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Stadt Karls des Großen. Der Herrscher machte Aachen zum Mittelpunkt des fränkischen Reiches und regte den Bau des Doms, heute Unesco-Weltkulturerbe, an.

© imago/Hans Blossey

Deutschland: Das süße Brot des Teufels

In der Vorweihnachtszeit ist Aachen noch verlockender. Besucher können testen, wo es die besten Printen gibt – in 20 Bäckereien der Stadt.

Wenn gar nichts mehr geht in Aachen, hilft zuverlässig Karl der Große. So etwa im Jahr 1656, als nach dem Brand der Stadt die Not drückend war und niemand wusste, wie man an Geld kommen könnte. Printen backen!, riet ein Bäckerjunge. Jene vergessenen Köstlichkeiten, die schon dem alten Kaiser so gemundet hätten. Ja, aber, gab ein Kollege zu bedenken: Das Rezept habe der Selige doch mit ins Grab genommen.

Na und! – dachte sich der Bäckerjunge. Punkt Mitternacht machte er sich auf in dem Dom, fand mit Hilfe des herbeigerufenen Teufels in die Gruft, ließ sich von Karl, der immer ein gnädiges Ohr für die Nöte seiner Stadt hatte, das Rezept aushändigen und machte sich anderntags ans Backen.

Als der Teufel eintraf, um seinen Lohn abzuholen, schob er ihm ein Blech mit frisch gebackenen Printen hin. So lecker dufteten die, dass der Herr der Finsternis sich darauf stürzte, eine nach der anderen verputzte und am Ende in seiner Gier sogar das heiße Blech mit hinunterschlang. Worauf ihn höllisches Magengrollen überkam und er für immer einen großen Bogen um die Stadt machte.

Wahrscheinlich kam die Printe aus Belgien

So ganz möchte Bäckermeisterin Ulla Klein die Geschichte nicht gelten lassen. Dass Printen schon das Betthupferl Karls des Großen gewesen seien, klinge doch sehr unwahrscheinlich. Aus Dinant in der Wallonie seien sie wohl eher gekommen, mitgebracht im 15. Jahrhundert von Messinggießern, die die Türen und Brunnen in Aachen herstellten. Die hatten ein süßes Brot als Imbiss im Rucksack, das in Modeln geformt wurde und lange haltbar war. „Printe“ nannten sie es, weil der Teig in die Form gedrückt wurde – „print“ sagen Briten und Niederländer dazu.

Die hiesigen Bäcker hätten Gewürze dazugemischt, mit verschiedenen Zucker- und Honigsorten experimentiert und so ab etwa 1820 die original Dresdner Kräuterprinte hergestellt. Heute ist sie ein Produkt mit geschützter geografischer Angabe und darf nur in Aachen und fünf Nachbarorten produziert werden.

Die Bäckerei Klein wurde 1912 genau an der Stelle in der Franzstraße gegründet, an der sie immer noch steht. Heinz und Ulla Klein haben im Jahr 2000 ganz auf Printen umgestellt. Aus dunklem Mehl und drei Sorten Zucker besteht der Teig: Farinzucker, Kandis und Sirup. Letzterer wird auf 80 Grad erhitzt, bis er blubbert, und in die Knetmaschine gekippt. Dazu kommt das Mehl, dann die anderen Zuckersorten.

Jeder Bäcker in Aachen hütet sein Rezept

Wichtig ist, dass der Kandiszucker nicht schmilzt, sondern in Körnchenform erhalten bleibt. Denn der Kandis, auf den man beißt, unterscheidet die Printe vom Lebkuchen. Fehlen noch die Gewürze, die üblichen Weihnachtsbäckerei-Verdächtigen: Anis, Koriander, Zimt, Nelken, mancherorts auch Orangeat, Zitronat oder Ingwer. Es versteht sich von selbst, dass jeder der 20 Bäcker in Aachen auf sein ganz besonderes und natürlich streng geheimes Familienrezept schwört.

Am nächsten Tag läuft der Teig in einer kleinen Maschine durch Formwalzen und wird geschnitten. Vier bis fünf Bäcker sind in der Vorweihnachtszeit in der Backstube zugange. Sie bedienen Kneter und Ausformer, belegen halb fertige Printen mit Mandeln und schieben Wagen voller Bleche in die zwei begehbare Öfen.

Aus dem Grundteig entstehen ganz unterschiedliche Varianten: Klassisch ist die Kräuterprinte, ein kleiner, rechteckiger, schmuckloser Lebkuchen – „Kräuter“ steht schlicht für Gewürze.

Der Chef des Ratskellers serviert ein Printenparfait mit Portweinfeige

Zum Anbeißen. Jede Aachener Bäckerei schwört aufs eigene Rezept.
Zum Anbeißen. Jede Aachener Bäckerei schwört aufs eigene Rezept.

© imagebroker

Hart wie ein Buchenholzscheit muss das Gebäck traditionell sein: „Erst brechen, dann beißen“ heißt die Verzehrregel. Badet man sie ein paar Tage später in Schokolade, erhält man weiche Schokoladenprinten. Mit Zuckerguss überzogen heißen sie Prinzess-Printen. Halbe Kräuterprinten mit Mandel wiederum nennen sich Moppen.

Darüber hinaus gibt es Printenplatten von der Größe eines Briefumschlags, Saftprinten, Printenkonfekt, Spitzkuchen, Printillos – klar, dass die bejahrte Süßkuchen-Dame optisch und geschmacklich immer mal wieder ein wenig aufgehübscht werden muss.

Printen, Printen, Printen – und wer soll das nun alles essen? Die Aachener unternehmen viele Anstrengungen, ihre Printen nicht nur als Ganzes unters Volk zu bringen, sondern auch anderweitig zu verwerten. Es gibt eine Printenleberwurst, Printentee und Printentabak. Der Chef des Ratskellers serviert ein Printenparfait mit Portweinfeige oder eine gebratene Ananas mit Printengewürz. Auch einen Sauerbraten vom Seeteufel hat er seinen Gästen schon mal zugemutet – „aber das war natürlich nicht jedermanns Sache“.

Zum Kaffee einen Reisfladen

Da zieht sich der traditionsbewusste „Öcher“ (Aachener) doch lieber in sein Café Van den Daele zurück. An den Wänden hängen alte Printenmodel, Formen von Herzen, Tannenbäumen und Karl dem Großen, vor der Tür hat der inzwischen verstorbene Besitzer 1989 sogar die Skulptur eines „Printenmädchens“ aufstellen lassen. Hier bestellt der Lokalpatriot sein „Printengedeck“, trinkt in Ruhe die Tasse Kaffee und genießt dazu ein Stück „Reisfladen“, jenen mit Milchreis gefüllten und überbackenen Hefekuchen, den man nur im Dreiländereck kennt.

Das Beste aber – das Beste behält er sich zum Schluss vor: vier Printen, die Krönung des Tages.

Für einen Aachen-Besuch gibt es aktuell ein Pauschalangebot unter dem Motto „Weihnachtszauber“, gültig bis zum 23. Dezember. Es umfasst zwei Übernachtungen mit Frühstück im Komforthotel plus Stadtführung und Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt pro Person ab 160 Euro. Information und Buchung: Aachen Tourist, Telefon: 0241/1802960, Internet: aachen-tourist.de.

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