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China

© Foto; Mauritius Image

China-Rundreise, Teil 2: "Was uns gefällt, kopieren wir"

Im Reich der Mitte nimmt das Staunen der Besucher kein Ende. Eine Reise durch Guilin, Yangshuo und Schanghai.

Vor einer Woche veröffentlichten wir den ersten Teil einer Reportage über eine 13-tägige China-Rundreise. Die Stationen waren Peking, Badaling und Xi’an. Heute geht es – im zweiten und letzten Teil – weiter mit den Städten Guilin, Yangshuo und Schanghai.



GUILIN

Etwa 1,3 Millionen Einwohner hat die Stadt. Ein wahres Dorf – für chinesische Verhältnisse. „Vor zwei Jahren gab es hier noch keine Staus“, sagt unser neuer Reiseleiter, der sich aufgrund seines, wie er meint, unaussprechlichen Namens als „Herr Schmidt“ vorstellt. Jetzt gebe es auch hier schon mehr Autos als Fahrräder. Herr Schmidt führt uns in den „Elefantenrüsselpark“, der 1990 angelegt wurde. Faszinierender als die Grotten und Figuren sind drei hochbetagte Chinesinnen, die an einem Tisch Karten spielen. Sie sehen aus wie gut gelaunte Zockerinnen. Eine Mutter schiebt stolz einen Zwillingswagen vorbei. „Sie hat Glück gehabt“, freut sich Herr Schmidt. Sonst gilt die strenge Ein-Kind-Politik? Er nickt. „Seit 30 Jahren haben wir die, aber wir werden trotzdem immer mehr.“ Auf dem Land dürften Eltern es noch mal „probieren“, wenn das erste Kind eine Tochter ist. Denn alle wollten einen Sohn. Warum? Tradition, heißt es. Ein Sohn müsse sich später um seine alten Eltern kümmern.

Auf den Wiesen im Park machen Menschen Gymnastik: Tai Chi. Vorbeigehende ignorieren sie. Herr Schmidt gibt uns eine Viertelstunde Anschauungsunterricht. Lautlos und langsam führt er die fließenden Tai-Chi-Bewegungen aus. „Die Idee ist nicht, den Gegner zu schlagen. Die Idee ist, ihn ins Leere laufen zu lassen“, erklärt er. Abends im Park am Shanhu-See lassen sich die Menschen treiben. Im See glitzern zwei neu erbaute Pagoden. Kommt ein Vergnügungsschiff vorbei, erheben sich meterhohe, bunt angestrahlte Fontänen – wie von Geisterhand gesteuert. Eine Seebrücke sieht aus wie jene im Pekinger Sommerpalast, eine andere wie die Kettenbrücke in Budapest, eine dritte wie die Golden Gate Bridge. „Was uns gefällt, kopieren wir“, erklärt Herr Schmidt und lächelt vielsagend.

In Guilin startet das Schiff auf dem Li-Fluss nach Yangshuo. Gut vier Stunden treiben wir durch die vielfach gemalte Landschaft der Karstberge, die rechts und links des Ufers zu Hunderten aufragen wie grüne Zuckerhüte. „Bin ich froh, dass wir ein Ausländerschiff erwischt haben“, flüstert ein junger deutscher Tourist und fügt entschuldigend hinzu: „Versteh’ mich nicht falsch, aber so lange Gewusel auf engstem Raum hielte ich jetzt nicht aus.“ Es ist ruhig an Bord – aber das Wetter stimmt nicht. Der Himmel ist trüb, die Zuckerhüte verschwimmen im Dunst. „Es ist wie immer“, weiß ein Einheimischer. Nur im Hochsommer könne man mal blauen Himmel sehen, aber dann sei es brütend heiß. „Das hält eigentlich keiner aus.“

YANGSHUO

Wir steigen im internationalen Backpacker-Treffpunkt aus. Yangsuo ist „in“. Billighotels und Hostels an jeder Ecke. Im Twin Peaks Café gibt es sieben verschiedene Frühstücksangebote: „Chinese, Continental, Israeli, American, English, French.“ In jüngster Zeit kommen – vor allem an den Wochenenden – auch viele junge Chinesen. Die autofreie Hauptstraße ist pickepackevoll. Herr Schmidt, der vor einem Jahr zuletzt hier war, ist völlig überrascht – und findet kein freies Zimmer für sich. Er muss in der „weiteren Umgebung“ Unterschlupf suchen. Der Gruppe rät er noch, abends unbedingt über den Nachtmarkt zu schlendern. Dort essen die Einheimischen. „Sie sollten da nichts verzehren, Sie schauen am besten nur“, rät er. Appetit bekommen wir später sowieso nicht. Zu viele Ratten und anderes Undefinierbares am Spieß. In manchen Eimern und Schüsseln kräuselt es sich, wir schauen lieber nicht genauer hin. Auf einem Grill entdecken wir Heuschrecken. In Peking würde das vielleicht nicht ankommen – die Südchinesen lassen sich’s hörbar schmecken. Von Yangshuo aus werden auch Radtouren in die Umgebung angeboten. „Endlich mal Landschaft nach all den Städten“, freut sich einer aus der Reisegruppe. Ein Foto vom Reisanbau auf den dunkelgrünen, von Wasserläufen durchzogenen Terrassenfeldern und von Kormoranfischern will er unbedingt machen. Zwei Stunden Zeit bleiben ihm.

SCHANGHAI

Das Hotel Rainbow liegt sehr zentral, direkt neben einer achtspurigen Schnellstraße. Es hat gute Schallschutzfenster, der Lärm stört nicht. Aber wir könnten gleich nach dem Aufstehen im 15. Stock den aktuellen Verkehrslagebericht durchgeben. 7 Uhr 30. Nichts geht mehr da unten. Auf fünf Ebenen haben sie bereits Hochstraßen gebaut, doch auch das reicht schon jetzt nicht mehr. Der Verkehr nimmt stetig zu.

Andererseits hat Schanghai auch ruhige Parks. Neuerdings sind Fitnessgeräte dort aufgestellt. Tretmaschinen, Räder, Ruderboot-Gestelle. Alles aus Metall. Der Deutsche Tüv würde sie wohl nicht abnehmen. Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen nutzen sie jedoch – oft in der Mittagspause – voll kindlichem Eifer. Das Volk, so verlangte die Regierung im Zeichen Olympias, muss sportlicher werden.

Schanghai hat Pech. Es liegt am Ende der Rundreise. Wer kann jetzt noch Neues aufnehmen? Glitzernde Fassaden neben elenden Buden für Bauarbeiter, Veteranen vor der Tür des Gründungshauses der Kommunistischen Partei Chinas und ultraschicke chinesische Managerinnen… Genug. Dieses Land hat einen geschafft. Verstanden hat man es nicht.

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