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Panorama: Schneeballschlacht in Amman

Es war kurz nach 16 Uhr. Die Männer und Frauen, die im Fitnessstudio "Body Work" in Amman ihre Muskeln trainierten, ließen die Hanteln liegen und rannten zum Fenster: Mitten in dem orkanartigen Sturm, der seit dem Morgen die jordanische Hauptstadt heimsuchte, fiel der erste Schnee.

Es war kurz nach 16 Uhr. Die Männer und Frauen, die im Fitnessstudio "Body Work" in Amman ihre Muskeln trainierten, ließen die Hanteln liegen und rannten zum Fenster: Mitten in dem orkanartigen Sturm, der seit dem Morgen die jordanische Hauptstadt heimsuchte, fiel der erste Schnee. Innerhalb von zehn Minuten hatten alle Sportler ihre Taschen geschnappt und panikartig das Gebäude verlassen: Sie versuchten, mit ihren Autos noch nach Hause zu kommen, bevor der Schnee den Verkehr auf den steil ansteigenden Straßen Ammans lahmlegt.

Eine Stunde später stand auf der Hauptverkehrsader Zahran-Straße alles still. Mit ihren Sommerreifen kamen die Wagen kaum noch von der Stelle, die steil abfallenden Seitenstraßen wagte schon gleich niemand zu nehmen. Die auf 900 Meter Höhe liegende Stadt ist auf zahlreiche Hügel gebaut. Immer wieder mußten Wagen angeschoben werden.

Dabei ließen es sich die Jordanier nicht nehmen, eine kleine Schneeballschlacht einzulegen, die zu weiteren Verzögerungen führte. Schließlich ließen Tausende im ganzen Land ihre Autos einfach stehen. Auch an der Zahran-Straße versuchten Geschäftsleute mit Aktenkoffern in der Hand ihr Glück zu Fuß, eine Plastiktüte oder ein T-Shirt auf dem Kopf zum Schutz gegen den Schneesturm.

Im jordanischen Fernsehen wurden jede halbe Stunde Verantwortliche des Katastrophenschutzes interviewt, die zur Ruhe mahnten. Mehr können sie auch nicht tun, denn das Land besitzt keine Räumfahrzeuge oder Streusalz. Winterreifen oder Schneeketten sind hier unbekannt. "Irgendwann scheint die Sonne auch wieder und dann ist alles vorbei", resümierte ein Interviewpartner die Situation. Doch am Dienstag waren noch immer einige Bergdörfer im Norden des Landes, wo bis zu 30 Zentimeter Schnee fielen, von der Umwelt abgeschnitten. Lediglich an "sensiblen" Stellen, wie um das Ammaner Haus des Innenministers herum, versuchten am Dienstag morgen Bagger, den Schnee notdürftig zur Seite zu schieben. Die etwa 15 Kilometer lange Straße zum Flughafen dagegen blieb verschneit und von wahllos abgestellten Autos blockiert. Ein Mitarbeiter der EU-Vertretung in Amman, der am morgen seine Tochter zum Flughafen brachte, brauchte vier Stunden für Hin- und Rückfahrt.

Viele Jordanier erschienen am Dienstag nicht zur Arbeit, fast sämtliche Geschäfte blieben geschlossen. Private Abendessen werden gleich für die nächsten Tage reihenweise abgesagt. Wie überall auf der Welt freuen sich besonders die Kinder über den seltenen Schnee. Dies hat in diesem Wüstenstaat noch einen besonderen Hintergrund: Bei Schnee gibt es automatisch schulfrei.

So hat der jordanische Erziehungsminister am Montag abend offiziell verkündet, Schulen und Universitäten blieben am Dienstag geschlossen. Daher findet die neunjährige Josephine, die gerade aus den Weihnachtsferien im verschneiten Berlin heimgekehrt ist, ganz pragmatisch: "Schnee in Jordanien ist besser als Schnee in Berlin." Und noch eine Besonderheit hat der Wintereinbruch in dem wasserarmen Land zu bieten. Kaum hatte das Schneetreiben am Abend aufgehört, begann ein mächtiges Donnergrollen und gleißende Blitze zerrissen den Nachthimmel über Amman.

Im gesamten Nahen Osten wurden die Nachrichten aus Palästina durch die Schneemeldungen von den Aufmacherplätzen in den Fernseh-Nachrichten und Zeitungen vertrieben. Im Norden Israels hatte es schon am Dienstag morgen geschneit. Auch Jerusalem war von einer dünnen Schneedecke bedeckt. Freude herrschte dagegen auf Berg Hermon, der Ski-Station, an der sich zahlreiche Skifahrer einfanden. In Libanon mußten wegen der Schneestürme die Häfen geschlossen werden, die Straßen der Bergregionen waren unpassierbar. Und auch in Damaskus fiel bei ungewöhnlich tiefen Temperaturen Schnee.

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