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Panorama: New York: Trauerfeiern ohne Leichen

"Ich muss ihn finden, ich muss nach ihm sehen. Ich habe doch kein Grab, zu dem ich gehen kann.

"Ich muss ihn finden, ich muss nach ihm sehen. Ich habe doch kein Grab, zu dem ich gehen kann." Marie Puccio-Pick trug Blumen in der Hand und ein Foto ihres Mannes, als sie Ende vergangener Woche mit ihrer Schwester die Absperrungen vor dem Trümmerfeld des World Trade Center passierte, um ihrem vermissten Mann am Ort der Katastrophe zu gedenken.

Am Rand des Schuttbergs, unter dem ihr Mann, Joseph Pick, und rund 6000 weitere Todesopfer des Terroranschlags vom 11. September begraben liegen, sprach sie ein Gebet und legte einen Brief ihrer neunjährigen Tochter Jeannette nieder: "Bitte hilf, meinen Daddy zu finden. Ich vermisse ihn so sehr." Drei Wochen nach dem Zusammenbruch der Twin Tower verlöscht auch der letzte Funke Hoffnung bei den Familien der Opfer.

Zuerst waren es nur wenige, doch in den letzten Tagen kommen hunderte Angehörige zu den Ruinen und suchen die Nähe zu ihren Toten. Die Behörden haben eine Fährverbindung eingerichtet, die Familienangehörige der Opfer vom Betreuungszentrum am Pier 94 in Midtown über den Hudson River zu einem Anleger am World Financial Center bringt, das unmittelbar neben dem Katastrophengebiet liegt. Das Trümmerfeld, an dem die Aufräum- und Bergungsarbeiten andauern, wird zu einem Ort des Gedenkens. Polizisten und Bauleute halten inne und nehmen ihre Mützen und Helme ab, wenn sich wieder eine Gruppe Trauernder Familien dem Unglücksort nähert. Die Trauer über die Toten ist in diesen Tagen allgegenwärtig in New York. Am dritten Wochenende nach dem Terroranschlag fanden in allen Teilen der Stadt dutzende Gottesdienste, Trauermessen und Gedenkfeiern für die Opfer des Anschlages ab. Es sind in den allermeisten Fällen Totenfeiern ohne die Toten selbst.

Erst 309 Leichen sind bisher geborgen, 248 wurden bis Sonnabend von der Gerichtsmedizin identifiziert. Insgesamt gelten weiter 5641 Menschen als vermisst. Es sind Zehntausende, die zu den Trauerfeiern kommen. In der Maranatha Church of the Nazarene in Paramus, New Jersey, versammelten sich rund 1000 Menschen, um dem Feuerwehrmann Richard Bruce Van Hine aus einer Feuerwache in der Bronx die letzte Ehre zu erweisen. Unter den Trauernden waren hunderte von Feuerwehrmännern, der Gottesdienst so überfüllt, dass er auf Fernsehern in drei Nebenräume übertragen werden musste.

In einer Schulaula in Rockaway Park in Queens gedachten hunderte Feuerwehrmänner ihrem Kameraden Stephen Belson von Ladder 24. Die Uniform und der Helm des Vermissten schmückten den Saal. "Der Tag, an dem ich meinen Onkel verlor, war schlimmste Tag meines Lebens", erzählte sein Neffe Jack den Zuhörern. Captain Jack McDonald wandte sich an den Jungen: "Jack, du magst deinen Onkel verloren haben, aber du hast jetzt 50 Onkels in Ladder 24."

Angesichts dutzender Totenfeiern, die bereits für Feuerwehrmänner abgehalten wurden und der vielen weiteren Trauerzeremonien, die in den kommenden Tagen und Wochen für die 42 Toten und 302 noch als vermisst geltenden Feuerwehrmänner zu erwarten sind, hat das Fire Department bereits die Öffentlichkeit zur Teilnahme aufgefordert.

Grund: Der New Yorker Feuerwehr fehle schlicht das Personal, um an allen Feiern in angemessener Zahl teilzunehmen.

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