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Wie viel Freiheit gehört auf den Balkon? Darf ich auf ihm rauchen, wenn das die Nachbarn stört. Nein, entschied jetzt ein Gericht.

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Prozess in Rathenow: Darf man auf dem Balkon rauchen?

Das Rentner-Ehepaar Anton und Ursula Reinl verklagt die Nachbarn, das Ehepaar Manfred und Ursula Stelb, damit sie nicht länger auf dem Balkon rauchen. Es ist der zweite Prozess innerhalb kurzer Zeit, in dem geklärt werden soll, was Raucher dürfen.

Raucher können sich nicht mehr sicher sein, nicht mal in der eigenen Wohnung. Erst die fristlose Kündigung des 75-jährigen Mieters Friedhelm Adolfs aus Düsseldorf, vor einer Woche bestätigt durch ein Amtsgericht. Nun ein Prozess vor dem Amtsgericht im brandenburgischen Rathenow (Havelland), das am gestrigen Mittwoch die Klage eines Paares aus Premnitz gegen ein Nachbar-Pärchen in einem Vier-Familienhaus verhandelte. Die Kläger, das Rentner-Ehepaar Anton und Ursula Reinl, fühlen sich durch den Zigarettenqualm der auf dem Balkon unter ihnen rauchenden Nachbarn massiv belästigt. Sie fordern von Manfred und Ursula Stelb, dass diese nur noch zu bestimmten Zeiten eine Zigarette auf dem Balkon anzünden dürfen und regelmäßig den Aschenbecher leeren. Eine gütliche Einigung scheiterte.

Die Raucher wollten den Nachbarn entgegenkommen

Manfred und Ursula Stelb, die nicht in der Wohnung, sondern nur auf dem Balkon rauchen, haben nach eigener Aussage bereits versucht, ihren Obermietern entgegenzukommen. Im Sommer würden sie die Markise aufspannen, damit der Qualm nicht hochzieht. Gemeinsam würden sie pro Tag nicht mehr als zwölf Zigaretten auf dem Balkon „durchziehen“ – und das auch noch abwechselnd, damit es nicht allzu sehr qualmt. Zu mehr Zugeständnissen sind sie nicht bereit, „weil sie sich ansonsten in ihrer normalen Lebensführung sehr eingeschränkt fühlen“, sagte eine Gerichtssprecherin. Zudem fühlen sie sich von ihren Nachbarn überwacht, weil es bei jeder Zigarette von oben Kommentare hagelt. Anton und Ursula Reinl wenden dagegen ein, dass sie ihren Balkon wegen der Qualmerei ihrer Nachbarn nur eingeschränkt nutzen könnten. Auch sei es nur bedingt möglich, die Wohnung zu lüften. Sobald Manfred und Ursula Stelb sich eine Zigarette anzünden, müssten sie eiligst die Fenster schließen.

Verklagt. Das Ehepaar Manfred und Ursula Stelb am Mittwoch im Prozess.

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Ein Urteil will Richter Lanowski am 6. September verkünden. Am Mittwoch sagte er, dass klagende Paar habe ein Recht auf ungestörten Besitz ihres Wohnraums. Das sei unstreitig durch den Zigarettenrauch beeinträchtigt. Andererseits sei das beklagte Ehepaar in seinem Privatbereich grundgesetzlich geschützt.

Raucher sind in der Defensive

Raucher sind seit mehreren Jahren in der Defensive. Früher wurde allerorten geraucht, das ist jetzt im öffentlichen Raum immer mehr eingeschränkt. Nun wird ihnen selbst das Rauchen in den eigenen vier Wänden streitig gemacht. Höchstrichterlich hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2006 entschieden, dass Rauchen in der Mietwohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört. 2008 schränkte der BGH ein, dass Mieter nicht exzessiv rauchen dürfen. Die neuesten Auseinandersetzungen vor den Amtsgerichten könnten der Anfang einer neuen Prozesswelle sein.

Der Kettenraucher Friedhelm Adolfs hat Berufung eingelegt

Der Raucher Friedhelm Adolfs geht jetzt gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vor, das die fristlose Kündigung durch die Vermieterin für rechtens erklärt hatte, weil sein Zigarettenqualm im Treppenhaus für eine „unzumutbare und gesundheitsgefährdende Geruchsbelästigung“ sorgt. Adolfs legte beim Landgericht Berufung ein.

Dieses hatte sich schon im Streit um Adolfs’ Prozesskostenhilfe positioniert. Es verwies auf das Recht auf Rauchen in Wohnungen und sah Erfolgschancen für die Klage des 75-Jährigen. Der steckt sich seit 40 Jahren in der Wohnung eine nach der anderen an.

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