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Bei den Asiatischen Elefanten haben nur die Männchen Stoßzähne.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (45): Asiatischer Elefant

Womit schneidet man einem Dickhäuter die Zehen? Natürlich mit einer Flex. Beobachtung einer nicht alltäglichen Behandlung

Von Julia Prosinger

Die Sonne geht auf, unterm Dach zwitschern Spatzen, und die Weiber spazieren schon draußen im Garten. Ein guter Tag für Wellness. Victor, 21, gebürtiger Israeli, Vater von drei Kindern, Herr im Haus, atmet tief ein. Elefantenmänner sind Einzelgänger. Heute bekommt der Bulle im Zoo seine halbjährliche Pediküre. Eine Feile wird nicht genügen. Zwei Kosmetiker stehen bereit, einer davon, Tierpfleger Rolf Becker, holt die Flex.

Victor besitzt, wie jeder gute Asiatische Elefant, fünf Zehen an den Vorderfüßen und vier hinten. Viel Arbeit. Afrikanische Exemplare haben vorn drei, hinten nur zwei. Alle Elefanten gehen auf Zehenspitzen, darum auch sehr leise. Zwischen den Zehen haben sie eine Art Kissen, das ihr Gewicht abfedert. Fußpflege ist wichtig.

Untrainierte Tiere müssten dafür in Narkose. Victor, etwa vier Tonnen schwer, wäre jedem Pfleger überlegen, besonders, wenn er wieder mal einen bullentypischen Hormonrausch auslebt. Seine Kosmetiker bleiben deshalb besser hinter Gittern. Mit den ausgebreiteten Armen eines Liebenden, der seine Angebetete vom Flughafen abholt, steht Becker vor Victor. Im „protected contact“, nur mit einem Stab, auf dem ein Tennisball steckt, dirigiert er ihn. „Target, Victor, target!“

Der Elefant lernt Englisch. Damit er sich auch in einem anderen Zoo verständigen könnte. „Turn around“, „lie down“. Becker schaut Victor in den Mund, prüft die Zunge. Victor klappt ein Ohr durchs Gitter. Steckt die Schwanzquaste hindurch. Lässt sich auf Zuruf in eine Ecke sacken und mit einer Nadel ins Ohr pieksen. Gewöhnungseffekt. So könnte ihm der Tierarzt stets Blut abnehmen. Nach jeder Bewegung bläst Becker in eine Pfeife – Aufgabe korrekt bewältigt. Zuckerrübe zur Belohnung. Ende der Choreografie. Becker streichelt Victors Rüssel. Ein Koloss kuschelt.

Die Stunde der Flex ist gekommen. „Lift foot, Victor!“ Der Bulle balanciert den Fuß, 50 Zentimeter Durchmesser, in eine Luke zwischen den Gitterstäben. „Fuß vor, Victor!“. Funken sprühen, der Motor kreischt, Becker schwingt die Flex. Victor atmet ein bisschen schneller. Im Nu ist der Boden mit weißem Staub bedeckt. Es stinkt beißend nach verbranntem Horn. Im Zoo haben die Tiere zu wenig Auslauf, die Bodenbeläge sind nicht verschieden genug. Da können schnell Geschwüre entstehen, Nägel einwachsen, Risse im Nagel Entzündungen verursachen. Zirkuselefanten, die auf weichem Sägemehl in der Manege tanzen, brauchen deshalb eine ganz besonders intensive Pediküre. In der Natur rammen sich die Dickhäuter Äste zwischen die Nägel, falls sich ein Stein festgesetzt hat oder warten einfach ab. Victors Sohle hat ein unregelmässiges Profil, das ihm auf rutschigen Flächen Halt gibt. Alles glatt heute, sonst müsste das Kosmetikerteam die Überlappungen mit einem Hufmesser und viel Gefühl aufschneiden.

Victors Artgenossen in freier Natur cremen sich an solchen Wellness-Tagen mit Schlamm und Lehm ein. Wenn ihre dicke Haut – an manchen Stellen drei Zentimeter radiergummiartiges Material – trocken ist, reißt sie tief ein. Victor hat dafür Personal: Becker wird ihm mit einer erfrischenden Dusche allen Staub aus dem dichten Rückenhaar waschen. Dann ist er bereit für die Weiber.

ASIATISCHER ELEFANT IM ZOO

Lebenserwartung:  bis 80 Jahre

Fütterungszeit:  9.30 Uhr

Interessante Nachbarn:  Alpakas und Chileflamingos

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