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Warren Jeffs

© AFP

Polygamisten-Ranch: Missbrauch im Namen Gottes

Missbraucht, genötigt und erpresst: In Texas hat die Polizei eine Polygamisten-Ranch gestürmt und 137 Kinder und 46 Frauen befreit.

Eldorado ist ein „two-stop-light-town“, wie man hier sagt. Ein staubiges Nest in Texas mit 2000 Einwohnern, ein paar Tankstellen, mehreren Kirchen und einer enormen Ranch, die einst Raubkatzen beheimatete.

Weit abgelegen von der nächsten Großstadt – 414 Kilometer sind es bis Dallas – scheint Eldorado genau der richtige Ort für eine Sekte, die Polygamie und sexuellen Missbrauch für die eigene Glückseligkeit betreibt und junge Mädchen gegen deren Willen verheiratet.

Damit ist jetzt Schluss – erst einmal. Die Polizei und das Jugendamt stürmten die YFZ („Yearning for Zion“)-Ranch der Fundamentalistischen Kirche der Heiligen der Letzten Tage (FLDS). Deren ehemaliger Anführer und selbsternannter Prophet, Warren Jeffs, sitzt bereits seit zwei Jahren hinter Gittern.

137 Kinder im Alter zwischen sechs und 17 Jahren sowie 46 Frauen wurden in Bussen einer örtlichen Baptistenkirche abtransportiert und an einen ungenannten Ort gebracht, um sie zu den Umständen auf der Ranch zu befragen. Das erklärte Patrick Crimmins, der Sprecher des zuständigen Jugendamtes gegenüber der Presse.

Wenig später kam es zu einem Showdown zwischen Sektenmitgliedern und der Polizei, als diese Zutritt zum schneeweißen Tempel verlangte. Die Polizei, die das Gelände abriegelte und vorsichtshalber Krankenwagen auffuhr, sollte es zu „unerwünschten Handlungen“ kommen, war auf der Suche nach Dale Barlow, einem sexuellen Straftäter. Die Suche nach ihm hatte die Razzia ausgelöst.

Ein 16-Jähriges Mädchen wirft ihm sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung vor. Sie sei, so schilderte sie der Polizei, mit dem 50-Jährigen verheiratet worden und habe diesem ein Kind geboren, als sie gerade 15 Jahre alt war. 18 Mädchen, so berichtete der „Houston Chronicle“ sollen angeblich auf der Ranch missbraucht worden oder von Missbrauch unmittelbar bedroht sein. Es ist ein altbekannter Vorwurf gegen eine Sekte, die sich von der Mormonenkirche „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ abspaltete, als diese vor mehr als einem Jahrhundert die Polygamie aufgab. Die Aufgabe der Polygamie war die Bedingung dafür, dass der Bundesstaat Utah, wo die Mormonen ihren Hauptsitz haben, in die Vereinigten Staaten Aufnahme fand.

Schlagzeilen machen die Polygamisten immer wieder. Zuletzt im vergangenen Jahr als der 51 Jahre alte Sektenchef Jeffs von einem Gericht in Utah zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde, wegen Beifhilfe zur Vergewaltigung einer 14-Jährigen. Jeffs, selbst mit mehreren Dutzend Frauen in sogenannter „spiritueller Union“ verheiratet, droht Ende des Jahres ein weiterer Gerichtsprozess in Arizona.

Mit tränenerstickter Stimme hatte während des Prozesses das Opfer geschildert, wie sie mit 14 Jahren von Jeffs zur Ehe mit einem älteren Mann gezwungen worden war. Jeffs selbst habe die beiden getraut und aufgefordert, „sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern“. Als die heute 22-Jährige sich ehelichen Beziehungen widersetzte, wurde ihr von Jeffs beschieden: „Geh und tue, was er dir sagt.“

Jeffs Wort war für die Sektenmitglieder Gesetz. Gelehrt wurde, dass, wer der Sekte nicht Gefolgschaft leiste, im ewigen Fegefeuer ende. Und nur wer drei Ehefrauen habe, dem sei das Paradies sicher.

Die jetzt gestürmte Ranch war von der Sekte 2003 ausgebaut worden. Das Anwesen umfasst mehrere Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie eine weiß strahlende Kirche, die ein wenig einer Ritterburg ähnelt. Das Anwesen stand seit Beginn unter Beobachtung. Dass dort erst jetzt eine Razzia stattfand, könnte möglicherweise mit einer Komplizenschaft örtlicher Behörden zu tun haben. Das ist in den USA nicht ungewöhnlich. So waren Behördenvertreter in Colorado City im US-Bundesstaat Arizona, wo die Fundamentalisten jahrelang operierten, selbst Mitglieder der Sekte.

Auch gab es dort vor 55 Jahren schon einmal eine Razzia. Damals wurden 400 Mitglieder vorübergehend in Gewahrsam genommen, darunter 236 Kinder. Der damalige Gouverneur von Arizona, Howard Pyle, machte sich mit der Aktion wenig Freunde und soll daraufhin, so heißt es, seine Wiederwahl verloren haben.

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