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Mecklenburg-Vorpommern: Die Sterne-Angler des Nordens

Mecklenburg-Vorpommerns Köche entdecken die frischen regionalen Produkte – und heimsen so Auszeichnungen ein.

Wenn die Herbstsonne sich nicht blicken lässt, ein Schauer vom Himmel fällt und ein Sturm über die Ostsee fegt, Strände und Wälder nicht zum Spazieren einladen, muss ein warmes Plätzchen her. Am besten ein Ort mit Aussicht auf Meer, Bodden oder weite Landschaften mit alten Bäumen, deren Blätter sich jetzt in bunter Pracht zeigen. Da darf etwas Gutes zum Essen natürlich nicht fehlen. Fisch, Wild oder ein ambitioniertes Dessert – und zwar alles unbedingt aus der Region. Jetzt ist die richtige Zeit, um die kulinarischen Seiten Mecklenburg-Vorpommerns zu entdecken. Grund genug für Restaurants und Hotelküchen, „kulinarische Wochen“ auszurufen und ihre Gäste mit regionalen Köstlichkeiten zu locken.

Gespeist wird in Restaurants, auf dem Schiff oder in Galerien. Unter dem Motto „Fischland löffelweise“ wird ein Menü kredenzt, bei dem jeder Gang an einem anderen Ort der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zu genießen ist. Neun Stationen sind es insgesamt, hungrig muss da niemand nach Hause gehen.

So geht es nach einer Begrüßung im Hotel Namenlos & Fischerwiege in Ahrenshoop zum Hotel Blinkfüer in Dierhagen, wo eine Zanderterrine an Apfel-Fenchel- Kompott kredenzt wird. Im benachbarten Hotel Dünenmeer warten anschließend im Röstimantel gebackene Wachtelbrüstchen an Sanddornsauce und nach weiteren Zwischengängen geht es mit dem Hauptgericht im Hotel Fischländer in Ahrenshoop weiter. Dort werden die Gäste beispielsweise mit dem gedämpften Ostseefisch Schnäpel auf Kerbel-Kartoffelstampf mit gelben und roten Karotten und Ziegenkäseschaum empfangen.

Wer gerne mit dem Schiff unterwegs ist und dabei durch abenteuerliche Seefahrergeschichten unterhalten werden möchte, ist bei „Smutje an Bord“ richtig. Die Fahrt geht von Zingst nach Barth. Gespeist wird an Bord sowie im Hotel Schlösschen Sundische Wiese, im Ringhotel Speicher in Barth und im Steigenberger in Zingst. Auf einer weiteren Reise über die Halbinsel stehen Kreationen mit Bauernente und Fasan auf der Karte.

Chefkoch Steven Hartmann vom Dorint-Hotel in Wustrow legt großen Wert auf Frische und regionale Qualität, deshalb schaut er beispielsweise bei dem Geflügelhof Oehlert im mecklenburgischen Zarnewanz gerne selbst vorbei. „Wenn ich die Tiere an Ort und Stelle auf dem Hof erlebe, weiß ich, welche Qualität ich bekomme“, sagt der Chefkoch, der aus Zarnewanz Enten und Gänse bezieht. Auch die Inhaber des Hotels Fischländer, das Berliner Ehepaar Thomas Glass und Isabella Holldack, bevorzugen die Erzeuger ihrer Region. So kommt der Ziegenfrischkäse immer frisch aus der Produktion von Jan Brauer aus Daskow. „Das ist einfach der beste, außerdem bringt ihn Jan immer selbst vorbei“, erzählt die Hoteldirektorin. Wenn am 7. November wieder die kulinarische Rallye mit dem Bus über das Fischland startet, ist neben Wildenten und Darßer Reh auch Brauers Ziegenkäse mit von der Partie.

Einer der größten Befürworter der kulinarischen Wochen ist Ahrenshoops Bürgermeister Hans Götze. „In diesem Jahr findet die Aktion zum achten Mal statt, und in jedem Jahr gibt es selbst für mich Neues zu entdecken“, sagt er. Als Maler versteht er es natürlich, auch die künstlerische Seite Ahrenshoops herauszustellen. Mit seinen eigenen Bildern knüpft er an die mehr als 100-jährige Tradition der Ahrenshooper Landschaftsmalerei an. Regelmäßig gibt er auch sein Wissen in der Winterakademie in der Künstlerkolonie, einer Kooperation der City-Volkshochschule Berlin mit Ahrenshoop, an Hobbymaler weiter. Wenn bei den kulinarischen Wochen in der Galerie Kunstkaten von den Köchen der Halbinsel Thaicurrysuppe und Gazpacho oder im Atelier im Dornenhaus marinierte Putenspieße und Kalbsragout mit frischen Waldpilzen serviert werden, ist Hans Götze immer mit von der Partie.

Immer mehr Restaurants der Region stellen auf Bioprodukte um, verwenden Hochwertiges lokaler Erzeuger und setzen auf eine kreative Landesküche. Nach Darstellung des Tourismusverbands Mecklenburg-Vorpommern ist die Kochkunst des nordöstlichen Bundeslandes noch immer eine Art Geheimtipp. „Neben Erholungs- und Aktivurlaub wird auch das kulinarische Erlebnis von unseren Gästen immer stärker nachgefragt und gefordert“, sagt Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbandes. Wer kommt, wolle Mecklenburg-Vorpommern sehen, spüren und nicht zuletzt auch schmecken.

In Ostdeutschland ist das Bundesland bereits Spitzenreiter in der SterneGastronomie. Sechs Küchenchefs sind vom Restaurantführer „Michelin“ mit einem Stern behängt worden, für den sechsten sorgte seit diesem Jahr Ralf Haug aus dem Restaurant Nixe in Binz auf Rügen. Vom „Gault Millau“ wurden in diesem Jahr gar 28 Restaurants in Mecklenburg-Vorpommern mit Kochmützen ausgezeichnet. Am besten schnitten die Restaurants Friedrich Franz in Heiligendamm, Le Croy in Greifswald und Der Butt in Rostock-Warnemünde ab. Tillmann Hahn, Küchenchef im Butt, macht sich für die Kulinarik im Land besonders stark und hat die Initiative „Ländlichfein“ ins Leben gerufen.

„Wir wollen damit Mecklenburg-Vorpommern ein Gesicht als Genussland geben“, erklärt der Sternekoch. Ziel der Initiative ist es, ökologische Qualität aus der Region auf den Speisekarten der Gastronomie sowie eine nachhaltige Esskultur zu etablieren und Erzeuger hochwertiger Lebensmittel im eigenen Land zu stärken. Mehr als 20 regionale Gastronomen und Produzenten haben sich bereits der Initiative angeschlossen. Mit der ersten Ländlichfein-Plakette wird am 3. November der Landgasthof De oll Dörpschaul bei Schwerin ausgezeichnet.

Nach dem Motto „Das Leben ist zu kurz, um schlecht zu essen – traditionelle Speisen und Getränke sind Kulturgut“ führt Tillman Hahn gemeinsam mit seiner Frau im alten Torhaus des Bad Doberaner Münsters einen Klosterladen mit Café. Angeboten werden Spezialitäten der Region, Bier, Senf und Kuchen nach alten Klosterrezepten der Zisterziensermönche sowie Kunsthandwerk. Informationen für Ausflüge in die Umgebung erhalten Besucher hier ebenfalls.

Wenige Fahrminuten vom Münster entfernt zieht Leif Detlefsen in alten Klosterteichen Karpfen, Barsche, Flusskrebse, Lachs und Zander auf. Fangfrisch genießen können Fischliebhaber diese im dazugehörigen Restaurant. „Wir wissen die Köstlichkeiten unserer heimischen Gewässer zu schätzen“, sagt Inhaber Detlefsen. Seine Köche fühlen sich einem Leitspruch der Zisterziensermönche verpflichtet: „Ordne dich den Jahreszeiten unter, übe dich in Geduld und verwende viel Mühe für die tägliche Kost!“ In der kalten Jahreszeit, wenn die Feiertage näherrücken, haben die prächtigen Karpfen des Fischereihofs in Hütten Hochkonjunktur.

Von den Speisekarten Mecklenburg- Vorpommerns sind Fischgerichte nicht wegzudenken. Aus der Ostsee oder einem der zahlreichen Seen kommen beispielsweise Hering, Hecht oder Heilbutt auf den Tisch. Seit 1966 ist Fischer Dieter Borgwardt mit seinem Kutter „Prerow“ auf der Ostsee unterwegs. Nach einer stürmischen Nacht und einer ruhigen See am Morgen ist er zufrieden mit seiner Beute. „Durch den Sturm ist die See aufgewühlt, das ist gut für den Fang“, sagt der 63-Jährige. Fünf Kisten mit jeweils 20 Kilo Fisch liegen an Bord, darunter Dorsche, Flundern, Schollen. Auf dem Fischmarkt in Warnemünde, am Ostufer des Alten Stromes, kann man ihm oft vormittags beim Filetieren der Dorsche zuschauen.

Die frischen Fische stehen auch im neuen Restaurant Gutmannsdörfer auf der Karte. Es gehört zum Park-Hotel Hübner. Modern eingerichtet, mit gut gefüllten Weinregalen, gehören zu den Standards der Küche Flammkuchen, Antipasti und eine wechselnde Tageskarte. Der Name des Restaurants geht auf Walter Kempowskis Roman „Tadellöser & Wolf“ zurück. Gutmannsdörfer steht für alles, was gut ist. Und Gutes gibt es in den Küchen Mecklenburg-Vorpommerns allem Anschein nach reichlich zu entdecken.

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