtigen Stellen Schnitte setzen, das können sie in Weißensee.

Dagegen ist es die Geschwindigkeit, die bei den Esmod-Schülern immer wieder beeindruckt. Das gestalterische Tempo, mit dem hier nach drei Jahren Ausbildung solche fast verstörend kreativen Kollektionen auf den Laufsteg gebracht werden, ist schwindelerregend. Es ging los mit verrutschten Piratenbräuten in Lederjackenbodys und Schürzenröcken aus Holzlatten von André Mohr und karierten Mänteln mit großen Revers wie aus Albträumen von Mary Poppins von Nora Zafari, die den großen Preis der Jury dafür bekam. Vor allem die Männerkollektionen mit gut konstruierten großen Jacken aus Leder oder dickem Wollstoff waren gelungen. Verena Galitchi bekam dafür den „Prix Createur“.

Gebastelt wurde an keiner der großen Modeschulen in Berlin, denn es gibt hier einfach zu viele Vorbilder. Inzwischen muss man nicht mal mehr nach Paris ziehen, um einen spannenden Praktikumsplatz zu bekommen – es ist sogar eher umgekehrt: Modeschüler kommen aus allen Teilen der Welt, um hier in einem der kleinen Ateliers zu arbeiten – und mitmachen kann man hier wirklich. Meist sind die Designer von der Unterstützung der Praktikanten abhängig, gerade kurz vor den Schauen.

Aber nicht nur alle Arbeitsprozesse lernen die Studenten so kennen, sie können auch ausprobieren, ob ihnen die Selbstständigkeit gefallen könnte – immerhin sind sie nur einen Schritt davon entfernt. Auch, welchen Preis man wo gewinnen kann, erfahren sie hier.

Auch Michael Sontag hat bei seinen ehemaligen Studienkollegen, den beiden Designerinnen von C.Neeon, in den Semesterferien Praxiserfahrung gesammelt. Bei Sontag ging alles ganz schnell. Vor fast genau einem Jahr zeigte er seine Diplomkollektion bei einer Modenschau seiner Kunsthochschule, ein halbes Jahr später nahm er an mehren Nachwuchswettbewerben teil, und Anfang Juli war er mit einer eigenen, von der Fachwelt hoch gelobten, Schau auf der Mercedes-Benz Fashion Week dabei. Jetzt sucht er einen Investor, damit man seine Mode nicht nur anschauen, sondern auch kaufen und tragen kann.

Auch bei Chantal Marigiotta zeichnet sich ein ähnliches Tempo ab – sie zeigte sogar gleichzeitig beim Designer-for- tomorrow-Wettbewerb –, einen Tag später war ihre Kollektion im Palazzo Italiano zu sehen. Chantal Marigiotta, so wurde gemunkelt, sei eigentlich die klare Gewinnerin – aber die Jury hat sich gegen sie entschieden, weil sie es wohl auch alleine schaffen wird.

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