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Bekannt für guten Service. Arndt Forquignon serviert in seiner Amtsstube auch Cappuccino. Das Mobiliar kam vor allem vom Bauamt Bremen-Nord.

© Eckhard Stengel

Skurriles Café: Zum Kaffeetrinken aufs Amt

Seit fünf Jahren betreibt ein Bremer Wirt ein Café im Stil einer Behördenstube der 1950er Jahre. Es sieht aus, als wären die Beamten gerade selbst zur Kaffeepause aufgebrochen.

Behördengänge sind für die meisten Menschen eine Last. Doch es kann auch eine Lust sein, aufs Amt zu gehen. Nämlich dann, wenn es sich bei dem „Amt“ um die gleichnamige Kaffeebar in Bremen handelt. Seit fünf Jahren betreibt der Gastronom Arndt Forquignon (48) das Lokal, das er mit ausrangierten Behördenmöbeln und Büromaschinen ausgestattet hat – eine Art Museum zum Anfassen und Ausspannen.

Wer aufs „Amt“ will, braucht einen Stadtplan oder ein Navi, denn das Café residiert in einer versteckten Seitenstraße der Bremer Innenstadt. Im ersten Stock eines unauffälligen Bürogebäudes wartet auf die Besucher ein Ensemble aus Schreibtischen und Aktenschränken im Stil einer westdeutschen Amtsstube der 1950er Jahre.

Den selbst gebackenen Kuchen oder den Mittagseintopf serviert Forquignon an einem der Massivholzschreibtische oder am Nierentisch neben der gediegenen dunkelgrünen Polstergarnitur. Sofa und Sessel sind fast die einzigen Möbelstücke, die nicht nach Behörde aussehen. Alles andere wirkt so, als wären die Beamten gerade selbst zur Kaffeepause aufgebrochen und hätten ihren Arbeitsplatz vorübergehend den Amtsbesuchern überlassen.

Adenauer wacht über die Einhaltung des Dienstweges

Die Tische sind vollgestellt mit mechanischen Schreibmaschinen, Wählscheibentelefonen, Stempelhaltern oder Tintenfässchen. Besonders eindrucksvoll: eine „Bleistift-Schärfmaschine“ mit Kurbel und Zahnrädern, Modell „Jupiter 1“.

Was kostet hier ein Cappuccino, ein Espresso oder eine traditionelle Afri Cola? Das verrät ein Blick auf die „Amtsgebühren“. So nennt sich die Getränkekarte, die wie frisch getippt in den Schreibmaschinen steckt. Neben dem Durchgang zur Raucherlounge wacht ein Porträt des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer über die korrekte Einhaltung des Dienstweges.

Die meisten Möbel hat Forquignon bei einem Bauamt abgestaubt, das 2011 sein altes Inventar loswerden wollte. Die Maschinen besorgte er sich auf Flohmärkten oder im Internet, und manches Fundstück bekam er geschenkt, so auch die Rechenmaschine aus den 1920er Jahren von einer Kundin, die hier ihren 70. Geburtstag feierte.

Der Architekt ist "Amtsleiter"

Gefeiert wird hier gerne, zum Beispiel, wenn echte Beamte in Ruhestand gehen. Dann hängt draußen ein Schild „Wegen Veranstaltung heute geschlossen“. Auf die regulären Öffnungszeiten („Sprechzeiten“) ist hier also, ganz amtsuntypisch, kein Verlass. Dabei sind sie schon kurz genug: dienstags bis samstags von 10.30 bis 18 Uhr – im Sommer sogar nur bis 14.30 Uhr, lediglich „bei Regen oder unter 20 Grad“ auch bis 18 Uhr, wie ein Aushang verkündet. Wer sich das alles nicht merken kann, sollte einen Blick auf die Hausfassade werfen: Hängt dort eine Fahne, ist das „Amt“ geöffnet.

Es sind nicht viele Stadtbummler, die sich in die Wandschneiderstraße 6 verirren. Aber das stört den Wirt nicht groß. Er sieht sich in der Tradition versteckter Geheimtipp-Bars. „Das hier ist mein Privatvergnügen“, sagt er. Sein Hauptgeschäft macht er mit Catering für externe Veranstaltungen.

Eigentlich ist Forquignon Diplom-Architekt. Aber statt am Computer Bauzeichnungen zu entwerfen, wurde er lieber Gastronom. Bis 2011 betrieb er eine Kaffeebar neben einer Senatsbehörde. Wenn die Beamten nachmittags nach Hause fuhren, kam kaum noch jemand in sein Café. „Dann kann ich auch gleich eine Behörde aufmachen“, dachte er sich – und schon war die Idee zur Kaffeebar „Amt“ geboren. Seitdem trägt der gebürtige Bremer einen selbst gewählten Titel, der in seiner Branche einmalig sein dürfte: „Amtsleiter“.

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