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Oscar-Aussichten: Amerikas Rechte wünscht "Avatar" den Untergang

James Camerons Erfolgsfilm wird als linkes Propagandamachwerk kritisiert – und hat zugleich beste Chancen auf einen Oscar-Segen.

Es müsste schon mit seltsamen Dingen zugehen, wenn James Camerons „Avatar“ am 7. März nicht den Oscar für den besten Film bekommt. Mit beinahe zwei Milliarden eingespielten Dollar ist er mit Abstand der erfolgreichste Film aller Zeiten. Mit ihm stellte Cameron sogar seinen eigenen Rekord „Titanic“ in den Schatten. Zwei Golden Globes – ein Gradmesser für die Oscar-Chancen – hat er auch schon eingeheimst. Die ernsthafte Filmkritik überschlug sich vor Lob: „Avatar“, schrieb etwa die „New York Times“, habe den Zauber des Kinos wiederbelebt.

Für die amerikanische Rechte aber wäre ein Oscar-Segen die Bestätigung eines Verdachtes, den sie schon lange hegt. Hollywood, so tönt es nicht erst seit dem Oscar für Michael Moore aus dem konservativen Lager, ist fest in linker Hand und „Avatar“ ist eines der übelsten Machwerke der linken Propagandamaschine seit langem. Avatar, so lautet das Argument der derzeit in Amerika wieder laut lärmenden Rechten, sei ein antiamerikanisches Machwerk erster Güte. Alles, was die Konservativen an Amerika lieben werde hier schlecht gemacht: Allem voran der amerikanische Kapitalismus und das amerikanische Militär. „Die linken Klischees, die schon im ersten Akt durchschaubar werden“, schreibt der Kritiker John Nolte auf seinem Blog „Big Hollywood“, machten den Rest des Films vorhersehbar. „Es ist eine simple revisionistische Fantasie, bei der man sich wohlfühlen soll, indem man die Bösen hasst – und das sind wie immer die Amerikaner.“

Nolte glaubt, dass „Avatar“ die gesamte Geschichte Amerikas von der Gründung bis hin zum Irakkrieg in typisch linker Fasson aufs Korn nimmt. Die Navi können wahlweise als amerikanische Ureinwohner oder als Irakis herhalten, die dem linken Klischee gemäß Erdverbundenheit, Tugend und Reinheit verkörpern. Die Amerikaner hingegen sind wie stets in solchen Erzählungen die Imperialisten und die Ausbeuter. Hinzu komme der Mythos von der Zerstörung der Umwelt im Dienste kapitalistischer Gewinninteressen – auch das ein rotes Tuch für die amerikanische Rechte, die noch immer leidenschaftlich die Klimaerwärmung leugnen.

So hält Erz-Neokon Norman Podhoretz den Film für eine „hirnlose Anbetung eines naturverbundenen Stammes mit seinen Ritualen“. Darin sieht Podhoretz freilich nichts anderes, als die Fortsetzung der Tradition revisionistischer Western, deren Erzählmuster schon lange zum Klischee geronnen ist. Angefangen von „Little Big Man“ von 1970 bis „Dancing with Wolves“, sei es immer wieder dasselbe: Die Amerikaner sind die Bösen, die Indianer sind die Guten. Nur das jetzt die Indianer blau sind, vier Meter groß und Pandora heißen.

Dass Cameron solcher Kritik kaum widerspricht, befeuert die rechten Eiferer freilich noch mehr. Der Regisseur gibt offen zu, dass er ein Anhänger der Gegenkultur der 60er Jahre ist. Dagegen, dass er antiamerikanisch ist, wehrt er sich jedoch vehement. Er habe als Amerikaner das Recht auf freie Meinungsäußerung, entgegnete er Podhoertz. Dass Cameron diese Provokation bewusst eingegangen ist, lässt sich schon alleine daran ablesen, dass die Avatar-Geschichte lose auf der Pocahontas-Story basiert – jener Liebesgeschichte des englischen Kapitäns John Smith mit einer Indianerprinzessin, die Disney in den 70er Jahren cinematisch verewigt hat und die zum alternativen Gründungsmythos Amerikas wurde. Klaus Theweleit hat in seinem Pocahontas-Buch dargestellt, wie dieser alternative Gründungsmythos im Verlauf der Geschichte von der puritanischen Seite immer wieder unterdrückt wurde, weil sich Amerika ansonsten mit seiner kolonialistischen Vergangenheit hätte beschäftigen müssen. Das wollen viele in den USA auch heute nicht. Wenn Kritiker wie Podhoertz und Nolte für sich in Anspruch nehmen, das wahre Amerika zu vertreten, geraten sie allerdings in Erklärungsnot, wenn sie mitansehen müssen, dass fast die ganze eigene Nation in den Film zu gehen scheint. Podhoretz behauptet zwar, der Erfolg beruhe alleine auf dem 3-D-Zauber, mit dem Cameron die Massen einlulle. Ganz vermögen die Effekte aber sicher nicht von der Botschaft von „Avatar“ abzulenken – einer romantischen Versöhnung. Cameron hat mit seiner einfachen Spiritualität in den USA einen Nerv getroffen.

Sebastian Moll[New York]

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