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Reise: „Noch einen Schluck, noch eine Stunde …“

Heike Makatsch liest Tucholskys Sommergeschichte „Schloss Gripsholm“

Kurt Tucholsky gilt als einer der schärfsten Satiriker des vergangenen Jahrhunderts. Doch er konnte auch heiter und albern sein – und Ferienlaune leicht und beschwingt in Worte bringen. Solche Texte kann man heute als Hörbuch mit in den Urlaub nehmen. „Es war ein strahlend heller Tag“, beginnt die Schauspielerin Heike Makatsch. „Das Schloss, aus roten Ziegeln erbaut, stand leuchtend da, seine runden Kuppeln knallten in den blauen Himmel – dieses Bauwerk war dick, seigneural, eine bedächtige Festung. Ich weiß nichts vom Stil dieses Schlosses – ich weiß nur: Wenn ich mir eins baute, so eins baute ich mir.“ Das Ziel der Reise ist erreicht: Mariefred bei Stockholm, direkt gegenüber vom Schloss.

1931 veröffentlichte Tucholsky seine heiter melancholische Sommergeschichte „Schloss Gripsholm“. Als „Fingerübung“ bezeichnete er sie abschätzig. Doch diese Spielerei wurde am Ende der Weimarer Republik zu einem seiner größten Buch- und Publikumserfolge. Schriftstellerfreund Walter Hasenclever empfahl sie als „eine der amüsantesten und märchenhaftesten Liebesgeschichten, die im Zeitalter der Notverordnungen geschrieben wurde“.

„Daddy“ und seine „Prinzessin“, Fritzchen also und seine Lydia, verbringen unbeschwerte Ferientage in Schweden. Träumerisch, verspielt und wehmütig geht es zu, es wird gealbert, gefoppt und gejuxt. Dazu gibt es hübsche poetische Naturbeschreibungen und mittlerweile schon geflügelte Worte wie diese: „Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele.“

Heike Makatsch klingt ganz zart und weich, dann wieder herb und rau. Die Stimme kratzt manchmal leicht und wird dann sehr tief, und das norddeutsche Missingsch kriegt sie auch gut hin. Tucholskys „Sommergeschichte“ wird zu neuem Leben erweckt, die Wehmut über die Vergänglichkeit hat ein modernes Echo gefunden. „Letzter Tag des Urlaubs – letzter Schluck vom roten Wein, letzter Tag der Liebe! Noch einen Tag, noch einen Schluck, noch eine Stunde! Noch eine halbe …! Wenn es am besten schmeckt, soll man aufhören.“Stefan Berkholz

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm. Eine Sommergeschichte. Gelesen von Heike Makatsch. Diogenes Hörbuch, Zürich 2007. 4 CD, circa 260 Minuten, 24,90 Euro

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