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Mit Panzer vorm Fenster: Die Baracken im Point Alpha.

© Steyer

Schlafen wie die GIs: Übernachten in US-Baracken an der innerdeutschen Grenze

Das frühere US-Camp Point Alpha an der heute fast bedeutungslosen Grenze zwischen Thüringen und Hessen ist eine von vielen Erinnerungsstätten an die deutsch-deutsche Teilung – und doch ist sie ganz anders: Hier kann jeder in den Baracken des früheren US-Beobachtungspunktes übernachten

Im schwachen Mondlicht wirkt der Panzer vor dem Fenster erst recht unheimlich. Kurz dahinter ragt ein Kanonenrohr in den Himmel, während Käuze in den Bäumen ihre Rufe durch die Nacht schicken. Und dann steht da noch ein in der Dunkelheit und trotz der großen Entfernung erstaunlich gut lesbares Schild: „Attention 50 Meters to Border“. Das schnelle Einschlafen an diesem ungewöhnlichen Ort mitten in Deutschland fällt schwer. Zu viele Gedanken schwirren durch den Kopf. Das frühere US-Camp Point Alpha oberhalb der Kleinstadt Geisa an der heute fast bedeutungslosen Grenze zwischen Thüringen und Hessen ist eine von vielen Erinnerungsstätten an die deutsch-deutsche Teilung – und doch ist sie ganz anders. Jedermann kann inzwischen in den Baracken des einst gut ausgebauten amerikanischen Beobachtungspunktes übernachten. Point Alpha ist kein Luxusquartier, sondern ähnelt eher einer Jugendherberge. Die Doppelstockbetten sind nicht bezogen, die Gemeinschaftstoiletten und -duschen befinden sich auf dem Gang und einen Fernseher auf dem Zimmer gibt es auch nicht. „Dafür schlafen Sie am einst heißesten Ort des Kalten Krieges“, sagt der Direktor der von einer Stiftung getragenen Gedenkstätte, Volker Bausch. „Nirgendwo sonst an der 1400 Kilometer langen Grenze ragte die DDR so weit in den Westen wie hier.“

Hier rechnete die Natoam ehesten mit einem Angriff

Hier hätte deshalb die Nato am ehesten einen Angriff aus dem Osten erwartet. „Auf den Landkarten der Militärs war damals von der sogenannten Fulda-Gap die Rede.“ Wie hohe DDR-Offiziere nach der Wende bestätigt hätten, wollte der Ostblock über Fulda rasch zum 100 Kilometer entfernten Flughafen in Frankfurt am Main vorstoßen, den Airport besetzen und die Bundesrepublik an dieser Stelle in einen Nord- und in einen Südteil trennen. Deshalb hätten die US-Streitkräfte entlang der innerdeutschen Grenze zahlreiche Beobachtungsstationen eingerichtet. Nur jener Point Alpha bei Geisa für 80 bis 200 Soldaten sei erhalten geblieben. Die ganz großen Vandalismusschäden, wie sie andernorts zu finden sind, gibt es an dem etwas geheimen Standort nicht. Selbst ein Stück des unmittelbar vor dem Beobachtungsturm des Camps verlaufenden Streckmetallzaunes, der als vorderste DDR-Grenze diente, ist in den Bergen der Rhön erhalten geblieben. Allerdings sind auch hier nicht mehr alle Dinge original.

So haben in den Betten der Herberge keine US-Soldaten geschlafen, auch die Schränke sind erneuert worden. „Da ist leider nach dem Abzug der Amerikaner vom Point Alpha im Frühjahr 1991 und nach der Aufgabe der Kaserne in Fulda einiges verloren gegangen“, erzählt der Initiator der heutigen Gedenkstätte, Berthold Dücker, der selbst als Jugendlicher ganz in der Nähe den Grenzzaun nach Hessen überwunden hatte. „Die damalige hessische Landesregierung wollte unbedingt den Abriss dieser Anlange, nachdem sie zuvor Asylbewerber in dieser abgeschiedenen und nur schwer erreichbaren Gegend untergebracht hatte.“
Nach dem Regierungswechsel in Hessen von SPD und Grünen zur CDU 1999 wurden die Pläne zum Abriss fallen gelassen. Nun stand Geld für den Ausbau zum Gedenk- und Lernort zur Verfügung. Politiker aus aller Welt ließen sich hier herumführen, 2005 sogar George Bush, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl. Doch nicht nur die Ausstellung über den Alltag der US-Soldaten in einer Baracke und die Panzer, Jeeps und Hubschrauber drum herum machen das Camp sehr authentisch.

US-Soldaten kehren gern zurück

Regelmäßig kehren ehemalige Soldaten und Offiziere aus den USA zurück und zeigen ihren Frauen, Kindern und Enkelkindern die einst so brisante Stelle im Kalten Krieg. Immerhin hatten schon 1953 die ersten massiven Bauten die bis dahin üblichen Zelte für die Truppen abgelöst. Im Internet, im Archiv der Gedenkstätte und in der neuen Dauerausstellung des Hauses gibt es zahlreiche Fotos mit DDR-Soldaten vor und hinter dem vorderen Zaun. Es gibt sie in vielen Varianten, wahlweise mit und ohne Trabant oder mit „Robar“, auch wenn der wendige Mannschaftstransporter aus Zittau exakt „Robur“ hieß. Die Nacht an dem heute wieder fast stockfinsteren Ort bleibt nicht nur wegen des Blickes auf den Panzer vor dem Fenster in Erinnerung. Am Morgen hat sich wieder eine gute Stimmung eingestellt. Fast wie in jeder anderen Jugendherberge.

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