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Die antike Stadt OIympos bei Cirali.

© Seibert

Cirali: Türkische Öko-Idylle fürchtet sich vor Massentourismus

Bettenburgen statt familiären Pensionen - gegen diese Pläne wehren sich die Bewohner im türkischen Cirali. Eines der schönsten naturbelassenen Urlaubsziele in der Türkei scheint bedroht.

Das Dorf Cirali westlich der südtürkischen Urlauberhochburg Antalya hat sich in den vergangenen Jahren zum Geheimtipp für Türkei-Besucher entwickelt, die Ruhe und Entspannung wollen statt Bespaßung und Disco. Ein einsamer, kilometerlanger Strand ohne Hotelburgen, seltene Wasserschildkröten, dichter Wald, geheimnisvolle Ruinen einer antiken Stadt und ein natürliches Gasfeuer auf einer Bergspitze, dazu kleine Hotels und Pensionen mit ökologischen Prinzipien – all das macht Cirali zu einem ganz besonderen Urlaubsziel und zu einem Aushängeschild des 'sanften Tourismus'. Doch jetzt gibt es Krach im Paradies. Einige Pensionen wurden abgerissen, in der Presse wird der Verdacht laut, dass die Idylle für Bettenburgen, Lärm und Massentourismus geöffnet werden soll.

Flecken wie Cirali gibt es nur noch wenige in der Türkei. Das Land setzt seit langem konsequent auf Massen- und Billigtourismus und hat damit die Zahl der Besucher in den letzten zehn Jahren auf heute rund 31 Millionen Menschen verdreifacht. Insbesondere die Gegend um Antalya ist geprägt von großen All-Inclusive-Hotels an den Stränden, aber auch an der landschaftlich reizvollen Ägäis-Küste bei Bodrum gibt es immer mehr Hotels und Feriensiedlungen.

Die Menschen in Cirali entschlossen sich dagegen schon früh gegen „Betonisierung und Fünf-Sterne-Hotels“, wie die Kolumnistin Melis Alphan kürzlich in der Zeitung „Hürriyet“ schrieb. Das Dorf liegt in einem Nationalpark am Ende eines bewaldeten Tals, die Zufahrt schlängelt sich in Serpentinen von der viel befahrenen Küstenstraße hinunter.

Cirali kennt keine hohen Gebäude, keine großen Restaurants. Dass Besucher eines Hotels oder einer Pension im Garten unter Orangenbäumen frühstücken und dabei den umherlaufenden Hühnern zusehen, deren frisch gelegte Eier sie gerade essen, gehört zum Urlaubserlebnis in Cirali.

Am Strand von Cirali.

© Seibert

Aber das Paradies ist bedroht. So wurde Cirali von der Nachricht aufgeschreckt, dass der Amateur-Fußballclub des regionalen Forstamtes ein Trainingsgelände in Cirali erhalten und dieses flugs an einen Tourismusunternehmer verpachtet habe. Als Anfang des Jahres die Bauarbeiten in Strandnähe begannen, schlugen die Bewohner von Cirali Krach. Wie könne es angehen, dass in einem geschützten Gebiet, wo Normalsterbliche „nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen“ dürften, plötzlich die Fundamente für eine große Tourismusanlage entstünden, fragte der Vorsitzende der Cirali-Kooperative, Bayram Kütle.

Der Tourismusunternehmer Hüseyin Gedik konnte die ganze Aufregung nicht vestehen. Lediglich die Fundamente der geplanten Anlage sollten aus Beton bestehen, sagte er der türkischen Presse. Ansonsten werde alles aus Holz gebaut. Ohnehin entstehe nur ein Trainingsgelände für die Amateur-Fußballer – „in einem ersten Schritt“ jedenfalls. Nach einigen Berichten besitzt Gedik in unmittelbarer Nähe des umstrittenen Geländes bereits ein Hotel.

Unter dem Eindruck der Proteste stoppte das Forstministerium das Projekt, doch wenig später ließen die Behörden einige Pensionen in Cirali abreißen, angeblich wegen diverser Verstöße gegen Bauvorschriften. Kritiker wie die „Hürriyet“-Kolumnistin Alphan sahen darin eine Racheaktion gegen die aufmüpfigen Bewohner von Cirali, was von den Behörden zurückgewiesen wurde.

Derzeit ist nach Angaben aus Cirali alles ruhig am Strand, Bauarbeiten gebe es keine. Die Gäste seien zufrieden, man sei ausgebucht, sagte Senay Karatas vom „Azur Hotel“ in Cirali am Donnerstag unserer Zeitung. Die Frage ist nur, ob es auch so ruhig bleiben wird.  

Eigentlich müsste die türkische Regierung alles tun, um Cirali zu erhalten. Tourismusminister Ertugrul Günay will nach eigenen Worten den Raubbau an den Naturschönheiten des Landes stoppen und den Qualitätstourismus überall fördern, wo es möglich ist. Die Türkei wolle aus den Fehlern der Vergangenheit mit der Verschandelung ganzer Küstenabschnitte lernen, erklärte Günay kürzlich. Kleine Boutiquehotels statt mehrgeschossige Bettenburgen – so sehe die Zukunft aus. Ob Cirali Teil dieser Zukunft sein wird, steht aber noch nicht fest.

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